Kwashiorkor – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Kwashiorkor ist eine Proteinmangelerkrankung, die vor allem bei Kindern in Entwicklungsregionen auftritt, häufig bedingt durch eine einseitige Ernährung, die nur wenige Proteine, aber viele Kohlenhydrate enthält, wie reine Maisnahrung. Der Mangel an essentiellen Aminosäuren führt zu einer ausgeprägten Hypoalbuminämie (Abnahme des Albumins im Blut), wodurch der kolloidosmotische Druck im Gefäßsystem sinkt und das Flüssigkeitsgleichgewicht gestört wird.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Proteinmangel: Ein Mangel an Protein beeinträchtigt die Albuminbildung in der Leber, was zu einer Abnahme des Serumalbuminspiegels führt. Albumin ist entscheidend für den kolloidosmotischen Druck, der das Wasser in den Blutgefäßen hält.
  • Kolloidosmotischer Druckverlust: Durch den Albuminmangel kann die Gewebeflüssigkeit, die sich im extrazellulären Raum befindet, nicht in die venösen Kapillaren zurückfließen. Dies verursacht Ödeme (Wassereinlagerungen), besonders im Bauchbereich, was zum charakteristischen „Hungerbauch“ führt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Ödementwicklung: Die Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum sowie in den unteren Gliedmaßen führt zu stark sichtbaren Ödemen, die für Kwashiorkor kennzeichnend sind.
  • Störung der Immunabwehr: Der Proteinmangel beeinträchtigt die Synthese von Immunzellen und -proteinen, was die Anfälligkeit für Infektionen erhöht und den Krankheitsverlauf verschlimmern kann.

Klinische Manifestation

  • Leitsymptome:
    • Hungerbauch: Stark aufgetriebener Bauch aufgrund von Wassereinlagerungen.
    • Ödeme: Schwellungen, vor allem im Gesicht und an den unteren Gliedmaßen.
    • Hautveränderungen: Trockene, schuppige Haut und häufige Pigmentierungsstörungen.
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Haarveränderungen: Haare werden brüchig und können die Farbe ändern, da das Melanin durch den Proteinmangel nicht mehr ausreichend synthetisiert wird.
    • Apathie und Schwäche: Der Proteinmangel führt zu Muskelschwund und allgemeiner Erschöpfung.
    • Infektanfälligkeit: Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen durch das geschwächte Immunsystem.

Progression und Organbeteiligung

  • Multiorganbeteiligung: Der Proteinmangel beeinträchtigt verschiedene Organsysteme, insbesondere die Leber und das Immunsystem. Die Leber kann Fette nicht mehr richtig abbauen und speichert diese stattdessen, was zur Fettleber führt.
  • Malabsorptionssyndrome: Die Darmgesundheit wird durch den Nährstoffmangel beeinträchtigt, was die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen weiter reduziert.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

  • Muskelschwund und Schwäche: Der Verlust an Muskelmasse führt zu einer erheblichen Schwächung und reduzierten Mobilität.
  • Haut- und Haarveränderungen: Die Proteinsynthese ist gestört, was zur Ausdünnung und Depigmentierung der Haare sowie zu brüchiger Haut führt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

  • Teilweise Rückbildung der Symptome durch Proteintherapie: Eine gezielte Eiweißzufuhr kann das Albuminlevel im Blut anheben, den kolloidosmotischen Druck stabilisieren und Ödeme reduzieren.
  • Anpassung des Stoffwechsels: Der Körper versucht, die Energiebilanz durch Abbau der Fett- und Muskelreserven aufrechtzuerhalten, bis ausreichende Nährstoffe zur Verfügung stehen.

Zusammenhang mit Umweltfaktoren

  • Aflatoxine in der Nahrung: Es wird spekuliert, dass die Aufnahme von Aflatoxinen (Pilzgifte) durch verunreinigte Nahrungsmittel das Auftreten und die Schwere der Symptome von Kwashiorkor beeinflusst [1].

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Kwashiorkor ist eine schwerwiegende Mangelernährung, die durch Proteinmangel und niedrigen kolloidosmotischen Druck verursacht wird. Die daraus resultierenden Ödeme, Haut- und Haarveränderungen und erhöhte Infektanfälligkeit führen zu einer schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität und können ohne frühzeitige Behandlung tödlich verlaufen. Die Symptome lassen sich durch gezielte Ernährungstherapie meist verbessern, doch langfristige Effekte hängen von der frühzeitigen Diagnose und Intervention ab.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Proteinarme (eiweißarme) und mikronährstoffarme Ernährung bei normaler Kalorienzufuhr

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Schädigung der intestinalen Mukosa (Darmschleimhaut) beispielsweise durch Infektionen

Literatur

  1. Hendrickse RG: Kwashiorkor and aflatoxins. J. Paediatr. Gastroenterol. Nutr. 1966;7(5): 633-636