Marasmus – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Marasmus ist eine Form der Protein-Energie-Mangelernährung, die durch einen chronischen Mangel an Kalorien und Proteinen gekennzeichnet ist. Der normale Energiebedarf eines Menschen setzt sich zusammen aus dem Ruheumsatz, dem Energieverbrauch bei körperlicher Aktivität und der Thermogenese (Wärmebildung). Beim Marasmus kann dieser Bedarf langfristig nicht gedeckt werden, was zu einem schwerwiegenden katabolen Zustand führt, bei dem die Körperreserven aufgebraucht werden und die Körperfunktionen zunehmend beeinträchtigt sind.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Kalorien- und Proteinmangel: Der Körper erhält über längere Zeit hinweg nicht genügend Energie und Proteine, wodurch die normalen Aufbauprozesse nicht mehr unterstützt werden können. Es kommt zu einem katabolen Stoffwechselzustand (Abbau), bei dem zuerst die Fettreserven und schließlich auch Muskelproteine als Energiequelle herangezogen werden.
  • Abbau von Fettreserven und Muskeln: Bei unzureichender Kalorienzufuhr greift der Körper zunächst auf die Fettdepots zurück. Sobald diese erschöpft sind, werden Muskelproteine abgebaut, was zu einer fortschreitenden Muskelschwäche und einem allgemeinen Gewichtsverlust führt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Atrophie (Gewebeschwund): Der dauerhafte Proteinmangel führt zur generellen Gewebereduktion und Atrophie von Muskulatur und Fettgewebe, was zu einer stark verminderten Muskelmasse und subkutanen Fettschicht führt.
  • Funktionsverlust der Organe: Durch die fortschreitende Atrophie werden auch die inneren Organe in Mitleidenschaft gezogen, was ihre Funktionsfähigkeit zunehmend beeinträchtigt. Insbesondere das Immunsystem, das Herz-Kreislauf-System und die Leber sind betroffen, was zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann.

Klinische Manifestation

  • Leitsymptome:
    • Ausgeprägter Gewichtsverlust: Stark sichtbare Abmagerung mit Verlust von Muskel- und Fettgewebe, was sich in einem hervorstehenden Knochenbau äußert.
    • Schwäche und Erschöpfung: Durch den Abbau der Muskelmasse leiden Betroffene unter Muskelschwäche und einer eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit.
    • Haut- und Haarveränderungen: Trockene, schuppige Haut und dünner werdendes Haar sind häufig, da der Körper Proteine für die Erneuerung dieser Gewebe nicht mehr bereitstellen kann.
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Immunschwäche: Der Proteinmangel führt zu einer Schwächung des Immunsystems, was die Anfälligkeit für Infektionen erhöht.
    • Organbeteiligung und Funktionsverlust: Die Organe verlieren zunehmend ihre Funktionsfähigkeit, was zu Herzschwäche, Leberinsuffizienz und allgemeiner Erschöpfung führt.

Progression und Organbeteiligung

  • Multiorganversagen: Die Mangelernährung hat weitreichende Effekte auf alle Organsysteme und kann zu einem Funktionsverlust führen, der potenziell tödlich verläuft.
  • Immunsuppression: Ein geschwächtes Immunsystem erhöht die Gefahr für schwere Infektionen, die den Zustand der betroffenen Patienten erheblich verschlechtern und zur Mortalität beitragen können.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Muskelschwund: Der Verlust an Muskelmasse beeinträchtigt die Mobilität und führt zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität.
  • Atrophie innerer Organe: Der chronische Proteinmangel schwächt das Herz, die Leber und das Immunsystem, was letztlich zu einem Funktionsverlust und einer lebensbedrohlichen Situation führt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

  • Eingeschränkte Regeneration: Der Körper kann aufgrund des Proteinmangels keine ausreichenden regenerativen Prozesse in Gang setzen, was eine Erholung bei ausbleibender Nahrungszufuhr unmöglich macht.
  • Kompensation durch Abbau von Muskelproteinen: Um den Energiebedarf zu decken, nutzt der Körper die eigene Muskelmasse als Energiereserve, was die Überlebensdauer in einem katabolen Zustand verlängert, jedoch die Organe langfristig schädigt.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Marasmus ist eine schwerwiegende Form der Mangelernährung, die durch chronischen Kalorien- und Proteinmangel gekennzeichnet ist. Der dauerhafte katabole Stoffwechselzustand führt zu einer Verarmung an Muskel- und Fettgewebe sowie zu einer generellen Atrophie der Organe. Durch die fortschreitende Schwächung des Immunsystems und der Körperfunktionen wird der allgemeine Gesundheitszustand stark beeinträchtigt. Eine frühzeitige Erkennung und umfassende Ernährungsintervention sind entscheidend, um eine weitere Verschlechterung und Komplikationen zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Sozioökonomische Faktoren – Die Erkrankung betrifft vorwiegend Kinder unter 5 Jahren in Entwicklungsländern

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Energie- und proteinarme (eiweißarme) Ernährung
    • Infantiler Marasmus: unzureichende Stillpraxis, inadäquate Flaschennahrung, zu kurze Stilldauer, zu frühe Gabe von häufig verdünnten Muttermilchersatzprodukten

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Malassimilation (Störung der Vorverdauung im Magen, der enzymatischen Aufspaltung der Nahrungsbestandteile (exokrine Pankreasinsuffizienz/Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, die mit einer ungenügenden Produktion von Enzymen einhergeht), der Fettemulgierung (z. B.  Gallensäuremangel bei Cholestase/Gallenstau) und der Resorption bzw. des Abtransportes der absorbierten Nahrung) – bei Magen-Darm-Erkrankungen