Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) – Klassifikation

In der Vergangenheit gab es zahlreiche Versuche, die craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) zu klassifizieren, darunter auch der Helmiko-Index (1974). Diese Einteilungen erwiesen sich jedoch als zu ungenau und konnten den komplexen und multifaktoriellen Charakter der Erkrankung nicht vollständig erfassen. Heutzutage wird die CMD nach der Ätiologie (Ursachenlehre) der Beschwerden in drei Hauptgruppen unterteilt:

  • Primär dento-/okklusogene Ursachen (zahnbezogene/verschlussbezogene Ursachen): Diese Gruppe umfasst alle Störungen, die durch Zahnkontakte, Bisslageveränderungen oder Zahnersatz hervorgerufen werden. Hierzu zählen Fehlkontakte bei der Okklusion (jeder Kontakt der Zähne des Oberkiefers mit denen des Unterkiefers) sowie unphysiologische Zahnhaltekräfte, die zu einer Fehlbelastung der Kiefergelenke führen können.
  • Primär myogene Ursachen (muskelbezogene Ursachen): Muskelbezogene Störungen entstehen durch Fehlfunktionen der Kaumuskulatur. Dies kann durch muskuläre Überbelastung, Stress oder myofasziale Schmerzsyndrome (Schmerzen, die von der Muskulatur und deren bindegewebigen Hüllen ausgehen) verursacht werden. Typische Symptome sind Verspannungen, Schmerzen im Bereich der Kaumuskulatur sowie eingeschränkte Kieferöffnungsbewegungen.
  • Primär arthrogene Ursachen (gelenkbezogene Ursachen): Gelenkbezogene CMDs umfassen strukturelle und funktionelle Veränderungen des Kiefergelenks. Hierzu zählen Entzündungen (Arthritis), Gelenkverschleiß (Arthrose) oder Diskusverlagerungen, die häufig zu Schmerzen, Kieferknacken und Bewegungseinschränkungen führen.

Aktuelle Klassifikationssysteme

Eine weitere anerkannte Klassifikation stellt die Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (RDC/TMD) [1] dar. Dieses System wurde 1992 von einer interdisziplinären Gruppe aus Klinikern, Epidemiologen und Grundlagenforschern entwickelt und berücksichtigt sowohl physische als auch schmerzassoziierte psychische Parameter. Die RDC/TMD unterteilen CMD in drei Diagnosegruppen:

Gruppe I: Myogene Störungen (Muskelstörungen)

  • Myofaszialer Schmerz: Schmerzen im Bereich der Kaumuskulatur, die auf myofasziale Triggerpunkte zurückzuführen sind.
  • Myofaszialer Schmerz mit eingeschränkter Kieferöffnung: Zusätzlich zu den muskulären Schmerzen besteht eine funktionelle Einschränkung der Kieferöffnung.

Gruppe II: Diskusverlagerungen (Disorders of the Disc)

  • Diskusverlagerung mit Reposition: Die faserknorpelige Gelenkscheibe (Discus articularis) verlagert sich aus ihrer normalen Position nach vorn, kehrt jedoch bei der Kieferöffnung wieder in ihre Normallage zurück. Dies äußert sich typischerweise als „Knackgeräusch“.
  • Diskusverlagerung ohne Reposition mit eingeschränkter Kieferöffnung: Hier bleibt der Diskus in einer falschen Position und kann nicht mehr in seine ursprüngliche Lage zurückkehren, was eine eingeschränkte Kieferöffnung zur Folge hat.
  • Diskusverlagerung ohne Reposition ohne eingeschränkte Kieferöffnung: Die Knorpelscheibe ist ebenfalls verlagert, jedoch besteht keine Einschränkung der Mundöffnung.

Gruppe III: Gelenkerkrankungen (Arthralgie, Arthritis, Arthrose)

  • Arthralgie: Definiert als schmerzhafte Reizung des Kiefergelenks ohne klinische oder radiologische Hinweise auf Entzündungen oder degenerative Veränderungen.
  • Arthritis: Entzündung des Kiefergelenks, oft mit zusätzlichen Symptomen wie Überwärmung, Schwellung und Bewegungseinschränkungen. Diagnostisch kann eine Arthritis mittels Bildgebung (z. B. MRT) nachgewiesen werden.
  • Arthrose: Degenerative Veränderungen des Kiefergelenks, die durch einen fortschreitenden Gelenkverschleiß gekennzeichnet sind. Arthrose führt zu Gelenkgeräuschen (Krepitationen) und eingeschränkter Funktion.

Die RDC/TMD-Klassifikation bietet somit einen umfassenden Ansatz, um sowohl strukturelle als auch funktionelle Veränderungen im craniomandibulären System zu erfassen und ermöglicht eine standardisierte Diagnosestellung. Dieses System wird von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) empfohlen und dient als Grundlage für die Erfassung und Behandlung orofazialer Schmerzen.

Literatur

  1. Dworkin SF, LeResche L: Research diagnostic criteria for temporomandibular disorders: review, criteria, examinations and specifications, critique. J Craniomandib Disord. 1992 Fall;6(4):301-55