Überzuckerung (Hyperglykämie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Hyperglykämie (erhöhter Blutzucker) entsteht durch eine Störung im Zusammenspiel zwischen Insulinsekretion und Insulinwirkung (Insulinresistenz), wodurch die Regulation des Glucosespiegels im Blut beeinträchtigt ist. Diese Dysregulation kann zu einer übermäßigen Glucoseproduktion in der Leber oder einer verminderten Glucoseaufnahme in den Zellen führen, was schließlich zu erhöhten Blutzuckerwerten führt.

Insulin und Glukagon: Gegenspieler im Glucosehaushalt

Die Aufrechterhaltung eines konstanten Blutzuckerspiegels im engen Rahmen von 70 bis 110 mg/dl (3,9-6,1 mmol/l) erfolgt durch die koordinierte Wirkung von Insulin und Glukagon:

  • Insulin wird von den B-Zellen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) produziert und fördert die Glucoseaufnahme in die Zellen sowie die Speicherung von Glucose als Glykogen in der Leber und den Muskeln. Insulin sorgt so dafür, dass der Glucosespiegel im Blut gesenkt wird.
  • Glukagon wird von den A-Zellen der Bauchspeicheldrüse synthetisiert und wirkt als Gegenspieler des Insulins. Es stimuliert spezifische Enzyme, die das gespeicherte Glykogen in der Leber in Glucose umwandeln, wodurch der Glucosespiegel im Blut erhöht wird.

Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Hormonen reguliert den Glucose-Serumspiegel, um sicherzustellen, dass er innerhalb der physiologischen Grenzen bleibt.

Störung der Insulinsekretion

Die Hyperglykämie kann durch eine verminderte Insulinsekretion entstehen, was bedeutet, dass die B-Zellen der Bauchspeicheldrüse nicht ausreichend Insulin produzieren können. Dies beeinträchtigt die Aufnahme von Glucose in die Zellen, was zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führt. Bei einem Diabetes mellitus Typ 1 beispielsweise wird diese Insulinsekretionsstörung durch eine autoimmune Zerstörung der B-Zellen ausgelöst.

Störung der Insulinwirkung: Insulinresistenz

Neben einer reduzierten Insulinsekretion kann die Insulinwirkung durch eine Insulinresistenz beeinträchtigt sein. Unter Insulinresistenz versteht man die reduzierte Empfindlichkeit der Körperzellen – insbesondere der Muskulatur, Leber und des Fettgewebes – gegenüber Insulin:

  • In diesem Fall spricht man von einer relativen Insulinresistenz, da die Zellen weniger empfindlich auf das im Körper vorhandene Insulin reagieren.
  • Diese verringerte Insulinsensitivität behindert die Glucoseaufnahme in die Zellen, auch wenn Insulin in ausreichender Menge vorhanden ist.
  • Die Insulinresistenz kann sowohl endogenes (körpereigenes) als auch exogenes (injiziertes) Insulin in seiner Wirksamkeit beeinträchtigen.

Ein Beispiel für eine krankheitsbedingte Insulinresistenz ist Diabetes mellitus Typ 2, bei dem genetische Faktoren, Übergewicht und Bewegungsmangel zu einer verminderten Glucoseverwertung führen.

Häufigste Ursache der Hyperglykämie

Die häufigste Ursache der Hyperglykämie ist der Diabetes mellitus, eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der es durch gestörte Insulinproduktion oder Insulinresistenz zu einem anhaltend erhöhten Blutzuckerspiegel kommt.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Mukoviszidose (Zystische Fibrose, ZF) ‒ genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index – Die Aufnahme sehr großer Mengen an Mono- und Disacchariden kann zu postprandialer Hyperglykämie (nach den Mahlzeiten auftretender Überzuckerung) führen.
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Ein Mangel an Mikronährstoffen wie Magnesium, Chrom, Zink und Vitamin D kann die Glukoseregulation negativ beeinflussen. Siehe auch „Prävention mit Mikronährstoffen“.
    • Ungünstige Fettzufuhr – Hohe Mengen gesättigter Fettsäuren können die Insulinsensitivität reduzieren und langfristig zur Hyperglykämie beitragen.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholkonsum – Alkohol, insbesondere in großen Mengen, kann die Glukosebalance stören, insbesondere bei Lebererkrankungen.
    • Rauchen – Tabakkonsum ist mit einer erhöhten Insulinresistenz und einer schlechteren Glukosetoleranz verbunden.
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel – Ein sedentärer Lebensstil, d. h. ein Verhalten mit geringem Energieverbrauch, reduziert die Glukoseaufnahme in die Muskeln und fördert Hyperglykämie.
    • Unregelmäßige körperliche Aktivität – Sporadische Aktivität ohne Anpassung der Ernährung kann den Glukosespiegel schwanken lassen.
  • Medikamentöse Faktoren
    • Cortisontherapie – Langfristige Einnahme von Glukokortikoiden kann die Blutzuckerregulation negativ beeinflussen.
    • Nicht angepasste Antidiabetika-Therapie – Eine unzureichende Dosierung von Insulin oder oralen Antidiabetika kann Hyperglykämie begünstigen.
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress – Dauerhafter Stress kann über die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin zu einer gesteigerten Glukoseproduktion der Leber führen.

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Akromegalie – endokrinologische Erkrankung, die durch eine Überproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon (STH), Somatotropin) hervorgerufen wird; mit ausgeprägter Vergrößerung der Körperendglieder oder vorspringender Teile des Körpers (Akren) wie Hände, Füße, Unterkiefer, Kinn und Augenbrauenwülste
  • Cushing-Syndrom – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol) führen; klinisches Bild: stammbetonte Adipositas, Hypertonie (Bluthochdruck), Muskelschwund und roter Hautstreifen
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) – Typ -1- bzw. Typ-2-Diabetes
  • Hyperadrenalismus – vermehrte hormonale Aktivität der Nebenniere
  • Hyperpituitarismus – vermehrte hormonale Aktivität der Hirnanhangsdrüse
  • Morbus Basedow – Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die zu einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) führt
  • Transitorische Säuglingshyperglykämie – vorübergehende Blutzuckererhöhung beim Säugling

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Akuter Myokardinfarkt (Herzinfarkt)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Sepsis (Blutvergiftung)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Akute Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Hirntumoren, nicht näher bezeichnet
  • Paraneoplastisch – im Rahmen einer Krebserkrankung auftretend
  • Phäochromozytom – meist benigner (gutartiger) Tumor (ca. 90 % der Fälle), der überwiegend von der Nebenniere ausgeht und zu Bluthochdruckkrisen (hypertensive Krise) führen kann; Symptom-Trias Kopfschmerzen, Tachykardie und Schweißausbrüche 

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Meningitis (Hirnhautentzündung)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • CO-Vergiftung
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

Weitere Ursachen

  • Im Rahmen der Peritonealdialyse – Blutwäscheverfahren, bei welchem das Bauchfell als Dialysemembran dient
  • Inhalationsnarkose – Form der Narkose, bei der der Schlaf durch gasförmige Medikamente eingeleitet wird

Medikamente

  • Alpha-Interferon – Gruppe von Proteinen (Eiweiß), die bei vielen verschiedenen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Hepatitis (Leberentzündung) etc. eingesetzt werden
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Medikamentengruppe, die bei psychischen Erkrankungen eingesetzt wird, z. B. Chlorpromazin, Clozapin
  • Arsentrioxid
  • Betamimetika (Synonyme: β2-Sympathomimetika, auch β2-Adrenozeptor-Agonisten) – Fenoterol, Formoterol, Hexoprenalin, Ritodrin, Salbutamol, Salmeterol, Terbutalin 
  • Calcium-Kanalblocker (Antihypertensivum) – Arzneimittel zur Blutdrucksenkung wie Nifedipin, Diltiazem, Verapamil
  • Glucocorticoide – Gruppe von Hormonen, die denn Stoffwechsel, den Wasser- und Elektrolythaushalt, das Herz-Kreislaufsystem und das Nervensystem beeinflussen; des Weiteren wirken sie entzündungshemmend und immunsuppressiv
  • Hormone wie Somatostatin, Somatropin (Somatotropes Hormon (STH); Human Growth Hormone (hGH); Growth Hormone (GH); Wachstumshormon (WH))
  • Pentamidin (Chemotherapeutikum)
  • Schleifendiuretika – entwässernde Medikamente wie Furosemid
  • Sympathomimetika (kreislaufsteigernde Medikamente) wie Adrenalin, Noradrenalin, Orciprenalin
  • Therapiefehler beim Diabetes mellitus
  • Thiaziddiuretika – entwässernde Medikamente wie Hydrochlorothiazid
  • Siehe auch unter "Diabetogene Wirkung durch Medikamente"