Karies – Einleitung

Karies ist eine fortschreitende, schrittweise Zerstörung der Zahnhartsubstanzen, die zu den weltweit häufigsten bakteriellen Infektionskrankheiten zählt.

Synonyme und ICD-10: Caries; Zahnkaries; Zahnschmelzkaries; Zementkaries; dental caries; tooth decay; ICD-10-GM K02.-: Zahnkaries

Historische Entwicklung

Karies wurde bereits bei ägyptischen Mumien sowie bei den Griechen und Römern des Altertums nachgewiesen und war auch im Mittelalter verbreitet, wenngleich weniger stark als heute. Im Mittelalter waren etwa 25 % der Zähne betroffen. Die Zunahme der Karies im Laufe der Zeit wird auf Veränderungen in der Ernährung zurückgeführt. Früher war die Nahrung oft faserreich und verunreinigt, was zu starken Abrasionen (Abnutzungen) der Zähne führte und die Fissuren, die häufige Angriffsflächen für Karies darstellen, glättete. Zahnhalskaries war damals die häufigste Form.

Mit der Zeit wurde die Nahrung verfeinert, reiner und kohlenhydratreicher. Diese Veränderung führte zu einem Verlust des natürlichen Selbstreinigungseffekts, den faserreiche Nahrung bot. Gleichzeitig wirkten sich die vermehrte Zuckeraufnahme und die raffinierteren Kohlenhydrate negativ auf die Zahngesundheit aus. Historische Daten legen nahe, dass Karies eine Zivilisationskrankheit ist, die in engem Zusammenhang mit veränderten Ernährungsgewohnheiten steht.

Geografische Verbreitung und Einflussfaktoren

Die geografische Verbreitung von Karies variiert und ist in gemäßigten Breiten höher als in wärmeren Klimazonen. Dies könnte jedoch weniger klimatisch bedingt sein, sondern eher mit einem höheren Energiebedarf zusammenhängen, der durch kohlenhydratreiche Nahrung gedeckt wird, was das Kariesrisiko erhöht.

Untersuchungen zur Rolle von Spurenelementen bei der Kariesverbreitung haben gezeigt, dass der Fluorgehalt im Trinkwasser ein wesentlicher Faktor ist. Ein optimaler Fluorgehalt von 1 mg pro Liter Trinkwasser verringert sowohl das Kariesrisiko als auch das Risiko einer Fluorose. Andere Spurenelemente spielen ebenfalls eine Rolle: Lithium und Vanadium werden mit einer geringeren Kariesverbreitung, während Kupfer und Blei mit einer höheren Kariesverbreitung assoziiert sind.

Multifaktorielle Entstehung und Risikofaktoren

Karies ist ein multifaktorielles Geschehen, das verschiedene Voraussetzungen erfordert, um zu entstehen. Der Schweregrad der Erkrankung und der Grad der Zahnzerstörung werden durch verschiedene Risikofaktoren beeinflusst, die bei jedem Patienten unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Viele dieser Faktoren sind durch den Patienten oder den behandelnden Zahnarzt beeinflussbar, was zu einem individuell unterschiedlichen Kariesrisiko führt. Daher ist das Risiko, an Karies zu erkranken, bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt.

Formen der Karies

Stadien der Karies

  • Initialkaries: Kariesvorstufe mit Entkalkungen, die durch Fluoridierung und gesteigerte Mundhygiene reversibel ist.
  • Caries superficialis: Schmelzkaries, bei dem die Schmelzschicht angegriffen ist, aber noch nicht das Dentin (Zahnbein).
  • Caries media: Karies, die das Dentin erreicht hat.
  • Caries profunda: Tiefe Zahnkaries, die bis in die pulpanahen Dentinschichten vorgedrungen ist und häufig mit Zahnschmerzen einhergeht.
  • Caries profunda complicata: Durchdringende Zahnfäule, bei der die Pulpenhöhle eröffnet ist.

Einteilung nach Befallsort

  • Approximalkaries: In den Interdentalräumen.
  • Glattflächenkaries
  • Fissurenkaries
  • Wurzelkaries

Sonderform: Frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, ECC)

Eine besondere Form der Karies ist die frühkindliche Karies (engl. "early childhood caries", ECC). Je nach Altersgruppe sind bis zu 15 % der Kinder betroffen, mit durchschnittlich 3,4 kariösen Zähnen pro Kind [1]. Gemäß der Definition der American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD) liegt eine ECC vor, wenn mindestens eine kariöse Läsion (mit oder ohne Kavitation), ein wegen Karies fehlender Zahn oder eine gefüllte Zahnfläche im Milchgebiss eines bis 71 Monate alten Kindes vorgefunden wird [2].

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen leiden auf die bleibenden Zähne bezogen häufiger an Karies als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Zwischen der Karies und dem Lebensalter besteht folgender Zusammenhang: 14- bis 16-Jährige zeigen eine hohe Kariesaktivität. Bleibt diese Karies unbehandelt, kann sie sich etwa im 20. Lebensjahr zur klinischen Karies entwickeln. In der zweiten Lebenshälfte tritt eher die Wurzelkaries auf. Der Anstieg der Karies mit zunehmendem Alter lässt sich bis zum Alter von 70-79 Jahren nachweisen.

Lebenszeitprävalenz (Krankheitshäufigkeit während des gesamten Lebens): Liegt bei nahezu 100 % (in Europa). Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für Kariesfreiheit liegt bei 1 % der Erwachsenen (in Deutschland). 70,1 % der Kinder unter 12 Jahre und 46,1 % der Jugendlichen (15 Jahre) sind kariesfrei.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Karies beginnt oft unsichtbar und schleichend. Die Erkrankung entwickelt sich in mehreren Stadien:

  1. Initialkaries: In diesem frühen Stadium entstehen Entkalkungen des Zahnschmelzes, die durch Fluoridierung und verbesserte Mundhygiene reversibel sind.
  2. Caries superficialis: Der Zahnschmelz ist angegriffen, aber das Dentin (Zahnbein) ist noch nicht betroffen.
  3. Caries media: Die Karies dringt in das Dentin ein und führt oft zu ersten Zahnschmerzen.
  4. Caries profunda: Die Karies erreicht die pulpanahen Dentinschichten und verursacht in der Regel stärkere Schmerzen.
  5. Caries profunda complicata: In diesem fortgeschrittenen Stadium dringt die Karies bis zur Zahnpulpa (Zahnmark) vor, was zu erheblichen Schmerzen und möglichen Infektionen führt.

Unbehandelte Karies kann zu ernsthaften Komplikationen wie Entzündungen der Zahnpulpa, Abszessen (umkapselte Eiterhöhlen) und Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) führen. Sie kann auch wiederkehrend auftreten, insbesondere an den Rändern von Füllungen und Kronen (Sekundärkaries).

Prognose

Die Prognose bei Karies hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnose und der anschließenden Behandlung ab:

  • Früherkennung und Therapie: Wenn Karies frühzeitig erkannt und behandelt wird, kann die Zerstörung der Zahnhartsubstanzen gestoppt werden. In diesem Stadium sind meist einfache Maßnahmen wie Fluoridierung und verbesserte Mundhygiene ausreichend.
  • Fortgeschrittene Karies: Bei weiter fortgeschrittener Karies müssen umfangreichere zahnärztliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Zähne zu retten. Dies kann Füllungen, Wurzelbehandlungen oder sogar den Ersatz zerstörter Zähne umfassen.
  • Langzeitprognose: Unbehandelte Karies kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Eine gründliche und regelmäßige Zahnpflege sowie regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind entscheidend, um Rückfälle zu vermeiden und die Zahngesundheit zu erhalten.

Insgesamt kann Karies, wenn sie früh erkannt und adäquat behandelt wird, gestoppt und die Zahngesundheit weitgehend erhalten werden. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen und eine gute Mundhygiene sind essenziell, um Karies und deren Folgen zu vermeiden.

Literatur

  1. Splieth CH, Treuner A, Berndt C: Orale Gesundheit im Kleinkindalter. Praev Gesundheitsf 2009;4:119-124
  2. American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD): Policy on early childhood caries (ECC): classifications, consequences, and preventive strategies. Pediatr Dent 2016;38:52-54

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe. (AWMF-Registernummer: 083-001), Januar 2013 Langfassung