Radikuläre Zyste – Operative Therapie
Die radikuläre Zyste ist die häufigste odontogene Zyste, die sich infolge einer chronischen Entzündung an der Wurzelspitze eines devitalen Zahns (abgestorbenen Zahns) entwickelt. Sie ist häufig asymptomatisch, kann jedoch bei Vergrößerung zu Schmerzen, Schwellungen oder Knochenabbau führen. Aufgrund ihres potenziellen Wachstums und der Möglichkeit einer malignen Entartung ist eine operative Entfernung und histologische Untersuchung des Zystenbalgs (Zystenwand) erforderlich.
1. Zahnärztliche Chirurgie
1.1 Wurzelspitzenresektion mit Zystektomie
- Definition: Operative Entfernung der Wurzelspitze und vollständige Entfernung der Zyste (Zystektomie).
- Indikationen:
- Kleine apikale (an der Zahnwurzelspitze befindliche) oder laterale (seitliche) Zysten.
- Retinierte (nicht durchgebrochen) oder devitale Zähne mit entzündlichen Veränderungen an der Wurzelspitze.
- Vorgehen:
- Präparation eines Zugangsfensters im Knochen.
- Entfernung der Zyste einschließlich Zystenbalg und des pathologisch veränderten Gewebes.
- Kürzung und retrograde Abdichtung der Wurzelkanalfüllung (z. B. mit MTA).
- Auffüllung des Defekts mit autologem (körpereigenem) Knochen oder Kollagenmaterial bei größeren Knochenverlusten.
- Ziele:
- Vermeidung eines Rezidivs (Wiederauftreten der Erkrankung).
- Förderung der Knochenregeneration (Wiederherstellung des Knochens).
1.2 Zahnextraktion
- Indikationen:
- Große Zysten, die den Erhalt des Zahns unmöglich machen.
- Devitale Zähne mit schlechter parodontaler Prognose (Einschätzung des Zahnfleisch- und Zahnhalteapparatzustands).
- Milchzahnextraktion:
- Bei inter-/radikulären (zwischen den Wurzeln befindlichen) Milchzahnzysten zur Verhinderung von Schäden an den bleibenden Zähnen.
2. Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
2.1 Zystostomie (Partsch I, Marsupialisation)
- Definition: Teileröffnung und Drainage (Ableitung von Flüssigkeit) der Zyste, um deren Volumen zu reduzieren und umliegende Strukturen zu schützen.
- Indikationen:
- Große Zysten im Unterkiefer mit Gefahr der Devitalisierung benachbarter Zähne oder Schädigung des Nervus alveolaris inferior (Unterkiefernerv).
- Entzündlich veränderte Zysten.
- Zysten im harten Gaumen mit Gefahr der Nasenbodenperforation.
- Risiko einer pathologischen Fraktur (Knochenbruch) nach Zystektomie.
- Vorgehen:
- Großflächige Eröffnung des Zystenlumens.
- Einlegen einer Drainage oder eines Obturators (Hilfsapparat zur Offenhaltung des Zystenlumens).
- Verkleinerung des Zystenlumens durch Knochenneubildung lumenwärts.
- Gegebenenfalls anschließende Zystektomie (vollständige Entfernung der Zyste), wenn die Zyste ausreichend verkleinert ist.
2.2 Zystektomie (Partsch II)
- Definition: Vollständige Entfernung von Zystenbalg und -inhalt, meist kombiniert mit einer Wurzelspitzenresektion.
- Indikationen:
- Kleine bis mittelgroße apikale oder laterale Zysten.
- Zysten, die eine definitive Entfernung des pathologischen Gewebes erfordern.
- Vorgehen:
- Zugang über einen mukoperiostalen Lappen.
- Präzise Entfernung der Zyste und des umgebenden entzündeten Gewebes.
- Stabilisierung des Defekts:
- Kollageneinlagen zur Stabilisierung des Blutkoagels.
- Auffüllung mit autologer Spongiosa (körpereigenem Schwammknochen; z. B. Beckenkamm) bei großen Defekten.
3. Nachsorge und Monitoring
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Postoperative Maßnahmen:
- Antibiotikatherapie bei entzündlich veränderten Zysten.
- Schmerztherapie und entzündungshemmende Medikation (z. B. Ibuprofen).
- Regelmäßige Mundspülungen mit antiseptischen Lösungen (z. B. Chlorhexidin).
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Langzeitkontrolle:
- Radiologische Überwachung (z. B. Orthopantomogramm (OPG), digitale Volumentomografie, DVT) zur Sicherstellung der vollständigen Heilung und Knochenregeneration.
- Überprüfung benachbarter Zähne auf Vitalität und Funktion.
Prognose
- Kleine Zysten zeigen nach einer Zystektomie oder Zystostomie in Kombination mit endodontischer Behandlung gute Heilungsergebnisse.
- Größere Zysten erfordern eine langfristige Nachsorge, insbesondere bei riskanten Lokalisationen (z. B. Nähe zum Nervus alveolaris inferior oder zum Nasenboden).
- Die vollständige Entfernung des pathologischen Gewebes reduziert das Risiko eines Rezidivs erheblich.