Abnorme Gewichtsabnahme – Einleitung

Eine abnorme Gewichtsabnahme bezeichnet einen ungewollten und übermäßigen Gewichtsverlust, der auftritt, wenn der Energieverbrauch des Körpers die Energieaufnahme übersteigt, wodurch der Körper gezwungen ist, gespeicherte Energiereserven abzubauen.

Synonyme und ICD-10: Gewichtsverlust; abnormer Gewichtsverlust; Dystrophie durch abnorme Gewichtsabnahme; ungewöhnliche Gewichtsabnahme; unklare Gewichtsabnahme; ICD-10-GM R 63.4: abnorme Gewichtsabnahme

Gewichtsverlust kann, gewollt (z. B. im Rahmen von Diäten) oder ungewollt auftreten. Dabei kann der Appetit unterschiedlich ausgeprägt sein:

  • Verminderter Appetit
  • Normaler Appetit
  • Gesteigerter Appetit

In der Regel ist der Appetit jedoch vermindert oder gleichbleibend. Tritt die Gewichtsabnahme als Symptom auf, wird von einer abnormen Gewichtsabnahme gesprochen. Definitionsgemäß gilt als abnorme Gewichtsabnahme ein Gewichtsverlust von mehr als 5 % des Körpergewichts innerhalb von sechs Monaten.

Charakteristische Laborbefunde

In einer der Oxford-Studien waren vor allem folgende Laborergebnisse mit einer erhöhten Krebswahrscheinlichkeit assoziiert [2]:

  • erhöhter CRP-Wert (Sensitivität 71 %, Spezifität 81 %, Area under the curve, AUC 0,76), 
  • Neutrophilie (Anstieg der Zahl der neutrophilen Granulozyten im Blut) (AUC 0,64) und
  • erhöhte Thrombozytenzahlen.

Des Weiteren wurde die Bestimmung des Differenzialblutbildes, der alkalischen Phosphatase und TSH empfohlen.

Zusätzlich zu den bereits genannten Laborparametern können folgende Untersuchungen bei einer abnormen Gewichtsabnahme sinnvoll sein, um weitere mögliche Ursachen abzuklären:

  • Elektrolyte (Natrium, Kalium, Chlorid) – zur Beurteilung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts
  • Leberwerte (GOT, GPT, Gamma-GT, Bilirubin) – zur Abklärung von Leberfunktionsstörungen oder Lebererkrankungen
  • Nierenfunktion (Kreatinin, Harnstoff, eGFR) – zur Beurteilung der Nierenfunktion
  • Blutzucker (Glucose, HbA1c) – zur Abklärung von Diabetes mellitus oder anderen metabolischen Störungen
  • Ferritin, Eisen, Transferrin – zur Beurteilung des Eisenstoffwechsels und möglicher Anämien (Blutarmut)
  • Albumin und Gesamtprotein – zur Beurteilung des Ernährungszustands und möglicher Mangelernährung
  • Vitamin B12 und Folsäure – zur Abklärung von Mangelzuständen, insbesondere bei gastrointestinalen Ursachen
  • Tumormarker (z. B. CEA, CA 19-9, PSA, AFP) – falls ein malignomverdächtiger Prozess vermutet wird
  • Stuhluntersuchungen – z. B. auf okkultes Blut, um gastrointestinale Blutungen oder Malignome (Tumorerkrankungen) auszuschließen
  • Hormonstatus (z. B. Cortisol, ACTH, Testosteron, Östradiol) – zur Abklärung hormoneller Ursachen wie endokrine Tumoren oder Hypophyseninsuffizienz.

Ursachen des Gewichtsverlusts

Organische Ursachen

  • Maligne Erkrankungen: Tumorerkrankungen wie Magen-, Darm-, Lungen- und Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs) sowie Non-Hodgkin-Lymphom, Ovarialkarzinom, Myelom sowie Krebserkrankungen der Niere und der Gallenwege [3].
    Beachte: Die Wahrscheinlichkeit an Krebs erkrankt zu sein, ist bei Personen mit ungewolltem Gewichtsverlust 1,6- bis 12,5-mal so hoch wie bei Personen mit unverändertem Gewicht [2].
  • Endokrine Störungen: Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), Diabetes mellitus.
  • Infektionen: Tuberkulose, AIDS, chronische Infektionen.
  • Gastrointestinale Erkrankungen (Magen-Darm-Erkrankungen): Zöliakie, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa.
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Chronische Herzinsuffizienz (Herzschwäche).

Psychische Ursachen

  • Anorexia nervosa: Essstörung, die durch selbst auferlegte Nahrungsreduktion und übermäßige körperliche Aktivität charakterisiert ist.
  • Depression: Verminderter Appetit und Interesseverlust können zur Gewichtsabnahme führen.

Medikamentöse Ursachen

  • Nebenwirkungen von Medikamenten: Z. B. Chemotherapie, Antidepressiva, Stimulanzien.

Formen der Gewichtsabnahme

  • Allmählicher Gewichtsverlust ohne Leistungsknick
  • Allmählicher Gewichtsverlust mit Leistungsknick
  • Rascher Gewichtsverlust mit Leistungsknick

Differentialdiagnosen

Gewichtsverlust kann Symptom vieler Erkrankungen sein. Häufige Differentialdiagnosen umfassen:

  • Krebserkrankungen
  • Chronische Infektionen wie Tuberkulose und HIV/AIDS
  • Endokrine Störungen wie Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) und Diabetes mellitus
  • Gastrointestinale Erkrankungen (Magen-Darm-Erkrankungen) wie Zöliakie und Morbus Crohn (entzündliche Darmerkrankung)
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Psychische Erkrankungen wie Anorexia nervosa (Magersucht) und Depression

Abnorme Gewichtsabnahme kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Gewichtsverlust kann in allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern auftreten. Die Prävalenz und Inzidenz hängen stark von der zugrunde liegenden Ursache ab.

Geschlechterverhältnis: Beide Geschlechter können gleichermaßen betroffen sein, wobei bestimmte Ursachen wie Anorexia nervosa häufiger bei Frauen auftreten.

Altersverteilung: Gewichtsverlust kann in jedem Alter auftreten, wobei ältere Menschen aufgrund chronischer Krankheiten und Medikamenteneinnahme häufiger betroffen sind.

Verlauf und Prognose

Verlauf und Prognose sind stark abhängig von der zugrunde liegenden Ursache des Gewichtsverlusts.

  • Akuter Gewichtsverlust: Tritt häufig bei Infektionen oder akuten Erkrankungen auf und kann mit der Behandlung der Grunderkrankung rückgängig gemacht werden.
  • Chronischer Gewichtsverlust: Häufig bei malignen (bösartigen) Erkrankungen oder chronischen Infektionen und erfordert eine umfassende Diagnostik und Therapie.

Prognose

  • Ungünstige Prognose: Ein ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten wird als ungünstiger Prognoseparameter gewertet. Häufig tritt solch ein Gewichtsverlust im Rahmen von malignen Erkrankungen wie Morbus Hodgkin oder infektiösen Erkrankungen wie Tuberkulose oder AIDS auf.
  • Erhöhtes Krebsrisiko: In einer Studie mit 157.474 Teilnehmenden hatten Personen, die kürzlich mehr als 10 % ihres Körpergewichts verloren hatten, ein signifikant höheres Krebsrisiko als diejenigen, die nicht abgenommen hatten. Dies galt nicht nur, wenn der Gewichtsverlust beabsichtigt war. Bei unbeabsichtigtem Gewichtsverlust waren Tumorerkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts (Speiseröhren-, Magen-, Leber-, Gallengangs- und Pankreaskarzinome) besonders häufig [1].

Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen

  • Bei 9- bis 12-Jährigen mit Gewichtsverlust sollte nach Ausschluss anderer somatischer Faktoren an eine Anorexia nervosa als Ursache gedacht werden.

Literatur

  1. Wang QL et al.: Cancer Diagnoses After Recent Weight Loss JAMA. 2024;331(4):318-328. doi:10.1001/jama.2023.25869
  2. Perera LAM et al.: Approach to Patients with Unintentional Weight Loss. Med Clin North Am 2021;105(1):175–186. https://doi.org/10.1016/J.MCNA.2020.08.019