Harnsäure
Bei der Harnsäure (HS) (Synonym: Urat) handelt es sich um ein Stoffwechselendprodukt aus dem Purinstoffwechsel, welches zu circa 80 % über die Nieren ausgeschieden wird (harnpflichtig).
Der Laborparameter gehört zu den Nierenretentionsparametern. Dieser wird zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Nieren herangezogen. Eine Erhöhung deutet auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hin, da die Substanz im Körper zurückgehalten wird (Retention).
Wird das Löslichkeitsprodukt für Natrium-Urat überschritten, kristallisiert die Harnsäure aus und kann dann zu Gicht und/oder Nephrolithiasis (Nierensteinen) führen.
Das Verfahren
Benötigtes Material
- 0,5 ml Blutserum (bevorzugt)
- 0,5 ml Lithium-Heparin-Plasma
Vorbereitung des Patienten
- Keine Vorbereitung nötig
Störfaktoren
- Hämolyse (Auflösung der Erythrozyten/rote Blutkörperchen) vermeiden! Diese führt zur Erniedrigung der Harnsäurewerte.
- Betablocker, Thiazide, Tuberkulostatika, Zuckeraustauschstoffe (Fructose, Sorbit, Xylit): erhöhte Werte
- Allopurinol, Östrogene, Salicylate, Uricosurica, Röntgenkontrastmittel: erniedrigte Werte
Normwerte Erwachsene
Geschlecht | Normwert in mg/dl |
Weiblich | 2,4-5,7 |
Männlich | 3,4-7,0 |
Hyperurikämie: > 390 μmol/l (6,5 mg/dl)
Normwerte Kinder
Geschlecht | Alter | Normwert in mg/dl |
Weiblich | 1. Lebenswoche | 1,9-7,9 |
1.-4. Lebensjahr (LJ) | 1,7-5,1 | |
5.-11. LJ | 3,0-6,4 | |
12.-14. LJ | 3,2-6,1 | |
15.-17. LJ | 3,2-6,4 | |
Männlich | 1. Lebenswoche | 1,9-7,9 |
1.-4. LJ | 2,2-5,7 | |
5.-11. LJ | 3,0-6,4 | |
12.-14. LJ | 3,2-7,4 | |
15.-17. LJ | 4,5-8,1 |
Umrechungsfaktor: Harnsäure mg/dl x 59,485 = µmol/l
Indikationen
- Verdacht auf Hyperurikämie – erhöhte Harnsäurewerte im Blut
- Verdacht auf Gichtanfall
Interpretation
Interpretation erhöhter Werte
Primäre Hyperurikämien (Gicht)
- Störung der renalen Elimination (Nierenausscheidungsstörungen)
- Endogene Urat-Überproduktion
- Lesch-Nyhan-Syndrom – erblich bedingte Erkrankung des Purinstoffwechsels, die zu Harnsteinen, aber auch zu neurologischen und psychiatrischen Symptomen führt
Sekundäre Hyperurikämie (Gicht)
- Fasten
- Purinreiche Ernährung
- Zuckeraustauschstoffen (Fructose, Sorbit, Xylit)
- Alkoholgenuss
- Akromegalie – Erkrankung, bei der sich die Körperendglieder durch vermehrtes Wachstumshormon noch nach Abschluss des physiologischen Wachstums weiter vergrößern
- Glykogen-Speicherkrankheit Typ I
- Hyperparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion)
- Hyperurikämie
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
- Ketoazidose – Übersäuerung des Blutes mit Bildung von sogenannten Ketonkörpern
- Lactazidose
- Maligne Tumoren – bösartige Neubildungen
- Myeloproliferative Neoplasien (MPN) (früher: chronische myeloproliferative Erkrankungen (CMPE)): z. B.
- Chronische myeloische Leukämie (CML)
- Osteomyelosklerose (OMS)
- Polycythaemia vera (PV; Synonyme: Polycythämie, Polyzythämie)
- Niereninsuffizienz
- Medikamente
- Acetylsalicylsäure (ASS) (< 1.000 mg/die); je niedriger die Dosis war, desto höher war das Gichtrisiko [1]:
- < 325 mg/die: 81 % (OR=1.81, 95 % CI 1.30-2.51)
- ≤ 100 mg/die: 95 % (OR=1.91, 95 % CI 1.32-2.85)
- Antihypoglykämika (Diazoxid)
- Antiphlogistika, nicht-steroidale (Oxyphenbutazon, Phentylbutazon)
- Betablocker (Propranolol)
- Diuretika
- Schleifendiuretika (Etacrynsäure, Furosemid, Piretanid, Torasemid)
- Thiaziddiuretika (Chlortalidon, Hydrochlorothiazid (HCT), Xipamid)
- Ethambutol (Antibiotikum/Tuberkulostatikum)
- Immunsuppressiva (Ciclosporin (Cyclosporin A))
- L-Dopa
- Nicotinsäure
- Tuberkulostatika (Pyrazinamid)
- Zytostatika
- Acetylsalicylsäure (ASS) (< 1.000 mg/die); je niedriger die Dosis war, desto höher war das Gichtrisiko [1]:
- Strahlentherapie
- Intoxikationen (Vergiftungen) – mit Blei, Beryllium
Interpretation erniedrigter Werte
- Hepatopathie (Leberschaden)
- Idiopathische/erworbene Tubulusdefekte
- Xanthinoxidasedefekt
- Medikamente
- glycerin-/gujakhaltige Expektorantien
- Östrogene
- Phenylbutazon
- Röntgenkontrastmittel
- Salicylate (> 3 g/die)
- Xanthinoxidasehemmer (Allopurinol)
Weitere Hinweise
- In einer Studie zur Früherkennung von Nierenkrankheiten zeigte sich, dass Männer und Frauen eine deutlich verminderte Lebenserwartung hatten, wenn bei der Eingangsuntersuchung eine erhöhte Harnsäurekonzentration im Serum gemessen wurde. Bei dieser Aussage wurden u. a. Risikofaktoren wie Anämie (Blutarmut), Fettleibigkeit, Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung), metabolisches Syndrom, Serumalbumin und Entzündungsparameter bei der Berechnung berücksichtigt [2].
- Männer: Für einen Harnsäure-Serumwert von 9 mg/dl (535 µmol/l) wurde eine adjustierte Hazard Ratio von 2,7 gemessen, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,91 bis 4,02 signifikant war. Auch ein Harnsäurewert von unter 4 mg/dl (238 µmol/l) war mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko/Sterberisiko (adjustierte Hazard Ratio 2,32; 1,53 bis 3,27) verbunden. Dieses hatte einen großen Einfluss auf die Lebenszeit:
- Männer mit erhöhten Harnsäure-Serumwerten starben in Durchschnitt um 11,7 Jahre (7,27 bis 16,92) früher.
- Niedrige Werten war ebenfalls mit einer reduzierten Lebenszeit um 9,52 Jahre (4,38 und 15,53) verbunden.
- Frauen: Hier zeigte sich eine J-Kurve: Ein Harnsäure-Serumwert über 7 mg/dl (416 µmol/l) war mit einem um 69 % erhöhten Mortalitätsrisiko/Sterberisiko verbunden (adjustierte Hazard Ratio erhöht 1,69; 1,13 bis 2,47).
- Frauen mit hohen Harnsäure-Serumwerten starben um ca. 9 Jahre (0,97 bis 12,32) früher.
- Männer: Für einen Harnsäure-Serumwert von 9 mg/dl (535 µmol/l) wurde eine adjustierte Hazard Ratio von 2,7 gemessen, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,91 bis 4,02 signifikant war. Auch ein Harnsäurewert von unter 4 mg/dl (238 µmol/l) war mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko/Sterberisiko (adjustierte Hazard Ratio 2,32; 1,53 bis 3,27) verbunden. Dieses hatte einen großen Einfluss auf die Lebenszeit:
- Risiko für einen erneuten Gichtanfall: 95 % der Gichtanfälle in den folgenden acht Jahren treten bei Personen mit einem basalen Serum-Urat > 6 mg/dl auf. Das Rezidivrisiko (Wiederauftreten) wächst mit steigender Harnsäurekonzentration [3].
- Der Harnsäurespiegel sinkt bei abnehmendem Alkoholkonsum. Dabei wirkt sich am günstigsten der Verzicht auf Bier aus [4].
Literatur
- Zhang Y et al.: Low-dose aspirin use and recurrent gout attacks. Ann Rheum Dis 2014;73:385-390. doi:10.1136/annrheumdis-2012-202589
- Browne LD et al.: Serum uric acid and mortality thresholds among men and women in the Irish health system: A cohort study European Journal of Onternal Medicine October 19, 2020 doi:https://doi.org/10.1016/j.ejim.2020.10.001
- McCormick N et al.: Serum Urate and Recurrent Gout JAMA. 2024;331(5):417-424. doi:10.1001/jama.2023.26640
- Fukui S et al.: Changes in alcohol intake and serum urate changes: longitudinal analyses of annual medical examination database. Annals of the Rheumatic Diseases Published Online First: 28 February 2024. doi: 10.1136/ard-2023-225389