Mangelernährung – Einleitung

Die Mangelernährung beschreibt einen Zustand, in dem die zugeführte Nahrung unzureichend oder unausgewogen ist, was zu einem Defizit an Energie, Proteinen und/oder Mikronährstoffen führt. Diese unzureichende Nahrungsaufnahme kann zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer erhöhten Morbidität und Mortalität führen.

Synonyme und ICD-10: Albuminmangel; Eiweißmalnutrition; Eiweißmangelernährung; Energiemalnutrition; Energiemangelernährung; Fehlernährung; Hungeratrophie; Hungerdystrophie; Hypoalimentation; Inanitionsatrophie; Inanitionsdystrophie; Kalorienmalnutrition; Malnutrition; Proteinmangelernährung; reduzierter Ernährungszustand; Unterernährung; ICD-10-GM E46: Nicht näher bezeichnete Energie- und Eiweißmangelernährung

Bei Mangelernährung, die sowohl qualitative als auch quantitative Defizite in der Nährstoffaufnahme umfassen kann, gibt es mehrere charakteristische Laborbefunde, die auf spezifische Nährstoffmängel hinweisen. Diese Befunde können helfen, die Art und den Schweregrad der Mangelernährung zu identifizieren.

Charakteristische Laborbefunde bei Mangelernährung

  • Hypoalbuminämie: Niedrige Albuminwerte im Serum (< 3,5 g/dL) weisen auf eine unzureichende Proteinzufuhr oder eine verminderte Synthesefähigkeit der Leber hin, was bei schwerer Mangelernährung häufig vorkommt.
  • Erniedrigtes Präalbumin (Transthyretin): Ein empfindlicher Marker für akute Veränderungen im Ernährungsstatus; niedrige Werte (< 20 mg/dL) deuten auf eine akute Mangelernährung hin.
  • Hypoproteinämie: Niedrige Gesamteiweißkonzentrationen im Serum (< 6 g/dL) sind ein Zeichen für eine verminderte Proteinzufuhr oder -verwertung.
  • Anämie (Blutarmut): Eine häufige Begleiterscheinung der Mangelernährung, die in verschiedenen Formen auftreten kann:
    • Eisenmangelanämie: Charakterisiert durch niedrige Hämoglobin- und Hämatokritwerte, niedrige Ferritinspiegel und erhöhte Transferrinwerte.
    • Megaloblastäre Anämie: Durch Vitamin-B12- oder Folsäuremangel verursacht, gekennzeichnet durch eine erhöhte mittlere korpuskuläre Volumen (MCV) und niedrige Vitamin-B12- oder Folsäurewerte.
  • Niedrige Elektrolytwerte
    • Hyponatriämie (niedriges Natrium): Kann auf unzureichende Nahrungsaufnahme oder Verdünnungshyponatriämie durch erhöhte Wasseraufnahme hinweisen.
    • Hypokaliämie (niedriges Kalium): Weist auf eine unzureichende Kaliumzufuhr oder erhöhte Verluste (z. B. durch Erbrechen oder Durchfall) hin.
    • Hypocalcämie (niedriges Calcium): Kann auf einen Vitamin-D-Mangel oder eine unzureichende Calciumzufuhr hinweisen.
  • Erniedrigte Spurenelemente
    • Zink: Zinkmangel führt zu einem niedrigen Zinkspiegel im Serum, was Hautveränderungen, Wachstumsstörungen und Immundefekte verursachen kann.
    • Selen: Selenmangel ist seltener, kann aber zu kardiomyopathischen Veränderungen führen und das Immunsystem schwächen.
  • Verminderte fettlösliche Vitamine
    • Vitamin A: Niedrige Werte können zu Sehstörungen und erhöhter Infektanfälligkeit führen.
    • Vitamin D: Ein Mangel (< 20 ng/mL) führt zu einer gestörten Calciumabsorption und kann Osteomalazie oder Osteoporose begünstigen.
    • Vitamin E: Mangel kann zu neurologischen Symptomen und Muskelschwäche führen.
    • Vitamin K: Ein Mangel äußert sich durch verlängerte Prothrombinzeit (INR) und erhöhtes Blutungsrisiko.
  • Niedrige Cholesterinwerte: Niedrige Serumcholesterinwerte (< 150 mg/dL) können ein Zeichen für schwere Mangelernährung und ein erhöhtes Risiko für Mortalität (Sterblichkeit) sein.

Formen der Mangelernährung

Mangelernährung kann in verschiedene Formen unterteilt werden:

  • Quantitative Mangelernährung: Mangel an Energie und Proteinen.
  • Qualitative Mangelernährung: Mangel an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente).
  • Globale Mangelernährung: Kombination aus quantitativem und qualitativem Mangel.

Spezifische Formen der Mangelernährung

  • Unterernährung: Der Energiespeicher des Körpers ist erschöpft.
  • Fehlernährung: Es fehlt an einem spezifischen Nährstoff.
  • Wasting: Verlust von Körpersubstanz aufgrund unzureichender Nährstoffzufuhr oder schwerer Erkrankungen wie AIDS oder bei Intensivpatienten.
  • Marasmus: Generalisierter Hungerzustand mit Verlust von Körperprotein und -fett.
  • Kwashiorkor: Mangel an Proteinen in der Nahrung, oft bei Kindern in Entwicklungsländern.
  • Kachexie: Auszehrung des Organismus durch tiefgreifende Störungen der Organfunktionen, häufig bei Tumorerkrankungen (Tumorkachexie) oder bei chronischer obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).
  • Sarkopenie: Physiologischer Muskelabbau bei älteren Menschen oder in speziellen Bedingungen wie Schwerelosigkeit oder lang andauernder Glukokortikoidtherapie.

Die schwersten Formen der Mangelernährung sind Marasmus, Kwashiorkor sowie marasmischer Kwashiorkor (Übergangsform). Man fasst sie unter dem Begriff Protein-Energie-Malnutrition (PEM) zusammen.

Des Weiteren gibt es eine krankheitsspezifische Mangelernährung (engl. Disease-related Malnutrition, DRM), die durch drei unabhängige Kriterien definiert wird:

  1. Body-Mass-Index (BMI) < 18,5 kg/m2 ODER
  2. unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 3-6 Monaten ODER
  3. BMI < 20 kg/m2 und unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 5 % in den letzten 3-6 Monaten.

oder

  • niedriger Fettfreie-Masse-Index < 15 kg/m2 (Frauen) und 2 (Männer)

Für Erwachsene ab 65 Jahren werden andere Kriterien für BMI und Gewichtsverlust diskutiert (BMI < 20 kg/m2, Gewichtsverlust > 5 % in 3 Monaten). Zusätzlich gilt eine Nüchternperiode von länger als 7 Tagen als unabhängiges definierendes Kriterium eines Mangelernährungsrisikos [Leitlinien: A.S.P.E.N.].

Zum Thema Definition der Mangelernährung s. u. Klassifikation.

Ursachen

Mangelernährung kann exogen (durch unzureichende Nahrungszufuhr) oder endogen (durch unzureichende Nahrungsverwertung) bedingt sein.

  • Exogene Ursachen: Unzureichende Aufnahme von Nährstoffen aufgrund von Armut, Essstörungen, sozialen oder psychologischen Problemen.
  • Endogene Ursachen: Erkrankungen wie Malabsorption, chronische Entzündungen, Infektionen oder Krebs, die die Verwertung der aufgenommenen Nahrung beeinträchtigen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen und ältere Menschen sind häufiger betroffen, insbesondere in bestimmten klinischen Fachgebieten.

Häufigkeitsgipfel
: Besonders häufig bei geriatrischen Patienten und Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Tumoren oder Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts.

Prävalenz 
(Krankheitshäufigkeit)
  • Geriatrie: 56,2 %
  • Onkologie: 38 %
  • Gastroenterologie: 32,6 %
  • Innere Medizin: 26,6 %
  • Kardiologie: 21,9 %
  • Urologie: 14,7 %
  • Chirurgie: 13,7 %
  • Gynäkologie: 8 % [1]
27,4 % der Patienten sind bei der Aufnahme in ein Krankenhaus mangelernährt (56,2 % in der Geriatrie) [1]. In deutschen Pflegeheimen sind 18,2 % der Bewohner mangelernährt, und 42 % sind als Risikogruppe eingestuft [2].

Bei einer aktiven Krebserkrankung sind mehr als 50 % der Patienten von einer Mangelernährung betroffen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Ohne Intervention führt Mangelernährung zu einem fortschreitenden Verlust von Körpergewicht und Muskelmasse, einer Schwächung des Immunsystems und erhöhtem Risiko für Infektionen, Wundheilungsstörungen und Tod.
  • Mangelernährung kann auch eine Verschlechterung bestehender Krankheiten beschleunigen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Prognose

  • Durch eine gezielte, bedarfsgerechte Ernährung können das Körpergewicht stabilisiert und die Mortalität gesenkt werden. Eine Schulung des Pflegepersonals sowie der Betroffenen und ihrer Angehörigen ist entscheidend für eine nachhaltige Verbesserung des Ernährungszustands.
  • Besonders bei älteren Menschen und Krebspatienten ist eine frühzeitige Intervention wichtig, um die Prognose zu verbessern.

Literatur

  1. Pirlich et al.: The German hospital malnutrition study. Clinical Nutrition 2006; 25: 563-572
  2. Stange I, Poeschl K, Stehle P et al (2013) Screening for malnutrition in nursing home residents: comparison of different risk markers and their association to functional impairment. J Nutr Health Aging 17:357-363

Leitlinien

  1. American Society for Parenteral and Enteral Nutrition (A.S.P.E.N.) Board of Directors and Clinical Practice Committee. Definitions of Terms, Styles, and Conventions Used in A.S.P.E.N. Board of Directors. Approved Documents. Nutr Clin Pract. 2005 Apr;20(2):281-5. doi: 10.1177/0115426505020002281.