Zahnfleischentzündung (Gingivitis) – Differentialdiagnosen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus
    • Gingivitis tritt bei Patienten mit Diabetes aufgrund einer gestörten Immunabwehr und einer erhöhten Entzündungsneigung häufig auf.
    • Charakteristisch ist eine reduzierte Wundheilung im Zahnfleisch.
  • Folsäure-Mangel (bei Schwangeren)
    • Kann zu einer Gingivitis führen, die sich durch entzündetes, blutungsneigendes Zahnfleisch äußert.
    • Besonders relevant während der Schwangerschaft, wenn der Bedarf an Folsäure steigt.
  • Vitamin-C-Mangel
    • Führt zu einer beeinträchtigten Kollagensynthese, die das Zahnfleisch schwächt.
    • Typische Symptome: Schwellung, Blutung und Ulzerationen (Geschwürbildungen) des Zahnfleisches.

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • HIV-Infektion
    • Gingivitis bei HIV-Patienten ist oft durch atypische Entzündungsmuster gekennzeichnet.
    • Häufig mit nekrotisierenden Parodontalerkrankungen assoziiert.
  • Infektion – z. B. mit β-hämolysierenden Streptokokken (Streptokokkeninfektionen)
  • Mykosen (Pilzinfektionen), vor allem mit Candida albicans; typisch: Weißliche Beläge und schmerzhafte Rötung des Zahnfleisches.
  • Syphilis (Lues)
    • In der Primärphase kann ein Schanker (Ulzeration) am Zahnfleisch auftreten.
    • Sekundärphase: Generalisierte Gingivitis mit Schleimhautläsionen (Schleimhautveränderungen).
  • Viren wie Herpes-Viren, Epstein-Barr-Virus (Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers) oder das Cytomegalie-Virus

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Akute Gingivitis
    • Meist durch lokale Faktoren wie Plaque oder Zahnstein ausgelöst.
    • Reversibel bei frühzeitiger Behandlung.
  • Akute nekrotisierende ulzerierende Gingivitis (ANUG) – Sonderform der Zahnfleischentzündung
    • Schwere Sonderform, die durch bakterielle Infektionen verursacht wird (z. B. Fusobacterium und Treponema).
    • Typisch: Schmerzen, spontane Blutung, nekrotisches Gewebe und foetor ex ore (Mundgeruch).
  • Chronische Gingivitis
    • Häufig durch anhaltende Plaqueansammlungen verursacht.
    • Kann in eine Parodontitis übergehen.

Neubildungen – Tumorerkrankungen* (C00-D48)

  • Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle – Häufigste maligne Neoplasie der Mundhöhle; kann als schmerzlose, ulcerierte ("geschwürig") oder exophytische ("über eine Oberfläche hinaus wachsend") Läsion erscheinen.
  • Malignes Melanom der Mundschleimhaut – Seltene, aber aggressive Tumorform mit Pigmentierung oder atypischer Rötung.
  • Lymphome (z. B. Non-Hodgkin-Lymphom, Burkitt-Lymphom) – Können als diffuse Zahnfleischschwellung ohne typische Entzündungszeichen auftreten.
  • Leukämie (z. B. akute myeloische Leukämie, akute lymphatische Leukämie) – Kann sich durch spontane Zahnfleischblutungen, Gingivahyperplasie oder blass-ödematöse Schwellungen manifestieren.
  • Kaposi-Sarkom – Besonders bei immunsupprimierten Patienten (z. B. HIV-assoziiert) möglich; zeigt sich durch rötlich-violette, erhabene Läsionen.

Medikamente

  • Anabolika:
    • Können durch hormonelle Einflüsse eine Entzündung und Hyperplasie (Gewebsvermehrung) des Zahnfleisches auslösen.
  • Calciumantagonisten:
    • Medikamente wie Amlodipin oder Nifedipin führen bei einigen Patienten zu einer medikamenteninduzierten Gingivahyperplasie.
  • Hydantoine:
    • Phenytoin, ein Antiepileptikum, ist bekannt für seine Nebenwirkung der Gingivahyperplasie.
  • Immunsuppressiva:
    • Ciclosporin (Cyclosporin A) kann eine deutliche Gewebehyperplasie des Zahnfleisches verursachen, die chirurgisch behandelt werden muss.

Warnzeichen, die auf eine Neoplasie hinweisen können

  • Persistierende oder progrediente Symptome trotz antiinflammatorischer Therapie.
  • Ulzerationen oder exophytische Wucherungen, die nicht abheilen.
  • Blutungsneigung und Gingivahyperplasie, besonders ohne entzündliche Begleitreaktionen.
  • Pigmentierte oder atypisch gefärbte Läsionen, die nicht auf übliche Gingivitistherapie ansprechen.
  • Einseitige oder asymmetrische Zahnfleischveränderungen, die sich von typischen Entzündungsmustern unterscheiden.
  • Begleitende systemische Symptome wie Nachtschweiß, Fieber oder Gewichtsverlust (Hinweise auf hämatologische Neoplasien/Blutkrebs).