PSA (Prostata-spezifisches-Antigen)
Die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum ist eine etablierte labormedizinische Methode zur Früherkennung und Verlaufskontrolle des Prostatakarzinoms. PSA ist ein tumorassoziierter, aber nicht tumorspezifischer Marker, dessen Konzentration im Blut durch maligne und benigne Veränderungen der Prostata beeinflusst werden kann. Ziel der PSA-Testung im Rahmen des Screenings ist es, ein Prostatakarzinom in einem heilbaren Frühstadium zu erkennen.
PSA (Synonym: Prostata-spezifisches Antigen) ist ein serinabhängiges Proteaseenzym, das von den Epithelzellen der Prostatadrüsen gebildet wird. Es wird hauptsächlich in das Ejakulat sezerniert, wo es durch Spaltung von Semenogelin zur Verflüssigung des Samenkoagulums beiträgt. Die Expression ist androgenabhängig. Geringe Mengen PSA gelangen auch physiologisch in den Blutkreislauf.
Im Serum liegt PSA in zwei Hauptformen vor:
- Gesamt-PSA (tPSA) – umfasst die Gesamtkonzentration aus gebundenem PSA (v. a. an α1-Antichymotrypsin) und freiem PSA (fPSA). Dies ist der Standardparameter in der Routinediagnostik.
- Komplexiertes PSA (cPSA) ist die Form des Prostata-spezifischen Antigens (PSA), die im Blut an andere Proteine gebunden ist – insbesondere an Alpha-1-Antichymotrypsin (ACT). Es stellt den Hauptanteil des gebundenen PSA dar und unterscheidet sich vom freien PSA (fPSA), das ungebunden im Serum zirkuliert.
- Freies PSA (fPSA) – bezeichnet den ungebundenen Anteil des PSA im Serum. Die zusätzliche Bestimmung dient der Differenzierung zwischen Prostatakarzinom und benigner Prostatahyperplasie, insbesondere bei grenzwertigem tPSA (4-10 ng/ml).
Ein niedriger fPSA/tPSA-Quotient (< 15 %) spricht für ein erhöhtes Karzinomrisiko, während ein hoher Quotient (> 25 %) eher für eine benigne Hyperplasie spricht.
Das Verfahren: PSA-Bestimmung (Material, Durchführung und Störfaktoren)
Die labordiagnostische Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) erfolgt im Rahmen der Früherkennung, Abklärung und Verlaufsbeurteilung des Prostatakarzinoms. Dabei wird in der Regel das Gesamt-PSA (tPSA) bestimmt. Bei klinischer Indikation kann zusätzlich das freie PSA (fPSA) gemessen und zur Berechnung des fPSA/tPSA-Quotienten herangezogen werden, um zwischen benigner Hyperplasie und Karzinom zu differenzieren.
Benötigtes Material
Für die PSA-Bestimmung sind folgende Materialien geeignet:
- 0,5 ml Serum (bevorzugt)
- 0,5 ml Lithium-Heparin-Plasma
- 0,5 ml Ammonium-Heparin-Plasma
Beachte: Soll auch das freie PSA (fPSA) analysiert werden, muss die Blutprobe innerhalb von 3 Stunden nach der Entnahme zentrifugiert werden, da fPSA eine biologische Halbwertszeit von nur ca. 2,5 Stunden besitzt. Längere Standzeiten oder unsachgemäße Lagerung führen zu deutlich erniedrigten fPSA-Werten.
Zur Quantifizierung stehen unterschiedliche Testsysteme zur Verfügung. Die Ergebnisse werden in der Einheit ng/ml (Nanogramm pro Milliliter) angegeben. Eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Methoden besteht nur bei Verwendung desselben Testsystems. Die untere Nachweisgrenze liegt typischerweise bei 0,1 ng/ml.
Störfaktoren
Mechanische Einflüsse auf die Prostata (mind. 48 Stunden Abstand einhalten):
- Digitale rektale Untersuchung (DRU)
- Rektale Prostatasonographie
- Ejakulation
- Radfahren
Weitere zu beachtende Zeitabstände:
- Nach Prostatamassage: mindestens 3–4 Tage
- Nach Prostatabiopsie: mindestens 2 Wochen
Instabilität des freien PSA
Das freie PSA hat eine kurze Halbwertszeit von etwa 2,5 Stunden. Verzögerter Probentransport oder Lagerung bei Raumtemperatur kann zu einer falsch niedrigen Bestimmung führen.
Medikamentöse und phytotherapeutische Einflussfaktoren
- Cranberries (großfrüchtige Moosbeeren):
Können den PSA-Spiegel senken und in die Expression androgenresponsiver Gene eingreifen. - Antihypertensiva (ausgenommen Betablocker, Thiaziddiuretika, Calciumkanalblocker, Angiotensin-1-Rezeptor-Blocker):
In der PROBASE-Studie wurden Einflüsse von ACE-Hemmern und anderen Blutdruckmitteln auf den PSA-Wert beschrieben. - Insulin und Metformin:
Patienten mit Diabetes, die Metformin erhalten, zeigen im Mittel 34 % niedrigere PSA-Werte als Diabetiker ohne Metformin [16]. - 5α-Reduktasehemmer (z. B. Finasterid 1 mg, Dutasterid):
- Senkung des PSA-Werts um ca. 50 % nach 6-12 Monaten
- Reduktion der Detektionsrate von Karzinomen und High-Grade PIN
- Verzögerung der Diagnose um bis zu 2,2 Jahre
- Karzinome wurden doppelt so häufig in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt (Stadium ≥ 3: 4,7 % vs. 2,9 %)
- Gleason-Score ≥ 8 bei 25,2 % vs. 17,0 %
- Prostatakarzinomspezifische Mortalität nach 12 Jahren: 13 % vs. 8 % [15]
Formen des PSA im Serum
Im Blutserum liegt das Prostata-spezifische Antigen (PSA) in zwei Hauptformen vor, die gemeinsam das Gesamt-PSA (tPSA) bilden:
- Freies PSA (fPSA) – liegt ungebunden vor und macht ca. 5-40 % des Gesamt-PSA aus. Erhöhte Anteile finden sich v. a. bei benignen Prostataerkrankungen wie der benignen Prostatahyperplasie (BPH).
- Komplexiertes PSA (cPSA) – ist an Serinproteinaseinhibitoren gebunden, hauptsächlich an α1-Antichymotrypsin (ACT) und in geringerem Maße an α1-Trypsin. Der Anteil liegt bei ca. 60-95 % des Gesamt-PSA. Ein erhöhter Anteil an cPSA ist typisch für das Prostatakarzinom.
Die Bestimmung des fPSA in Relation zum tPSA (fPSA/tPSA-Quotient) dient der Differenzierung zwischen benignen und malignen
Normwerte
Altersspezifische PSA-Referenzwerte nach Oesterling.
Der Grenzwert steigt mit höherem Alter an, da sich im Alter das Prostatavolumen erhöht.
Altersgruppe | Grenzwert |
40-49 Jahre | < 2,5 ng/ml |
50-59 Jahre | < 3,5 ng/ml |
60-69 Jahre | < 4,5 ng/ml |
70-79 Jahre | < 6,5 ng/ml |
PSA-Wert zur Risikostratifizierung bei 45-Jährigen
Alter | PSA-Wert |
45 Jahre | < 1,5 mg/ml |
PROBASE-Studie: Ein PSA-Wert < 1,5 ng/ml im Alter von 45 Jahren ist ein verlässlicher Prädiktor dafür, dass das Risiko, in den nächsten 5 Jahren ein Prostatakarzinom zu bekommen, gering ist [26].
Siehe dazu unten: Zeitintervall zur Messung des PSA-Wertes nach deutscher S3-Leitlinie Prostatakarzinom.
Altersunabhängiger Schwellenwert* (trotz negativer digital rektaler Untersuchung) nach der Leitlinie der "S3-Leitlinie der DGU/DGHO/Leitlinienprogramm Onkologie".
4,0 ng/ml | Eine Abklärung durch Biopsie unter sonographischer Kontrolle und Antibiotikaschutz wird empfohlen [S3-Leitlinie]. . |
*Bei jüngeren Patienten kann individuell eine Prostatabiopsie auch schon bei PSA-Werten unter 4 ng /ml empfohlen werden.
Bewertung in Abhängigkeit vom PSA-Wert
PSA-Wert |
Bewertung | Anteil entdeckter Karzinome |
PSA unter altersspezifischer Norm (siehe Tabelle oben) |
Kein Hinweis auf ein Prostatakarzinom | Anteil der entdeckten Karzinome liegt bei 10 % |
PSA zwischen Normbereich und 10 ng/ml | Ein Karzinom ist nicht auszuschließen! Bestimmung des Quotienten f-PSA/ Gesamt-PSA, DRU und Sonographie; ggf. Biopsie |
Anteil der entdeckten Karzinome liegt bei 25 % |
PSA zwischen 10-20 ng/ml | Ein Karzinom ist nicht unwahrscheinlich! Bestimmung des Quotienten f-PSA/ Gesamt-PSA, DRU, Sonographie und Biopsie |
Anteil der entdeckten Karzinome liegt bei circa 50-60 % |
PSA-Anstieg von 0,35-0,75 ng/ml pro Jahr | Erhöhtes Risiko für ein Karzinom | |
PSA-Anstieg von mehr als 0,75 ng/ml pro Jahr | Verdacht auf ein Prostatakarzinom! | Sensitivität: 75 %, Spezifität: 90 % |
Freies PSA / Gesamt-PSA (fPSA/tPSA-Quotient)
Im PSA-Bereich von 4-10 ng/ml, dem sogenannten diagnostischen Graubereich, liefert der prozentuale Anteil des freien PSA entscheidende Hinweise zur Differenzierung zwischen benigner Hyperplasie und Prostatakarzinom.
Berechnung des fPSA/tPSA-Quotienten
Formel: Prozentualer fPSA-Wert (fPSA/tPSA x 100) = Freies PSA (ng/ml) dividiert durch Gesamt-PSA (ng/ml) x 100 %
Beispiel:
freies PSA = 1,3 ng/ml
Gesamt-PSA = 5,3 ng/ml
→ 1,3 / 5,3 = 0,25 * 100 % = 25 %
Bewertung des fPSA/tPSA-Quotienten
Quotient | Bedeutung |
---|---|
< 15 % | Hinweis auf Malignität – dringende weitere Abklärung erforderlich |
15-20 % | Grenzbereich – Verlaufskontrolle empfohlen |
> 20 % | Hinweis auf benigne Veränderungen |
Präanalytischer Hinweis
Das freie PSA (fPSA) ist instabil – es hat eine biologische Halbwertszeit von etwa 2,5 Stunden. Eine unsachgemäße Handhabung kann zu falsch niedrigen fPSA-Werten und damit zu einer Fehleinschätzung des Karzinomrisikos führen.
Merke:
Die Blutprobe muss innerhalb von 3 Stunden nach Abnahme zentrifugiert werden. Bei längerer Lagerung ohne Kühlung ist der fPSA/tPSA-Quotient nicht mehr valide beurteilbar.
PSA-Dichte (PSAD)
Die PSA-Dichte (PSAD) bezeichnet den Quotienten aus dem Gesamt-PSA (ng/ml) und dem per transrektalem Ultraschall (TRUS) oder multiparametrischer Magnetresonanztomographie (mpMRT) gemessenen Prostatavolumen (in ml):
Formel: PSAD = Gesamt-PSA (ng/ml) ÷ Prostatavolumen (ml)
Die PSA-Dichte dient der Differenzierung zwischen klinisch signifikanten und nicht signifikanten Prostatakarzinomen, insbesondere im sogenannten Graubereich der PSA-Werte (4-10 ng/ml). Sie berücksichtigt, dass das Prostatavolumen altersphysiologisch zunimmt und damit das Gesamt-PSA beeinflusst.
Klinische Bewertung der PSA-Dichte
Ein allgemein anerkannter Grenzwert liegt aktuell bei:
PSAD ≥ 0,15 ng/ml/ml → Hinweis auf ein klinisch relevantes Prostatakarzinom
PSAD < 0,15 ng/ml/ml → Hinweis auf benigne Veränderungen bzw. geringes Risiko
Diese Grenzwerte stammen unter anderem aus den Kriterien der PRIAS-Studie (Prostate Cancer Research International Active Surveillance). Sie werden auch zur Auswahl von Patienten für aktive Überwachung (Active Surveillance) herangezogen [3].
Besondere klinische Konstellationen
- Patienten mit PSA-Werten zwischen 10-20 ng/ml, aber PSAD < 0,15 ng/ml/ml, zeigen ein niedrigeres Karzinomrisiko, vergleichbar mit Patienten mit Niedrigrisiko-Tumoren [3].
- Bei auffälligem PSA, aber unauffälligem mpMRT-Befund (PI-RADS ≤ 2), ergibt eine systematische Standardbiopsie in etwa 43 % der Fälle eine Prostatakarzinomdiagnose – darunter sind rund 15 % klinisch signifikante Karzinome. In dieser Situation kann die PSA-Dichte als unabhängiger prädiktiver Marker zur Entscheidung über die Notwendigkeit einer Biopsie herangezogen werden [25].
Indikationen zur PSA-Bestimmung
Die Bestimmung des Gesamt-PSA (tPSA) erfolgt entsprechend den Empfehlungen der American Urological Association (AUA) sowie der S3-Leitlinie Prostatakarzinom unter folgenden Indikationen:
1. Früherkennung (Screening) bei asymptomatischen Männern
- Basiswertbestimmung im Alter von 40-45 Jahren
- Zur Risikostratifizierung und Festlegung individueller Folgeintervalle (z. B. bei familiärer Belastung oder Afroamerikanern – nach AUA-Empfehlung)
- Regelmäßige Früherkennung im Alter von 55-69 Jahren
- Nach individueller ärztlicher Beratung („Shared Decision Making“)
- Empfohlenes Screening-Intervall: alle 2 Jahre oder länger bei stabilen Werten
- Ziel: Detektion klinisch signifikanter Karzinome bei Reduktion von Überdiagnosen
- Screening ab dem 70. Lebensjahr
- Nur bei Männern mit einer geschätzten Lebenserwartung > 10-15 Jahren
- Laut S3-Leitlinie: Männer über 70 Jahre sollten kein PSA-Screening mehr erhalten, wenn ihr PSA-Wert < 1 ng/ml liegt
2. Diagnostische Indikation
- Klinischer Verdacht auf Prostatakarzinom*
- z. B. auffälliger Tastbefund (digitale rektale Untersuchung), Prostatavergrößerung, Knochenschmerzen bei V. a. ossäre Metastasierung
- ergänzend zur mpMRT, transrektalem Ultraschall und ggf. Biopsie
- Abklärung erhöhter oder fluktuierender PSA-Werte
- inkl. PSA-Velocity, PSA-Dichte, fPSA/tPSA-Quotient zur Risikostratifizierung
3. Therapiebegleitende Verlaufskontrolle
- Monitoring bei gesichertem Prostatakarzinom
- z. B. nach Operation, Bestrahlung oder unter aktiver Überwachung (Active Surveillance)
- Beurteilung einer benignen Prostatahyperplasie (BPH)
- PSA kann erhöht sein, ist jedoch nicht spezifisch; Verlaufskontrollen zur Differenzierung sinnvoll
- Unter Testosteron-Substitutionstherapie
- Ausschluss einer PSA-Erhöhung oder Aktivierung eines latenten Prostatakarzinoms vor und während der Behandlung
Übersicht zur PSA-Bestimmung – Indikationen, Intervalle, Diagnostik
Indikation | Empfohlene Frequenz | Ergänzende Diagnostik / Bemerkung |
---|---|---|
Basiswertbestimmung (40-45 Jahre) | Einmalig | Festlegung individueller Risikostrategie (z. B. Screeningintervall) |
Früherkennung (55-69 Jahre) | Alle 2 Jahre oder länger bei stabilen Werten | fPSA/tPSA-Quotient, ggf. PHI, PSA-Dichte, DRU, mpMRT bei erhöhtem PSA |
Früherkennung ab 70 Jahren | Nur bei Lebenserwartung > 10-15 Jahre | PSA < 1 ng/ml → keine weitere Kontrolle empfohlen (gemäß S3-Leitlinie) |
Verdacht auf Prostatakarzinom | Einmalig + Verlaufsmessung nach 6-8 Wochen | DRU, transrektaler Ultraschall, mpMRT, Biopsie je nach Befund |
Anstieg PSA (PSA-Velocity) | Verlaufskontrolle alle 6-12 Monate | Beurteilung der PSA-Kinetik, PSA-Dichte, fPSA/tPSA-Quotient, ggf. mpMRT |
Benigne Prostatahyperplasie (BPH) | Initial + Verlaufskontrollen alle 12-24 Monate | Ausschluss PCa durch fPSA/tPSA; keine alleinige Diagnosesicherung durch PSA |
Prostatakarzinom (Monitoring) | Je nach Therapie (z. B. 3-monatlich unter Hormonblockade) | PSA-Dynamik entscheidend für Therapieanpassung; ggf. Bildgebung bei Rezidivverdacht |
Testosteronsubstitution | Vor Beginn, nach 3 Monaten, dann jährlich | PSA ≥ 1,4 ng/ml oder Anstieg > 0,4 ng/ml/Jahr → Abklärung empfohlen (gemäß S3-Leitlinie Testosteronmangel) |
Legende: s. u.
Evidenzlage und Leitlinienempfehlungen zur PSA-basierten Früherkennung des Prostatakarzinoms
Beachte: CHAARTED-Studie: Bei 25 % der Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom zeigte sich ein klinischer (bildgebender) Progress ohne begleitende PSA-Progression, der mit einem aggressiven Verlauf und einem verkürzten Gesamtüberleben assoziiert ist [17].
Die deutsche S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms aus dem Jahr 2018 empfiehlt, Männer ab 45 (bei Risikopatienten 5 Jahre früher) mit einer Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren über die Möglichkeit einer Früherkennung aufzuklären.
Bei Männern mit erhöhtem Risiko für ein Prostatakarzinom kann diese Altersgrenze um 5 Jahre vorverlegt werden.
Ein PSA-Screening nach dem Göteborg-Protokoll (alle zwei Jahre zwischen 50 und 70 Jahren) führte dazu, dass bei Beginn im Alter von 55 Jahren sich das Mortalitätsrisiko im Vergleich zum Beginn mit 60 Jahren halbierte [22].
Gemäß den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) zur Früherkennung des Prostatakarzinoms wird kein Massen-Screening empfohlen. Sie empfiehlt dem Patienten eine individuelle Vorsorge, wobei sie sich auf einen systematischen Literatur-Review und eine Metaanalyse prospektiver und retrospektiver klinischer Studien zu PSA-Wert-Bestimmung, Früherkennung und Screening des Prostatakarzinoms beruft [2]. Sie hat dazu folgende Statements abgegeben:
- Die Früherkennung des Prostatakarzinoms reduziert die prostatakrebsspezifische Mortalität. Die Studien zeigen eine Senkung der Mortalität zwischen 21 und 44 %.
- Die Früherkennung senkt das Risiko für die Diagnose eines fortgeschrittenen oder metastasierten Prostatakrebses. Die Risikoreduktion liegt in verschiedenen Studien bei 30 % in 12 Jahren und geht bis 48,9 % in 10 Jahren.
- Die Bestimmung eines Basis-PSA-Wertes sollte ab dem 45. Lebensjahr (und einer Lebenserwartung von > 10 Jahren) erfolgen. Das Ergebnis des Basis-PSA-Wertes sollte wie folgt eingeschätzt werden:
- Basis-PSA < 1 ng/ml mit 45 Jahren → nächste PSA-Untersuchung in 10 Jahren [6]
- Basis-PSA ≥ 2 ng/ml mit 60 Jahren → Risikoerhöhung für das Versterben an einem Prostatakarzinom bzw. Auftreten eines fortgeschrittenen oder metastasierten Prostatakarzinoms in den kommenden 25 Jahren
- Altersgruppe ab 45 Jahren und einer Lebenserwartung > 10 Jahre (Screening-Intervalle) (s. Tabelle)
- Das PSA-Screening sollte Männern mit einer noch zu erwartenden Lebenszeit von mindestens zehn Jahren angeboten werden.
- Männer über 70 Jahre
- Für Männer über 70 Jahre und einen PSA < 1 ng/ml wird eine weitere PSA-gestützte Früherkennung nicht empfohlen.
- Eine randomisierte Studie mit einer 16-jährigen Nachbeobachtungszeit und einer Kohorte von über 7.000 Probanden stellt das fortgesetzte PSA-Screening für Männer ab 70 Jahren mit PSA < 3,0 ng/ml oder mit einer negativen Prostatastanzbiopsie in der Anamnese infrage [30].
- Bei der Risikobeurteilung sollte auch die Schnelligkeit des PSA-Anstiegs berücksichtigt werden. Weitere Befunde wie Alter, ethnische Zugehörigkeit, digitale Rektaluntersuchung (DRU), Biopsie und die familiäre Belastung mit Prostatakarzinom müssen ebenfalls in die Risikobeurteilung einbezogen werden.
Zeitintervall zur PSA-Messung gemäß deutscher S3-Leitlinie Prostatakarzinom
Bei Männern ab 45 Jahren mit einer geschätzten Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren empfiehlt die S3-Leitlinie Prostatakarzinom eine risikoadaptierte PSA-Testung mit folgenden Intervallen:
PSA-Wert (ng/ml) | Empfohlenes Kontrollintervall |
---|---|
< 1,0 | Alle 4 Jahre |
1,0–2,0 | Alle 2 Jahre |
> 2,0 | Jährlich |
Für Männer über 70 Jahre und einen PSA-Wert < 1,0 ng/ml wird eine weitere PSA-gestützte Früherkennung nicht empfohlen.
Ergänzende Diagnostik im Screeningkontext
Die PSA-Bestimmung sollte bei erhöhtem Risiko oder auffälligem Befund durch folgende Maßnahmen ergänzt werden:
- Digitale rektale Untersuchung (DRU)
- Transrektale Prostatasonographie (TRUS)
- Multiparametrische Magnetresonanztomographie (mpMRT) bei erhöhter PSA-Dichte oder unklaren Vorbefunden
Evidenz zur PSA-basierten Früherkennung
- Die Göteborg-Studie (Langzeit-Arm der ERSPC) zeigte, dass ein regelmäßiges PSA-Screening ab dem 50. Lebensjahr das prostatakarzinomspezifische Mortalitätsrisiko um über 20 % senken kann [4].
- Die Reevaluation der PLCO-Studie ergab, dass die initial unterschätzte Wirksamkeit des PSA-Screenings nach Berücksichtigung von Studienverzerrungen (z. B. Kontamination der Kontrollgruppe) doch eine signifikante Reduktion der Mortalität belegt [10].
- Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) empfiehlt bei Männern im Alter von 55-69 Jahren ein selektives Screening (Empfehlungsgrad C – individuelle Entscheidung nach Aufklärung), bei Männern über 70 Jahren wird ein Screening nicht empfohlen (Empfehlungsgrad D) [14].
PSA-Wert im mittleren Lebensalter als Langzeitprädiktor
Männer unter 60 Jahren mit einem PSA-Wert zwischen 1-2 ng/ml haben ein deutlich erhöhtes Risiko, in den folgenden 20 Jahren ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom zu entwickeln. Im Vergleich zu Männern mit einem PSA < 0,5 ng/ml ist das Erkrankungsrisiko mehr als 20-fach und die prostatakarzinomspezifische Mortalität über 7-fach erhöht [29].
Klinischer Algorithmus zur Screeningentscheidung auf Basis des PSA-Wertes
1. Grundvoraussetzungen prüfen: Alter und Lebenserwartung
Kriterium | Empfehlung |
---|---|
Alter ≥ 45 Jahre | PSA-Screening nur bei Lebenserwartung > 10 Jahre |
Alter < 45 Jahre | Nur bei Risikopatienten (familiäre Belastung, BRCA2, afrikanische Abstammung) |
2. Einmalige Basis-PSA-Bestimmung zur Risikostratifizierung (empfohlenes Alter: 45-50 Jahre)
Basis-PSA-Wert | Empfohlenes weiteres Intervall |
---|---|
< 1,0 ng/ml | Nächste PSA-Kontrolle in 4-10 Jahren |
1,0-2,0 ng/ml | Kontrolle alle 2 Jahre |
> 2,0 ng/ml | Jährliche Kontrolle, ggf. weiterführende Diagnostik (mpMRT, PHI, Biopsie) |
Männer unter 60 Jahren mit einem PSA-Wert zwischen 1-2 ng/ml haben ein mehr als 20-fach erhöhtes Risiko, in den folgenden 20 Jahren ein Prostatakarzinom zu entwickeln, und ein über 7-fach erhöhtes Risiko, daran zu versterben [29].
3. Screening-Intervalle nach S3-Leitlinie (Deutschland)
PSA-Wert (ng/ml) | Empfohlenes Kontrollintervall |
---|---|
< 1,0 | Alle 4 Jahre |
1,0-2,0 | Alle 2 Jahre |
> 2,0 | Jährlich |
> 4,0 | Urologische Abklärung empfohlen (± Biopsie) |
Für Männer über 70 Jahre mit einem PSA-Wert < 1,0 ng/ml wird keine weitere PSA-gestützte Früherkennung empfohlen (S3-Leitlinie).
4. Ergänzende Risikofaktoren prüfen
Parameter | Risikobewertung |
---|---|
PSA-Velocity > 0,75 ng/ml/Jahr | Hinweis auf Progression (z. B. Karzinom oder entzündlich) |
fPSA/tPSA-Quotient < 15 % | Erhöhtes Risiko für Prostatakarzinom (v. a. bei PSA 4-10 ng/ml) |
PSA-Dichte > 0,15 ng/ml/ml | Prädiktor für klinisch signifikantes Karzinom |
DRU auffällig | Unregelmäßigkeit, Asymmetrie oder Knoten ertastbar |
Vorbefunde | High-Grade PIN, negative Biopsie bei weiterhin erhöhtem PSA, familiäre Belastung |
5. Entscheidungsfindung im Kontext internationaler Empfehlungen
Altersgruppe | Empfehlung |
---|---|
55–69 Jahre | Selektives Screening empfohlen nach individueller Aufklärung (USPSTF Grad C) |
≥ 70 Jahre | Screening nur bei Lebenserwartung > 10–15 Jahren und PSA ≥ 1 ng/ml |
≥ 70 Jahre, PSA < 1 ng/ml | Keine weitere PSA-basierte Früherkennung empfohlen (S3-Leitlinie) |
6. Studienbasierte Evidenz zur Wirksamkeit der PSA-Früherkennung
- Göteborg-Studie (ERSPC): Reduktion der PCa-Mortalität um > 20 % durch regelmäßiges Screening ab 50 Jahren.
- PLCO-Reevaluation: Nach Berücksichtigung methodischer Verzerrungen zeigt sich eine signifikante Mortalitätsreduktion.
- Metaanalyse (EAU): PSA-Screening reduziert fortgeschrittene Tumoren um bis zu 49 % in 10 Jahren; Mortalitätsreduktion 21-44 %.
Interpretation
Interpretation erhöhter PSA-Werte
Erhöhte PSA-Werte sind nicht spezifisch für das Prostatakarzinom. Zahlreiche benigne, entzündliche oder mechanische Einflüsse können den PSA-Spiegel ebenfalls ansteigen lassen:
1. Benigne und maligne Erkrankungen
- Benigne Prostatahyperplasie (BPH) – Volumenzunahme und Zellproliferation erhöhen PSA
- Prostatakarzinom – insbesondere bei PSA > 4 ng/ml oder Anstieg > 0,75 ng/ml/Jahr
- Akute oder chronische Prostatitis – Entzündlich bedingte PSA-Freisetzung
2. Mechanisch bedingte PSA-Erhöhungen
- Sportliche Aktivität mit Beckenbelastung – z. B. Radfahren, Reiten
- Geschlechtsverkehr – kurzzeitiger PSA-Anstieg möglich
- Obstipation mit starkem Pressen – indirekte mechanische Reizung
- Digitale rektale Untersuchung (DRU) – mäßige PSA-Erhöhung möglich (v. a. bei zeitnaher Blutabnahme)
- Prostatamassage – signifikant erhöhter PSA-Wert über mehrere Tage
- Akute Harnverhaltung – Druckbedingte PSA-Freisetzung
- Katheterisierung oder Urethrozystoskopie – transurethrale Reizung
- Prostatabiopsie – deutlicher PSA-Anstieg über mehrere Wochen
Interpretation erniedrigter PSA-Werte
Ein erniedrigter PSA-Wert kann durch therapeutische, chirurgische oder biologische Faktoren bedingt sein:
1. Therapeutisch oder operativ bedingte PSA-Senkung
- Medikamentös – z. B. durch 5α-Reduktasehemmer (siehe Abschnitt Störfaktoren: Medikamente)
- Nach operativer Entfernung von Prostatagewebe – z. B. radikale Prostatektomie
- Nach Strahlentherapie oder Hormontherapie – Suppression der PSA-Produktion
2. Physiologische Einflussfaktoren
-
Übergewicht/Adipositas – PSA-Wert erscheint erniedrigt durch Hämodilution:
Männer mit hohem Body-Mass-Index (BMI) haben ein größeres Plasmavolumen, wodurch die Konzentration von PSA im Serum signifikant niedriger ausfällt – trotz vergleichbarer Gesamtmenge an PSA im Blut [1].
Fazit
Ein erhöhter PSA-Wert ist nicht gleichbedeutend mit einem Prostatakarzinom.
Die Abklärung erfolgt individuell, in der Regel durch ergänzende Diagnostik wie fPSA/tPSA-Quotient, mpMRT und ggf. Prostatabiopsie.
Vertiefende Aspekte zur Interpretation und klinischen Bedeutung des PSA-Wertes
- Patienten mit einem Niedrigrisiko-Tumor (Tumorstadium ≤ 2a und einem Gleason-Score ≤ 6) und PSA-Wert > 10 oder sogar > 20 ng/ml (mittlerer bzw. hoher Risikobereich) haben ein höheres Risiko für pathologische und onkologische Ergebnisse. Das Risiko hängt dabei entscheidend von der PSA-Dichte (PSAD = Gesamtes PSA / Prostatavolumen in ml) ab: Männer mit einem PSA zwischen 10 und 20 ng/ml, aber einer PSAD unter 0,15 ng/ml/g sind vergleichbar mit Patienten, die einen Niedrigrisiko-Tumor haben [3].
- Ein PSA Wert > 1 ng/ml im Alter von 40 bis 50 Jahren geht mit einem 5-fach erhöhten Krebsrisiko einher [6].
- Die Konzentration des präoperativen prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut korreliert beim Prostatakarzinom mit der Lokalisation des auf das Organ begrenzten Tumors [7]:
- PSA-Werte: < 4 ng/ml → Prostatakarzinome im Bereich des Apex (Spitze) und in der peripheren Zone
- PSA-Werte: 10,1-20 ng/ml → Prostatakarzinome im anterioren ("vorderen") Bereich sowie an der Basis (im Vergleich zu Männern mit einem PSA-Wert < 10 ng/ml)
- Auf Grundlage von knapp einer viertel Million Patienten aus der Datenbank des „Surveillance, Epidemiology, and End Results“(SEER)-Programms wurde für das Kollektiv der Patienten mit einem Gleason-Score von 8-10 die Sterblichkeitskurve bezogen auf die PSA-Konzentration berechnet. Referenzwert war der PSA-Wert von 4,1-10,0 ng/ml; hier lag die kumulative 5-Jahres-Mortalität rechnerisch bei rund 5 %. Nachfolgend zeigte sich eine U-förmig verlaufende Sterblichkeitskurve [8]:
- PSA > 40,0 ng/ml: Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) 3-fach
- PSA 20-40 ng/ml: Mortalitätsrisiko 2,08-fach
- PSA 10,1-20,0 ng/ml: Mortalitätsrisiko 1,6-fach
- PSA-Wert < 2,5 ng/ml: Mortalitätsrisiko 2,15-fach [wahrscheinlich als Hinweis für aggressiv wachsende, extrem schlecht differenzierte oder anaplastische Karzinome, die wenig PSA produzieren]
- Kombination aus PSA-Test und dem Quotienten aus freiem PSA/Gesamt-PSA (f/t-PSA): ein niedriger Basis-PSA in Kombination mit einem hohen Anteil an freiem PSA zeigt auf ein geringes Risiko hin, in der Zukunft an einem Prostatakarzinom zu versterben. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei Männern mit PSA < 2,0 ng/ml und f/t-PSA ≥ 0,25 weniger häufig PSA-Tests durchgeführt bzw. diese im Alter zwischen 55 und 70 Jahren künftig ganz unterlassen werden können [19].
- Bei Männern, die aufgrund einer BRCA-Mutation ein erhöhtes genetisches Risiko für Prostatakrebs haben, hat der PSA-Spiegel einen höheren Vorhersagewert als bei Männern ohne BRCA-Mutation [12].
- Nachdem die US Preventive Services Task Force 2012 eine generelle Empfehlung zum Verzicht auf das PSA-Screening unabhängig vom Alter ausgesprochen hat, ist der Anteil der metastasierten Tumoren bei älteren Männern (> 75 Jahre) von 6,6 auf 12 % angestiegen und auch bei jungen Männern ist ein Anstieg der Metastasenrate auf 5 % nachzuweisen [11]
- Cluster Randomized Trial of PSA Testing for Prostate Cancer (CAP): Ein einmaliger PSA-Test in England und Wales 189.386 Männern im Alter von 50 bis 69 Jahren hat zwar die Zahl der Krebsdiagnosen erhöht, jedoch die Mortalität der Patienten in den ersten 10 Jahren nicht gesenkt [13].
- USA: Weniger PSA-Screening geht mit mehr metastasierten Prostatakarzinomen (mPCa) einher. Nachdem die US Preventive Services Task Force (USPSTF) ein allgemeines per PSA-Screening seit mehr als zehn Jahren nicht mehr empfiehlt, zeigt die Auswertung von Registerkarten, dass die Inzidenz von metastasierten Prostatakarzinom in beiden nachfolgenden Altersgruppen gestiegen ist, und zwar bei Männern zwischen 45 und 74 Jahren um 5,3 % bzw. 6,5 % pro Jahr [20].
- Ein PSA-basiertes Screening zur Früherkennung von Prostatakarzinom reduziert die Inzidenz fortgeschrittener Erkrankungen und die dadurch erforderlichen Therapien, führt jedoch auch zu Überdiagnosen [23].
- Prosterie (aus „Prostata“ und „Hysterie“): ≥ 3 PSA-Messungen in einem Zeitraum von maximal 270 Tagen → höhere Wahrscheinlichkeit einer Biopsie und häufiger Nachweis einer Krebsdiagnose. Gefahr, dass ein Prostatakarzinoms überdiagnostiziert und Übertherapie hier wird [21].
- Hohe HbA1c-Werte (Langzeitblutzuckerwert): Eine schlechte Blutzuckerkontrolle erhöht zwar nicht die Prostatakarzinom-Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen), möglicherweise aber die Prostatakarzinom-Mortalität (Sterberate) (26 % erhöhte Mortalität pro HbA1c-Zunahme um einen Prozentpunkt) [31].
- Männer im Alter von 67 bis 71 Jahren und PSA-Werten unter 3 ng/ml: Diese haben eine Wahrscheinlichkeit von rund 1 %, im Laufe von weiteren 20 Jahren an einem Prostatatumor zu sterben [32].
- Siehe auch unter Prostata-Risikokalkulator
Klinisch signifikantes Prostatakarzinom trotz niedrigem PSA-Wert – Ergebnisse der Göteborg-2-Studie [27]
Die Göteborg-2-Studie, eine prospektive populationsbasierte Screeningstudie, untersuchte den diagnostischen Mehrwert der multiparametrischen Magnetresonanztomographie (mpMRT) auch bei PSA-Werten im unteren Intervallbereich.
Studienkollektiv
- Ca. 6.000 Männer
- Medianes Alter: 56 Jahre
Indikation für mpMRT
-
PSA-Wert 1,8-3,0 ng/ml (entspricht 11,2 % der Gesamtgruppe)
mpMRT-Ergebnisse in dieser Subgruppe
- PI-RADS 3 (unklarer Befund): 7,8 %
- PI-RADS 4 (wahrscheinlich maligne): 15,0 %
- PI-RADS 5 (hochwahrscheinlich maligne): 1,0 %
Biopsie-Ergebnisse nach auffälligem MRT
- Von den Männern mit PI-RADS ≥ 3, die biopsiert wurden, erhielten 41 % eine Krebsdiagnose
- 19,9 % dieser Biopsierten hatten ein klinisch signifikantes Karzinom (Gleason-Score ≥ 7)
Korrelation PI-RADS-Score und Nachweisrate signifikanter Karzinome
PI-RADS-Score | Klinisch signifikanter PCa (% der biopsierten Patienten) |
---|---|
PI-RADS 3 | 6,1 % |
PI-RADS 4 | 22,0 % |
PI-RADS 5 | 85,7 % |
Klinischer Hinweis
- Bei PSA-Werten unterhalb klassischer Interventionsgrenzen (z. B. < 3,0 ng/ml) kann die mpMRT-gestützte Diagnostik relevante Karzinome identifizieren.
- PI-RADS 4 und 5 korrelieren klar mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom.
- Die Studie spricht sich für die mpMRT-Integration auch bei niedrig-normalem PSA im Rahmen der Risikostratifizierung aus.
4Kscore – Risikoprädiktion für klinisch signifikantes Prostatakarzinom
Der 4Kscore ist ein diagnostisches Werkzeug zur individuellen Risikobewertung eines klinisch signifikanten Prostatakarzinoms (Gleason-Score ≥ 7). Er integriert biochemische Marker mit klinischen Parametern und dient der Vermeidung unnötiger invasiver Maßnahmen wie Biopsien oder Magnetresonanztomographien (MRT).
1. Komponenten des 4Kscore
Der Score basiert auf folgenden Parametern:
- Gesamt-PSA (tPSA)
- Freies PSA (fPSA)
- Intaktes PSA
- Humanes Kallikrein 2 (hK2)
- Alter des Patienten
- Ergebnisse der digitalen rektalen Untersuchung (DRU)
- Biopsie-Vorgeschichte
Daraus wird ein prozentuales Risiko berechnet, mit dem das Vorliegen eines klinisch relevanten Prostatakarzinoms (Gleason ≥ 7) bei einer eventuellen Biopsie prognostiziert wird.
2. Evidenz aus der Göteborg-2-Screeningstudie [28]
Die Validierung des 4Kscore erfolgte u. a. im Rahmen der Göteborg-2 PC-Screening-Studie:
- Kollektiv: Männer mit einem PSA-Wert ≥ 3,0 ng/ml
- Cut-off-Wert für den 4Kscore: ≥ 7,5 %
- Positiver Vorhersagewert (PPV): 15 % (95 %-Konfidenzintervall: 12-20 %)
- Negativer Vorhersagewert (NPV): 99 % (95 %-Konfidenzintervall: 97-100 %)
3. Klinische Modellrechnung (basierend auf 1.000 Patienten)
Durch Anwendung des 4Kscore hätten sich in der Modellrechnung bei 1.000 Männern mit erhöhtem PSA folgende Auswirkungen ergeben:
- 408 Männer: mpMRT wäre vermeidbar gewesen
- 95 Männer: Verzicht auf Biopsie möglich
- 23 Fälle: Vermeidung der Diagnose niedriggradiger Karzinome
Aber: In 4 Fällen wäre die Diagnose eines mittelgradigen Karzinoms verzögert worden.
4. Bewertung
Der 4Kscore kann als effizientes Selektionsinstrument in der Abklärung erhöhter PSA-Werte dienen, insbesondere zur Vermeidung unnötiger Biopsien und Überdiagnosen. Der sehr hohe negative Vorhersagewert (99 %) unterstützt den sicheren Ausschluss eines klinisch signifikanten Tumors, insbesondere bei grenzwertigen PSA-Werten.
Legende – Abkürzungen zur PSA-Diagnostik
Abkürzung | Begriff | Erläuterung |
---|---|---|
PSA | Prostata-spezifisches Antigen | Serinprotease aus Prostataepithel; dient der Früherkennung und Verlaufskontrolle von Prostatakarzinomen |
tPSA | Gesamt-PSA | Gesamtkonzentration aus freiem PSA (fPSA) und komplexiertem PSA im Serum |
fPSA | Freies PSA | Ungebundenes PSA im Blut; in Relation zu tPSA zur Risikoabschätzung |
fPSA/tPSA | Quotient aus freiem und Gesamt-PSA | Differenzierung benigne vs. maligne Veränderungen bei PSA im Graubereich (4–10 ng/ml) |
PHI | Prostate Health Index | Kombinationsmarker aus tPSA, fPSA und [-2]proPSA zur Verbesserung der Spezifität |
PSAD | PSA-Dichte (PSA Density) | Quotient aus Gesamt-PSA und Prostatavolumen (ng/ml/ml); hilft bei Risikoabschätzung |
DRU | Digitale rektale Untersuchung | Palpation der Prostata über das Rektum zur Detektion von Vergrößerung oder Verhärtungen |
mpMRT | Multiparametrische Magnetresonanztomographie | Hochauflösende MRT der Prostata mit funktioneller Bildgebung (z. B. DWI, DCE) zur Tumoridentifikation |
BPH | Benigne Prostatahyperplasie | Gutartige Vergrößerung der Prostata; häufige PSA-Erhöhungsursache im höheren Alter |
PCa | Prostatakarzinom | Maligner Tumor des Prostatagewebes |
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