Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) – Zahnärztliche Therapie
Die zahnärztliche Therapie der craniomandibulären Dysfunktion (CMD) zielt darauf ab, funktionelle und strukturelle Störungen im Bereich des Kauapparats zu korrigieren und eine Harmonisierung der Kiefergelenksfunktion sowie der muskulären Balance zu erreichen. Die Therapie ist häufig multimodal aufgebaut und erfordert ein individuell angepasstes Konzept, das sich nach der Schwere der CMD, der Art der funktionellen Störung und den vorhandenen Symptomen richtet. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Orthopäden, Physiotherapeuten und gegebenenfalls Psychologen ist oft notwendig, um eine ganzheitliche Behandlung sicherzustellen.
Einschleifmaßnahmen
Einschleifmaßnahmen sind gezielte Interventionen zur Beseitigung von Störkontakten im Bereich der Zahnkontakte. Diese Methode kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn okklusale (Biss-)Fehlstellungen durch zu hohe Füllungen, Kronen oder Brücken bestehen und dadurch die natürliche Bisslage gestört wird.
- Indikationen:
- Einschleifmaßnahmen sind sinnvoll bei:
- Überhöhten Füllungen oder Kronen
- Frühkontakten im Seitenzahn- oder Frontzahnbereich
- Asymmetrischen Zahnkontakten, die zu muskulären Fehlbelastungen führen
- Vorgehensweise: Es wird Zahnhartsubstanz an den betreffenden Zähnen durch gezieltes Einschleifen entfernt, um die Balance der Zahnkontakte wiederherzustellen. Dabei sollte jedoch so wenig Zahnhartsubstanz wie möglich abgetragen werden, um keine neuen Störquellen zu schaffen.
- Einschränkungen: Einschleifmaßnahmen sind nicht reversibel und sollten daher nur nach sorgfältiger Diagnostik und Modellanalyse erfolgen.
Prothetische Anpassungen
Eine unzureichende prothetische Versorgung, wie schlecht sitzende Prothesen oder ungenaue Kronen und Brücken, kann zu chronischen Überbelastungen, Veränderungen der Kieferstellung und langfristig zu muskulären Dysbalancen führen.
- Anpassung schlecht sitzender Prothesen: Abgenutzte Kauflächen oder ein Rückgang des Kieferknochens durch Prothesendruck führen häufig zu funktionellen Störungen im Kiefergelenk und muskulären Verspannungen. Hierbei ist eine präzise Anpassung der Prothese notwendig, indem sie unterfüttert oder erneuert wird, um eine korrekte Bisslage zu gewährleisten.
- Regelmäßige Nachkontrollen: Prothesenträger sollten regelmäßig zahnärztlich untersucht werden, um Abnutzungen oder Veränderungen der Bisslage frühzeitig zu erkennen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen.
Schienentherapie
Die Schienentherapie ist eine der zentralen Therapiemethoden in der CMD-Behandlung und dient der Harmonisierung der Kiefergelenksstellung, der Entlastung der Kaumuskulatur und der Reduktion parafunktioneller Aktivitäten wie Bruxismus (Zähneknirschen).
- Funktionsweise der Schienen: Schienen wirken durch eine gleichmäßige Verteilung der Kaukräfte und durch neuromuskuläre Reorganisation. Durch regelmäßiges Tragen kommt es zu einer Anpassung der muskulären Aktivitätsmuster und zu einer Entspannung der Kaumuskulatur.
- Ziele der Schienentherapie:
- Entlastung des Kiefergelenks und der Kaumuskulatur
- Reduktion von Schmerz und Verspannungen
- Schutz der Zahnhartsubstanz vor Abrieb
- Beseitigung von Fehlfunktionen und Parafunktionen (z. B. Knirschen, Pressen)
- Schienendesigns und ihre Indikationen: Es gibt verschiedene Arten von Schienen, die je nach CMD-Symptomatik und -Ursache angewendet werden:
- Relaxierungsschienen (Äquilibrierungsschienen, Typ Michigan): Diese Schienen bedecken alle Zähne des schienentragenden Kiefers und sorgen für eine gleichmäßige Belastung der Okklusionsflächen. Sie gelten als Goldstandard in der zahnärztlichen Therapie bei CMD-Patienten, da sie den Muskeltonus reduzieren und das Kiefergelenk in eine zentrische Position bringen.
- Reflexschienen: Reflexschienen haben nur punktförmige Kontakte zum Gegenkiefer und werden eingesetzt, um festgefahrene neuromuskuläre Aktivitätsmuster zu unterbrechen. Sie helfen insbesondere bei stark verspannten Patienten, bei denen herkömmliche Schienen keine ausreichende Entspannung erzielen.
- Positionierungsschienen: Positionierungsschienen weisen spezifische Mulden zur Führung der Zähne des Gegenkiefers auf und bringen das Kiefergelenk in eine physiologische Position. Diese Schienen werden häufig bei Diskusverlagerungen eingesetzt, um die Gelenkstrukturen zu stabilisieren.
Myozentrische Aufbissschienen
Myozentrische Schienen werden speziell zur Harmonisierung der Kauebene und zur Entlastung der Gelenkstrukturen angewendet. Sie bieten eine gleichmäßige Verteilung der Kaubelastung, sodass keine Überbelastung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen auftritt. Diese Schienenform ist besonders wirksam bei Patienten mit Bruxismus oder stark asymmetrischen Okklusionsverhältnissen.
- Neuromuskuläre Trainingseffekte: Durch regelmäßiges Tragen dieser Schienen kommt es zu einer Reorganisation von Funktionsmustern motorischer Einheiten im Muskelgewebe, was langfristig zu einer Reduktion der Symptomatik führt.
Erweiterte Schienenkonzepte
Ergänzend zur klassischen Schienentherapie kommen innovative Schienenkonzepte wie die NTI-Schiene (Nociceptive Trigeminal Inhibition) zum Einsatz. Diese Schienen sind klein und bedecken nur die Frontzähne, was eine gezielte Entlastung der Kaumuskulatur bei Patienten mit starkem Bruxismus ermöglicht.
Zahnerhaltende und -prothetische Maßnahmen
Ergänzend zur Schienentherapie sind oft weitere zahnärztliche Maßnahmen notwendig, um die Bisslage langfristig zu stabilisieren:
- Korrektur von Zahnfehlstellungen:
- Bei Okklusionsstörungen können kieferorthopädische Korrekturen notwendig sein, um die Zahnstellung zu harmonisieren.
- Prothetische Rehabilitation:
- Bei großen Zahndefekten ist eine prothetische Versorgung mit Kronen oder Brücken zur Wiederherstellung einer funktionalen Okklusion sinnvoll.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die zahnärztliche Therapie bei CMD zielt auf die Wiederherstellung einer physiologischen Funktion der Kaumuskulatur und des Kiefergelenks ab. Einschleifmaßnahmen und prothetische Anpassungen dienen der Beseitigung mechanischer Störquellen, während die Schienentherapie die muskuläre Entlastung und Harmonisierung der Bisslage unterstützt. Individuelle Schienendesigns, wie die Michigan-Schiene, Reflexschienen und Positionierungsschienen, ermöglichen eine gezielte Therapie der jeweiligen Funktionsstörung. Ein interdisziplinäres Konzept, das auch physiotherapeutische und psychologische Komponenten integriert, ist für eine erfolgreiche Langzeittherapie unerlässlich.