Speicheldrüsenentzündung (Sialadenitis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Pathogenese der Speicheldrüsenentzündung (Sialadenitis) ist komplex und variiert je nach Ursache und Verlauf der Entzündung. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen akuten und chronischen Formen der Sialadenitis, die durch bakterielle oder virale Infektionen, mechanische Obstruktionen oder autoimmune Prozesse ausgelöst werden können.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Bakterielle Sialadenitiden
Akute bakterielle Sialadenitiden werden häufig durch eine Verminderung des Speichelflusses (Hyposialie) begünstigt. Typische Erreger sind hämolysierende Streptokokken der Gruppe A und Staphylococcus aureus. Die Infektion beginnt oft mit einer Entzündung der Speicheldrüsengänge (Sialangitis), die sich dann auf das Drüsenparenchym (Drüsengewebe) ausweitet und zu einer weiteren Verringerung des Speichelflusses führt.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

Chronische Sialadenitiden
Die chronischen Formen der Sialadenitis sind oft durch mechanische oder autoimmune Faktoren geprägt:

  • Obstruktive Elektrolyt-Sialadenitis
    Hierbei führt eine Veränderung im Elektrolythaushalt zu einer erhöhten Viskosität des Speichels. Der zähere Speichel kann den Abfluss stören, was zur Bildung von Sialolithen (Speichelsteinen) führt. Diese Steine wachsen durch die Anlagerung von organischem und anorganischem Material um einen Kern und blockieren die Speicheldrüsengänge. Meist sind Glandula parotis (Ohrspeicheldrüse) und Glandula submandibularis (Unterkieferspeicheldrüse) abwechselnd betroffen.
  • Obstruktive Sialadenitis
    Neben Speichelsteinen können auch andere Faktoren die Drüsenkanäle verengen und zu einer Sialadenitis führen:
    • Sialodochitis: Primäre Entzündung der Gangepithelien (Gangsinnesepithel).
    • Stenosen und Strikturen: Narbenbildungen infolge von Entzündungen, Trauma oder Tumoren.
    • Kompression durch Tumoren: Verengung der Drüsenkanäle durch umgebendes Tumorgewebe.
    • Angeborene Anomalien: Kongenitale Ausweitungen der Gänge, wie Mega-Stenon-Gänge oder Sialektasen, die die Sekretionsfunktion stören.
  • Chronisch-rezidivierende Sialadenitis
    • Glandula submandibularis (Küttner-Tumor): Bei dieser Form folgt auf eine Sekretionsstörung eine periduktale Fibrose (Bindegewebsvermehrung um die Drüsengänge) und Immunreaktionen mit Zerstörung des Parenchyms und Gangepithels. Die Entzündung kann aufsteigen und Infektionen fördern.
    • Chronisch-rezidivierende Parotitis: Häufig angeborene Gangektasien (Erweiterungen der Drüsengänge) oder immunologische Ursachen stehen im Verdacht, die Entzündung zu begünstigen.
  • Chronische myoepitheliale Sialadenitis
    Diese Form tritt oft im Rahmen des Sjögren-Syndroms auf. Es handelt sich um eine entzündlich-degenerative Autoimmunerkrankung, bei der in 60 bis 100 % der Fälle antinukleäre Autoantikörper sowie Antikörper gegen das Zytoplasma der Gangepithelzellen nachgewiesen werden. Dies führt schubweise zu einem Funktionsverlust der Drüse.
  • Chronisch-epitheloidzellige Sialadenitis
    Auch bekannt als Heerfordt-Syndrom oder febris uveo-parotidea, tritt diese Form als extrapulmonale Manifestation einer Sarkoidose (Morbus Boeck) auf und betrifft häufig die Glandula parotis.
  • Strahlensialadenitis
    Durch Bestrahlung verursachte (radiogene) Sialadenitiden führen zur Zerstörung der serösen Endstücke (Azini) und zur Entzündung der Drüsengänge. Die Folge ist Apoptose (kontrollierter Zelltod) und ein fibrotischer Umbau des Drüsengewebes.

Klinisches Bild

Leitsymptome

  • Schwellung und Schmerzen im Bereich der betroffenen Drüse, besonders während der Nahrungsaufnahme
  • Rötung und Überwärmung des betroffenen Bereichs

Fortgeschrittene Symptome

  • Eitriges Sekret bei Druck auf die Drüse (besonders bei bakterieller Sialadenitis)
  • Wiederkehrende Schwellungen und Druckgefühl im Bereich der betroffenen Drüse
  • Reduzierte Speichelproduktion und Mundtrockenheit, besonders bei chronischen und autoimmunen Formen

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese der Sialadenitis variiert stark je nach Ursache. Bakterielle Sialadenitiden entstehen häufig durch eine verminderte Speichelproduktion, die Infektionen begünstigt. Chronische Formen können durch mechanische Obstruktionen, angeborene Veränderungen oder Autoimmunprozesse ausgelöst werden. Insbesondere bei Autoimmunerkrankungen ist eine genaue Abklärung notwendig, um die richtige Behandlung einzuleiten und den Funktionsverlust der Speicheldrüsen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Angeborene Gangektasien
    • Als prädisponierender Faktor in Verdacht für die Entstehung einer chronisch-rezidivierenden Parotitis.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Verminderte Flüssigkeitszufuhr – Chronischer Flüssigkeitsmangel führt zu einer reduzierten Speichelproduktion und begünstigt bakterielle Infektionen.
    • Gestörter Elektrolythaushalt – Ein unausgeglichener Elektrolythaushalt beeinträchtigt die Speicheldrüsenfunktion und erhöht das Infektionsrisiko.
    • Eiweißmangel (marantische Gesamtsituation) – Typischerweise tritt bei proteinmangelbedingter Schwächung eine marantische Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung) auf.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann: > 30 g/Tag) – Alkohol dehydriert und fördert durch Schleimhautschädigungen das Risiko von Infektionen.
  • Hygiene
    • Mangelnde Mundhygiene – Fördert die Ansammlung von Bakterien und die Entstehung von Infektionen in der Speicheldrüse.
  • Mechanische Faktoren
    • Unregelmäßige Speichelstimulation – Längeres Fasten oder fehlende mechanische Reize durch Kauen vermindern den Speichelfluss und erhöhen das Infektionsrisiko.

Krankheitsbedingte Ursachen

    • Angeborene Anomalien – meist angeborene polyzystische Veränderungen mit teils massiven Dilatationen (Erweiterungen) des Ausführungsganges (Synonyme: Mega-Stenon-Gang, Sialektase)
    • Autoimmunerkrankung
      • Primär biliäre Cholangitis (PBC, Synonyme: nichteitrige destruierende Cholangitis; früher primär biliäre Zirrhose) – relativ seltene Autoimmunerkrankung der Leber (betrifft in ca. 90 % der Fälle Frauen); beginnt primär biliär, d. h. an den intra- und extrahepatischen ("innerhalb und außerhalb der Leber") Gallenwegen, die durch eine Entzündung zerstört werden (= chronisch nichteitrige destruierende Cholangitis). Im längeren Verlauf greift die Entzündung auf das gesamte Lebergewebe über und führt schließlich zu einer Vernarbung bis hin zur Zirrhose; Nachweis antimitochondrialer Antikörper (AMA); PBC ist häufig assoziiert mit Autoimmunerkrankungen (Autoimmunthyreoiditis, Polymyositis, systemischer Lupus erythematodes (SLE), progressive systemische Sklerose, rheumatoider Arthritis); in 80 % der Fälle mit einer Colitis ulcerosa (chronisch-entzündliche Darmerkrankung) assoziiert; Langzeitrisiko für ein cholangiozelluläres Karzinom (CCC; Gallengangskarzinom, Gallengangskrebs) liegt bei 7-15 %
      • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)
      • Sjögren- bzw. Sicca-Syndrom
    • Blutverlust
    • Diabetes insipidus (Hormonmangel-bedingte Störung im Wasserstoffwechsel, die zu einer extrem hohen Harnausscheidung (Polyurie; 5-25 l/Tag) durch eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit der Nieren führt)
    • Diabetes mellitus
    • Diarrhoe (Durchfall)
    • Nausea (Übelkeit)
    • Immundefizienz / Immunschwäche
    • Immunologische Genese für die chronisch-rezidivierende Parotitis in Diskussion
  • Infektionen
    • Virale Sialadenitiden
      • Mumps-Virus – ss-RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviren, zur Gattung des Rubulavirus gehörend; nur ein humanpathogener Serotyp bekannt; Auslöser der Parotitis epidemica (Mumps)
      • Cytomegalie-Virus (Synonyme: CMV, Zytomegalie-Virus) – DNA-Virus aus der Untergruppe der humanen Herpesviren (HHV 5). Das Virus induziert die Bildung von Riesenzellen aus dem Gangepithel der Speicheldrüsen.
      • Coxsackie-Viren – RNA-Viren, zählend zur Gattung der Enteroviren, zur Familie der Picornaviren. Bekannt sind Serotyp A und B.
      • Echo-Viren
      • HI-Virus (HIV)
      • Influenza-Viren – Auslöser der Influenza (Grippe)
      • Parainfluenza-Viren
    • Bakterielle Sialadenitiden
      • Einer akuten bakteriellen Sialadenitis liegt häufig eine Hyposialie (verminderter Speichelfluss) zu Grunde, wodurch eine aszendierende Infektion begünstigt wird.
        • β-hämolysierende Streptokokken (Gruppe A)
        • Katzenkratzkrankheit – bakterielle Lymphdrüsenerkrankung durch Erreger Bartonellae henselae; Sialadenitis als atypische Verlaufsform
        • Staphylokokken (S. aureus)
    • Infektiös-granulomatöse Sialadenitiden
      • Aktinomykose (Strahlenpilzkrankheit)
      • Atypische Mykobakteriosen
      • Syphilis (Lues; Geschlechtskrankheit) – sehr selten, muss aber bei granulomatöser Sialadenitis ausgeschlossen werden
      • Tuberkulose
  • Marasmus – schwerste Form der Mangelernährung; wird auch als Protein-Energie-Malnutrition (PEM) bezeichnet
  • Stenosen (Verengungen) oder Strikturen (hochgradige Verengungen) des Gangsystems
    • postentzündlich (nach einer Entzündung)
    • posttraumatisch (nach einem Trauma/Verletzung)
    • tumorbedingt
  • Tuberkulose, atypische Mykobakteriosen
  • Tumoren – Kompression des Gangsystems und Drüsenparenchyms
  • Verbrennungen

Medikamente

  • 63 % der 200 am meisten verschriebenen Medikamente wirken salivationshemmend (speichelflusshemmend). Die Einnahme xerogener (Mundtrockenheit-bedinge) Medikamente über lange Zeiträume begünstigt die Entstehung einer Sialadenitis durch Hyposialie (Sekretion zu geringer Speichermengen) und (aufsteigende) aszendierende Infektion. Etwa 400 solcher Medikamente sind bekannt. Sie gehören folgenden Gruppen an:  
    • Antiadiposita
    • Anoretika
    • Antiarrhythmika
    • Anticholinergika
    • Antiepileptika
    • Antidepressiva
    • Antihistaminika
    • Antihypertonika
    • Antiparkinsonmittel
    • Antipsychotika (Neuroleptika)
    • Anxiolytika
    • Ataraktika
    • Diuretika
    • Hypnotika
    • Muskelrelaxantien
    • Sedativa
    • Spasmolytika
  • Induktion durch Radiojodtherapie 

Röntgenstrahlen

  • Radiogene Sialadenitis (Strahlensialadenitis) – bei Strahlentherapie im Kopf- und Halsbereich und damit einhergehende Schädigungen der Weichgewebe

Chemotherapien

  • Immunsuppression (Unterdrückung immunologischer Prozesse) → aszendierende (aufsteigende) Infektion

Operationen

  • Operationen im Kopf-/Halsbereich und damit einhergehende Schädigungen der Speicheldrüsen (Strikturen und Stenosen)
  • Postoperative Parotitis nach großen Operationen wie Laparotomie (Bauchschnitt)