Latente Schilddrüsenunterfunktion (latente Hypothyreose) – Folgeerkrankungen
Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch eine latente (subklinische) Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) mit bedingt sein können:
Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96)
- Neurologische Schäden beim Fetus (nicht eindeutig bei subklinischen Fällen)
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Eisenmangelanämie und mikrozytäre Anämie (Sammelbezeichnung für jeden Typus einer Anämie (Blutarmut), die sich durch kleine Erythrozyten (rote Blutkörperchen) auszeichnet) – Häufig aufgrund reduzierter Eisenaufnahme und entzündungsbedingter Prozesse.
– Anämie (Blutarmut), die durch den Mangel an Eisen bedingt ist – Neben einer Eisenmangelanämie kann bei latenter Hypothyreose auch eine - Anämie durch chronische Erkrankungen (ACD) – Subklinische Entzündungen können den Eisenstoffwechsel stören.
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E99)
- Diabetes mellitus Typ 2
- Erhöhung des Homocystein-Spiegels
- Hypercholesterinämie (erhöhte Cholesterinwerte im Blut; LDL-Cholesterin)
- Hyperprolaktinämie und Libidostörungen des Mannes – die latente Hypothyreose führt beim Mann zu einem erhöhten Prolaktin-Serumspiegel, der Ursache einer Libidostörung sein kann.
- Hyperprolaktinämie und Zyklusstörungen (Oligomenorrhoe/Regeltempostörung: das Intervall zwischen den Blutungen ist > 35 Tage und ≤ 90 Tage bis Amenorrhoe/> 90 Tage) – die latente Hypothyreose führt im Regelfall bei der Frau zu einem erhöhten Prolaktin-Serumspiegel, der zu Follikelreifungsstörungen (Eizellreifungsstörungen) bis hin zur Anovulation (Ausbleiben der Regelblutung) mit verlängerten Zyklen führen kann. Dieses geht im Regelfall mit Störung der zweiten Zyklusphase (Corpus luteum-Insuffizienz/Gelbkörperschwäche) einher – infolgedessen kann es zu Fertilitätsstörungen kommen.
- Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut) ohne Zeichen von entzündlicher Arthritis (Gelenkentzündung) oder tophischer Gicht
- Manifeste Hypothyreose (klinisch auffällige Schilddrüsenunterfunktion) – bei 5 % der Patienten/Jahr wurde ein Übergang von einer latenten in eine manifeste Hypothyreose beobachtet [1]
- Nephropathie (Nierenerkrankung) bei Typ-2-Diabetiker (Diabetes mellitus Typ 2) [3]
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Atherosklerose (Arteriosklerose) – bei Frauen [1]: mit der Folge wie Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder Apoplex (Schlaganfall)
- Frauen mit subklinischer Hypothyreose haben eine erhöhte Intima-Media-Dicke der Arteria carotis (signifikant erhöhte IMT: IMT ≥ 75. Perzentile); des Weiteren haben sie häufiger Plaques (krankhafte Ablagerungen an den Gefäßwänden) als Frauen mit Euthyreose/normaler Schilddrüsenfunktion (25 vs. 9 Prozent) [17].
- Erhöhte kardiale Mortalität (erhöhte herzbedingte Sterblichkeit) [2] – Durch reduzierte Herzfrequenzvariabilität und endotheliale Dysfunktion.
- Hypertonie
- Mechanismus: Eine subklinische Hypothyreose kann den Blutdruck über mehrere Mechanismen erhöhen, insbesondere durch eine erhöhte periphere Gefäßresistenz und veränderte endotheliale Funktion, die die Gefäßerweiterung beeinträchtigen.
- Prävalenz: Studien zeigen, dass insbesondere der diastolische Blutdruck erhöht sein kann. Dies betrifft häufig Patienten mit einem TSH-Wert am oberen Normbereich oder darüber hinaus.
- Langfristige Folgen: Eine anhaltend erhöhte Gefäßspannung fördert die Entwicklung von arterieller Hypertonie und trägt somit indirekt zur Progression der Atherosklerose und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko bei.
- Koronare Herzkrankheit (KHK; Erkrankung der Herzkranzgefäße)
- insb. bei Patienten mit mittlerem bis hohem Framingham Risikoscore [4]
- wenn der TSH-Spiegel über 10 mIE/l liegt [15]
- Plötzlicher Herztod (PHT) [15] – Insbesondere bei TSH > 10 mIU/l.
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Gicht (Arthritis urica oder tophischer Gicht)
- Osteoporose (Knochenschwund) – Aufgrund indirekter Effekte auf den Knochenstoffwechsel durch Vitamin-D-Mangel und Hyperprolaktinämie.
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Kolorektale Karzinome (Kolon- und Rektumkarzinom/Dickdarm- und Mastdarmkrebs) – unbehandelte latente Hypothyreose geht mit einem erhöhten Krebsrisiko (adjustierte Odds-Ratio (OR) von 1,16) einher [5] (gilt als umstritten)
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Libidostörung des Mannes
- Neuromuskuläre Schwäche – Schwäche aufgrund von Störungen der Nerven und/oder Muskeln
- Psychiatrische Störungen wie Depression (Depressionen sind häufig bei Hypothyreosen, jedoch nicht spezifisch für subklinische Fälle)
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)
- Abort (Fehlgeburt)
- Plazentainsuffizienz – Kann das fetale Wachstum beeinträchtigen.
- Präeklampsie – Subklinische Hypothyreose ist ein Risikofaktor für Präeklampsie und Schwangerschaftsbluthochdruck.
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Alopecie (Haarausfall) – Diffuser Haarausfall oder strukturelle Veränderungen des Haars.
- Bradykardie (< 60 Schläge/Minute)
- Gewichtszunahme – Auch bei moderater Kalorienaufnahme durch verminderte Grundumsatzrate.
- Hypothermie – axilläre Basaltemperatur frühmorgens im Bett sollte idealerweise bei 36,4-36,8 ºC sein
- Obstipation (Verstopfung)
- Ödeme
- Schuppige Haut – Hypothyreose kann zu trockener, schuppiger Haut führen.
- Wachstumsstörung beim Kind
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Fertilitätsstörung der Frau (wg. Hyperprolaktinämie → Corpus-luteum-Insuffizienz/Gelbkörperschwäche)
Weiteres
- Beeinträchtigung des Herzens [6-10]:
- myokardiale Kontraktilität (↓)
- diastolische Funktion in Ruhe ↓
- fehlende Anpassung der systolischen Funktion unter körperlicher Anstrengung → eingeschränkte Belastungstoleranz
- Erhöhte Mortalität (Sterberate)
- TSH-Wert ˃ 5,6 mlU/L und ein freies Thyroxin [fT4] von 0,6-1,6 ng/dl (1,9-faches Sterberisiko) [16]
- Hazard Ratio für Tod von Älteren (durchschnittlich: 83 Jahre) bei latenter Hypothyreose: 1,75; 95-%-Konfidenzintervall: 1,63-1,88; Verlaufsuntersuchung: 10 Jahre [14]
- bei latenter Hypothyreose (wenn TSH-Spiegel über 10 mIE/l liegen) aufgrund einer ischämischen Herzkrankheit bzw. Tod durch eine Herzerkrankung [15]
- Störung der endothelialen Funktion und Einschränkung der Herzfrequenzvariabilität [10, 11]
- Gesteigerte Insulinsensitivität (bei Diabetikern sinkt damit der tägliche Insulinbedarf!)
Prognosefaktoren
- Bei Hämodialyse-pflichtigen Patienten ist eine Hypothyreose, aber auch TSH-Werte im oberen Normbereich, mit einer erhöhten Mortalitätsrate (Sterberate) assoziiert (HR 1,47, 95 %-Vertrauensbereich 1,34 - 1,61; p < 0,001) [13].
Bedeutung von TSH-Schwankungen bei latenter Hypothyreose
- Klinische Relevanz: TSH-Schwankungen bei latenter Hypothyreose können auf eine instabile Schilddrüsenfunktion hinweisen. Häufig sind diese Schwankungen durch intermittierende Schilddrüsenentzündungen (z. B. Hashimoto-Thyreoiditis), Jodaufnahme oder andere Umwelteinflüsse bedingt. Eine regelmäßige Kontrolle der Werte ist wichtig, um eine Progression frühzeitig zu erkennen.
- Prognostische Bedeutung:
- TSH > 10 mIU/l: Patienten mit TSH-Werten > 10 mIU/l haben ein höheres Risiko, dass sich die Erkrankung zu einer manifesten Hypothyreose entwickelt.
- TSH im oberen Normalbereich: Auch TSH-Werte nahe der oberen Normgrenze erhöhen bei prädisponierten Patienten die Wahrscheinlichkeit für das Fortschreiten der Erkrankung.
- Diskrepanz zwischen TSH und fT4: Eine deutliche TSH-Erhöhung bei normalem fT4 könnte auf eine frühe Einschränkung der Schilddrüsenhormonreserve hindeuten.
Rolle der fT4-Spiegel bei latenter Hypothyreose
- fT4 als Progressionsmarker:
- Niedrig-normaler fT4-Bereich: Patienten mit fT4-Werten im unteren Normbereich zeigen häufiger eine Progression zur manifesten Hypothyreose. Eine engmaschige Überwachung dieser Patienten ist erforderlich.
- Diskrepanz von TSH und fT4: Eine Diskrepanz, z. B. hohes TSH bei normalem fT4, deutet auf eine beginnende Dysfunktion hin.
- Prognostische Bedeutung:
- Kombination von TSH und fT4 hilft, das Progressionsrisiko genauer abzuschätzen und frühzeitig therapeutische Maßnahmen zu erwägen.
- Niedriges fT4 bei anhaltend hohem TSH kann Hinweise auf eine beginnende hormonelle Unterversorgung liefern.
Kombinierte Betrachtung von TSH und fT4
- Die gemeinsame Analyse von TSH und fT4 ist essenziell für die Bewertung der latenten Hypothyreose:
- Progressionsrisiko: Ein erhöhtes TSH in Kombination mit niedrig-normalem fT4 deutet auf ein höheres Risiko hin, dass die Erkrankung symptomatisch wird.
- Therapieentscheidung: Bei persistierenden Werten im pathologischen Bereich kann eine frühzeitige Therapie erwogen werden, insbesondere bei zusätzlichen Risikofaktoren wie kardiovaskulären Erkrankungen oder Kinderwunsch.
Literatur
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