Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) – Körperhaltung

Die Körperhaltung spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Craniomandibulären Dysfunktion (CMD). Fehlhaltungen oder orthopädische Asymmetrien wirken sich nicht nur lokal auf das muskuloskelettale System aus, sondern haben auch Einfluss auf das gesamte Kausystem, einschließlich der Kiefergelenke (Articulatio temporomandibularis) und der Okklusion (Zahnkontakte zwischen Ober- und Unterkiefer). Umgekehrt können auch pathologische Veränderungen im Bereich der Kiefergelenke die Körperhaltung beeinflussen, wodurch ein wechselseitiger Einfluss entsteht.

Bedeutung der Körperhaltung in der CMD-Pathogenese

Die craniomandibuläre Region steht durch myofasziale und ligamentäre Strukturen in engem Zusammenhang mit dem Hals-, Schulter- und Rückenbereich. Insbesondere die posturale Balance der Halswirbelsäule (HWS) ist eng mit der Funktion der Kiefergelenke verknüpft. Bereits geringfügige Haltungsveränderungen können zu einer Dysbalance der Kaumuskulatur und zu Fehlstellungen des Kiefergelenks führen.

  • Aufsteigende Kettenreaktionen:
    • Fehlstellungen des Beckens, z. B. durch Beinlängendifferenzen oder Beckenschiefstände, führen zu einer kompensatorischen Änderung der Wirbelsäulenstatik und damit zu einer Änderung der Kopf- und Kieferposition. Diese Haltungsänderungen manifestieren sich in einer Dysbalance der gesamten Wirbelsäule und können eine Fehlstellung des Unterkiefers (Mandibula) zur Folge haben.
    • Bei einer Beinlängendifferenz kommt es typischerweise zu einer skoliotischen Veränderung der Wirbelsäule. Das Becken kippt zur kürzeren Beinseite, und der Oberkörper kompensiert die Schiefstellung, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Diese kompensatorischen Mechanismen verändern die Kieferrelation und begünstigen eine CMD.
  • Absteigende Kettenreaktionen:
    • Umgekehrt kann eine fehlerhafte Okklusion oder eine Dysfunktion des Kiefergelenks (z. B. Diskusverlagerung) zu einer veränderten Kopfhaltung führen. Diese Veränderung wird entlang der Wirbelsäule nach unten übertragen, was sich in einer veränderten Muskelspannung und einer asymmetrischen Belastung des Rückens und der Beine äußert.
    • Solche absteigenden Einflüsse können zu einer funktionellen Beinlängendifferenz, einer Skoliose (seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule) oder zu chronischen Muskelverspannungen im Bereich der Rücken- und Nackenmuskulatur führen.

Einfluss der Kieferfehlstellung auf die Körperhaltung

Eine pathologische Veränderung der Kieferstellung kann die Position des gesamten Kopfes verändern. Insbesondere folgende Fehlstellungen und muskuläre Dysbalancen sind relevant:

  • Okklusionsstörungen (Fehlbiss):
    • Okklusionsstörungen, wie ein offener Biss, ein Kreuzbiss oder ein tiefer Biss, können eine Veränderung der Kiefergelenkposition und eine unphysiologische Kieferrelation zur Folge haben. Diese fehlerhafte Bisslage bedingt eine Änderung der Kopfhaltung, die häufig mit einer Vorverlagerung des Kopfes („Forward Head Posture“) einhergeht.
    • Eine Vorverlagerung des Kopfes führt zu einer erhöhten Belastung der Nackenmuskulatur (z. B. M. trapezius und M. sternocleidomastoideus) und beeinflusst die gesamte Statik der Wirbelsäule.
  • Muskuläre Dysbalancen:
    • Ungleichgewichte in der Kaumuskulatur (z. B. Hyperaktivität des M. masseter oder M. temporalis) wirken sich auf die Spannung und Funktion der Nacken- und Rückenmuskulatur aus. Diese Dysbalancen führen häufig zu einer unphysiologischen Körperhaltung und einer Verstärkung der CMD-Symptomatik.

Rolle von Parafunktionen und Haltungsmustern

Parafunktionen wie Zähneknirschen (Bruxismus) oder Zähnepressen (Clenching) verstärken muskuläre Dysbalancen und können langfristig zu einer Fehlstellung des Kiefers und einer Veränderung der Körperhaltung führen. Diese Überbeanspruchung der Kaumuskulatur wirkt sich über myofasziale Ketten auf die gesamte Körperhaltung aus. Dadurch kommt es häufig zu einem Teufelskreis aus Überlastung, Fehlhaltung und verstärkter Dysfunktion des craniomandibulären Systems.

Orthopädische Ursachen für CMD

Orthopädische Fehlstellungen, wie eine Skoliose oder eine Beinlängendifferenz, stellen häufig den auslösenden Faktor für eine CMD dar. Durch die posturale Dysbalance wird die Muskelaktivität asymmetrisch, was sich negativ auf die Kiefergelenksfunktion auswirkt. Besonders relevant sind:

  • Beinlängendifferenzen:
    • Beinlängendifferenzen führen zu einer Veränderung der Beckenkippung und zu einer Torsion der Wirbelsäule. Diese Fehlstellung wird durch eine kompensatorische Veränderung der Kopfposition ausgeglichen, wodurch eine asymmetrische Kiefergelenkbelastung entsteht.
  • Skoliose und Kyphose:
    • Eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose) oder eine verstärkte Krümmung nach vorn (Kyphose) verändern die Spannung in der Nackenmuskulatur und können zu einer einseitigen Kiefergelenksbelastung und zur Entstehung von Myopathien (Muskelerkrankungen) führen.

Therapeutischer Ansatz

Um eine erfolgreiche Behandlung der CMD zu gewährleisten, ist ein interdisziplinärer Therapieansatz erforderlich, der folgende Maßnahmen umfasst:

  • Zahnärztliche Behandlung: Anpassung der Okklusion durch Aufbissschienen oder Bisskorrektur.
  • Physiotherapie: Behandlung der muskulären Dysbalancen durch Kräftigungs- und Dehnübungen, myofasziales Release und Korrektur der Körperhaltung.
  • Orthopädische Behandlung: Korrektur von Beinlängendifferenzen oder Wirbelsäulenfehlstellungen durch Einlagen oder manualtherapeutische Maßnahmen.
  • Verhaltensänderung und Stressbewältigung: Stressmanagement und Schulung der Patienten zur Bewältigung von Bruxismus und zur Verbesserung der Körperhaltung im Alltag.

Insgesamt zeigt sich, dass die Berücksichtigung der Körperhaltung bei der Behandlung einer CMD unerlässlich ist, um eine langfristige Linderung der Beschwerden zu erreichen. Die Behandlung sollte daher stets ganzheitlich erfolgen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt, Orthopäde und Physiotherapeut beinhalten.