Cystatin C

Beim Cystatin C handelt es sich um ein Protein aus der Gruppe der Cystein-Protease-Inhibitor, welches meist in kernhaltigen Zellen gebildet wird.
Die Produktion wird nicht durch entzündliche oder konsumierende Erkrankungen beeinflusst.

Cystatin C wird ausschließlich glomerulär filtriert und vom proximalen Tubulusepithel reabsorbiert. Somit beschreibt der Wert die Leistung der glomerulären Filtration der Niere. Es zeigt eine stabile Produktionsrate. Im Gegensatz dazu wird Kreatinin glomerulär filtriert und zusätzlich tubulär sezerniert (kreatininblinder Bereich; siehe dazu auch unten unter "Weitere Hinweise").

Das Cystatin C hat mehrere Vorteile gegenüber der Bestimmung des Kreatinins, da es weniger von verschiedenen Faktoren wie Muskelmasse, Geschlecht oder Ernährung beeinflusst wird.

Die Bestimmung der Cystatin C-Clearance kann über folgende Formel bestimmt werden:

  • glomeruläre Filtrationsrate (ml(min) = 74,835/Cystatin C (mg/l)1,333 – s. u. nierenrechner.de

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Blutserum

Vorbereitung des Patienten

  • Blutentnahme muss morgens nüchtern durchgeführt werden.

Störfaktoren

  • Bei aufrecht stehender/sitzender Position sind höhere Werte (bis zu 10 %) als im Liegen zu messen.
  • Krankheiten, die zu einer Erhöhung des Cystatin C-Serumspiegel führen können: Adipositas (Fettleibigkeit), Diabetes mellitus, Malnutrition und Inflammation.
  • Es besteht eine starke Abhängigkeit von der Schilddrüsenfunktion, sodass Cystatin C bereits bei latenter Hyper-/Hypothyreose (Schilddrüsenüber- und unterfunktion) nicht eingesetzt werden sollte [1, 2]:
    • manifeste Hyperthyreose → Erhöhung des Cystatin C-Serumspiegels 
    • unbehandelte hypothyreote Stoffwechsellage → Erniedrigung des Cystatin C-Serumspiegels 
  • Medikamente: hochdosierte Corticoidtherapie → Erhöhung des Cystatin C-Serumspiegels 

Normwerte bei Kindern

Alter Normwerte in mg/l
Neugeborene 1,37-1,89
1-12 Monate 0,73-1,17
1 bis < 3 Jahre 0,68-1,60
3 bis < 16 Jahre 0,51-1,31

Normwerte bei Erwachsenen

Geschlecht Normwerte in mg/l
Weiblich 0,57-0,96
Männlich 0,50-0,96

Indikationen

  • Überwachung der Nierenfunktion bei der Gabe nephrotoxischer Medikamente
  • Verdacht auf Nierenerkrankungen jeglicher Art
  • Verdacht auf toxische Nierenschädigung durch Medikamente, Noxen (Gifte) oder andere Stoffe
  • Kontrolluntersuchung nach Nierentransplantation
  • Kontrolluntersuchung bei Diabetes mellitus Typ 2

Sowie zur Therapiekontrolle der oben genannten Erkrankungen.

Interpretation

Interpretation erhöhter Werte

  • Eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate

Interpretation erniedrigter Werte

  • Nicht krankheitsrelevant

Praktische Online-Rechner

Weitere Hinweise

  • Cystatin C zeigt im Bereich zwischen 80-40 ml/min (GFR) eine größere Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) und Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) als Kreatinin im Serum (mehr Licht im "kreatininblinden Bereich").
  • Cystatin C ist des Weiteren geeigneter als die Kreatinin-Bestimmung zur Feststellung und Risikoklassifikation chronischer Nierenerkrankungen [3].
  • Bei älteren Menschen sollte die glomeruläre Filtrationsrate den Cystatin-C-Wert einschließen. Das Risiko für Tod und andere klinische Endpunkte wird damit besser prognostiziert als bei rein Kreatinin-basierten Werten [4].
    Bei Älteren, die im Regelfall eine geringere Muskelmasse aufweisen und daher niedrigere Kreatininwerte zeigen, wird so eine bessere GFR vorgetäuscht
    Fazit: Eine eGFR basierend sowohl auf Kreatinin als auch Cystatin-C (eGFR-KC) ist besser geeignet als ein rein Kreatinin-basierter Wert (eGFR-K).
  • Nierenfunktionsverlust in der Bevölkerung bei 25- bis 95-jährigen Deutschen: Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) wird typischerweise über Serumkreatinin (eGFRcrea) oder Cystatin C (eGFRcys) geschätzt. Gemäß einer Studie (12.000 Personen, Alter 25-95 Jahre) konnte nachgewiesen werden, dass eGFRcrea über den gesamten Altersbereich bis zum Alter von 60 Jahren ungefähr linear abnimmt; für eGFRcys bis zum Alter von 60 Jahren. Längsschnittlich schätzten lineare gemischte Modelle einen jährlichen eGFRcrea-Rückgang von -0,80 [95 % Konfidenzintervall -0,82, -0,77], -0,79 [-0,83, -0,76] und -1,20 mL/min/1,73 m2 [-1,33, -1,08] für die Allgemeinbevölkerung [5].

Literatur

  1. Kimmel M, Braun N, Alscher MD: Influence of Thyroid Function on Different Kidney Function Tests. Kidney Blood Press Res 2011; 35: 9-17.
  2. Ichihara K, Saito K, Itoh Y: Sources of variation and reference intervals for serum cystatin C in a healthy Japanese adult population. Clin Chem Lab Med 2007; 45: 1232-6.
  3. Shlipak MG, Matsushita K, Ärnlöv J, Inker LA, Katz R, Polkinghorne KR, Rothenbacher D, Sarnak MJ, Astor BC, Coresh J, Levey AS, Gansevoort RT: Cystatin C versus Creatinine in Determining Risk Based on Kidney Function. N Engl J Med 2013; 369:932-943 September 5, 2013. doi: 10.1056/NEJMoa1214234
  4. Fu EL et al.: Association of Low Glomerular Filtration Rate With Adverse Outcomes at Older Age in a Large Population With Routinely Measured Cystatin C Annals of Internal Medicine 2024;177(3) https://doi.org/10.7326/M23-1138
  5. Herold JM et al.: Population-based reference values for kidney function and kidney function decline in 25- to 95-year-old Germans without and with diabetes. Kidney Int. 2024 Jul 29 doi: 10.1016/j.kint.2024.06.024.