Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) entsteht durch eine erhöhte Produktion der Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), die zu einer Überstimulation des Stoffwechsels führen. Die häufigsten Ursachen dieser Überproduktion sind autoimmune Prozesse sowie Schilddrüsenautonomie.

Morbus Basedow (Graves' disease)

Die häufigste Ursache der Hyperthyreose ist der Morbus Basedow (auch Graves' disease genannt), eine Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor (TSHR) gebildet werden. Diese TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) stimulieren den Rezeptor in der Schilddrüse, ohne dass eine TSH-Bindung notwendig ist. Dadurch wird die Schilddrüse zur übermäßigen Produktion von T3 und T4 angeregt, während gleichzeitig der TSH-Spiegel im Blut erniedrigt ist.

  • Autoimmunreaktion: Durch die Fehlsteuerung des Immunsystems bilden sich Autoantikörper, die die TSH-Rezeptoren auf den Schilddrüsenzellen permanent aktivieren, was zur dauerhaften Überproduktion von Schilddrüsenhormonen führt.
  • HLA-DR3-Assoziation: Morbus Basedow tritt vermehrt bei Menschen mit einer genetischen Prädisposition (HLA-DR3) auf.
  • Symptome der Hyperthyreose: Klassische Symptome sind Nervosität, Gewichtsverlust, Herzrasen (Tachykardie), Schwitzen und eine Überaktivität des Stoffwechsels.

Schilddrüsenautonomie

Eine weitere häufige Ursache der Hyperthyreose ist die Schilddrüsenautonomie. Dabei produziert die Schilddrüse unabhängig von TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon) vermehrt Hormone. Diese autonome Hormonproduktion ist häufig die Folge eines Jodmangels oder einer Überfunktion von Knoten in der Schilddrüse, dem sogenannten autonomen Adenomen.

  • Autonome Knoten: Diese Knoten entziehen sich der Regulation durch das Hypophysen-Schilddrüsen-System und produzieren eigenständig Hormone.
  • Multinoduläre Struma: Eine vergrößerte Schilddrüse mit mehreren Knoten kann ebenfalls zur Schilddrüsenautonomie führen und somit eine unabhängige Hormonproduktion fördern.
  • Symptome: Wie bei der Basedow-Erkrankung zeigen sich ähnliche Symptome, jedoch tritt die Autonomie eher bei älteren Menschen auf und entwickelt sich langsamer.

Jodinduzierte Hyperthyreose

Die jodinduzierte Hyperthyreose (auch Jod-Basedow-Phänomen) entsteht nach einer plötzlichen Erhöhung der Jodzufuhr, z. B. nach der Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln, Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln. Dies kann bei Patienten mit bereits bestehender Schilddrüsenautonomie eine Hyperthyreose auslösen.

  • Jodüberschuss: Übermäßige Zufuhr von Jod stimuliert die Hormonproduktion, da die Schilddrüse bei vorher bestehender Autonomie zu stark reagiert und vermehrt Schilddrüsenhormone produziert.
  • Risikopatienten: Personen mit einem vorbestehenden Kropf (Struma) oder autonomen Knoten sind besonders anfällig für jodinduzierte Hyperthyreose.

Weitere Ursachen

  • Thyreoiditis (Schilddrüsenentzündungen): Entzündungen der Schilddrüse können ebenfalls eine vorübergehende Hyperthyreose verursachen, da die Hormonfreisetzung aus zerstörten Follikeln erhöht ist.
  • Exogene Hyperthyreose: Durch die übermäßige Zufuhr von Schilddrüsenhormonen (z. B. durch Medikamente) kann eine exogene Form der Hyperthyreose entstehen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Hyperthyreose kann durch verschiedene Mechanismen entstehen, darunter Autoimmunerkrankungen wie Morbus Basedow, Schilddrüsenautonomie, Jodexposition oder entzündliche Prozesse. Die häufigste Ursache ist der Morbus Basedow, bei dem TSH-Rezeptor-Antikörper die Hormonproduktion in der Schilddrüse dauerhaft stimulieren. Jodinduzierte Hyperthyreose tritt meist nach plötzlicher Zufuhr großer Jodmengen auf. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um die Stoffwechselüberaktivität zu regulieren und Langzeitschäden zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – Genmutationen wie
    • Morbus Basedow (Immunhyperthyreose; Autoimmunerkrankung der Schilddrüse)
    • McCune-Albright-Syndrom (MAS)  zählt zu den neurokutanen Syndromen; klinische Trias: fibröse Knochendysplasie (FD), Café-au-lait-Flecken (CALF)  der Haut (hellbraune, gleichmäßige Hautflecken unterschiedlicher Größe) und Pubertas praecox (PP; vorzeitiges Einsetzen der Pubertät); später Endokrinopathien mit Überfunktion auftretend, z. B. Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) und vermehrte Ausschüttung von Wachstumshormon, Cushing-Syndrom und renaler Phosphatverlust
  • Hormonelle Faktoren – Hormonresistenz: der Körper spricht nicht auf die Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) an

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mit Schilddrüsenhormon kontaminierte Nahrungsmittel
  • Genussmittelkonsum 
    • Tabak (Rauchen) 
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress 

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Autoimmunthyreoiditis (AIT; Hashimoto-Thyreoiditis) – Autoimmunerkrankung der Schilddrüse; anfangs mit vermehrter Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen, später mit schleichendem Übergang zur Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Hyperthyreose mit erniedrigtem oder fehlendem Uptake im Schilddrüsen-Szintigramm
  • Hyperthyreosis factitia – Überdosierung von Schilddrüsenhormonen
  • Hypophysäre Hormonresistenz – Hirnanhangdrüse-bedingte Hormonresistenz
  • Marine-Lenhart-Syndrom – gleichzeitige Auftreten einer Knotenstruma mit oder ohne Autonomie und einer immunogenen Hyperthyreose (Morbus Basedow) bezeichnet
  • Post-Partum-Thyreoiditis (postpartale Thyreoiditis) – Schilddrüsenentzündung nach einer Geburt
  • Postradiogene Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion nach einer Strahlentherapie
  • Schmerzlose Form der subakuten Thyreoiditis ("silent thyreoiditis")
  • Schwangerschaftshyperthyreose / Gestationshyperthyreose 
  • Struma mit Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion):
    • Anfangsstadium einer Thyreoiditis (mit transienter hyperthyreoter Phase)
    • autonomes (unabhängiges) Schilddrüsenadenom / Schilddrüsenautonomie (unifokal, multifokal, disseminiert, unifokal mit disseminierten Anteilen)
    • Morbus Basedow (Immunhyperthyreose; Autoimmunerkrankung der Schilddrüse; 95 % aller Hyperthyreosen)
  • Thyreoiditis de Quervain (subakute granulomatöse Thyreoiditis) ‒ relativ seltene Form der Schilddrüsenentzündung, die oft nach einem Atemwegsinfekt auftritt; circa fünf Prozent aller Thyreoiditiden

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Elephantiasis – massive teigige Schwellungen von Körperteilen (z. B. Beine) durch die chronische Stauung von Lymphflüssigkeit

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Phäochromozytom – Tumor des Nebennierenmarks, der Katecholamine produziert (Noradrenalin, Adrenalin und Metanephrine)
  • Schilddrüsenhormon produzierende Karzinommetastasen
  • TSHom der Hypophyse  (TSH-produzierendes Hypophysenadenom)
  • Struma ovarii (= Teratom des Ovars/Eierstock mit Schilddrüsengewebe) (Nachweis im Jod-Szintigramm)
  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH) produzierendes Adenom

Medikamente

  • Amiodaron (jodhaltiges Antiarrhythmikum; Mittel gegen Herzrhythmusstörungen) –  in 40 % der Fälle kommt es unter einer Amiodaron-Therapie zu einer therapieresistenten Schilddrüsendysfunktion (Schilddrüsenfunktionsstörung); diese wird durch den hohen Jodgehalt bzw. immun bedingte zytotoxische Effekte verursacht. Man unterscheidet zwei Typen der Amiodaron-induzierten Hyperthyreose (AIH):
    • AIH Typ I (durch Jodexzess induzierte Thyreotoxikose (krisenhafte Verschlimmerung einer Schilddrüsenüberfunktion) bei vorbestehender Schilddrüsenerkrankung)
    • AIH Typ II (durch Amiodaron getriggerte inflammatorisch-destruierende/entzündlich-zerstörende Einwirkung auf die Schilddrüse mit gesteigerter Schilddrüsenhormonfreisetzung)
  • Hormone
    • Überdosierte Schilddrüsenhormontherapie
  • Interferon-α
  • Interleukin-2, Tyrosinkinase-Inhibitor
  • Lithium
  • Jodhaltige Kontrastmittel
    Beachte: Bei manifester Hyperthyreose kontraindiziert (absolute Vermeidung); bei latenter (subklinischer) Hyperthyreose Einsatz von jodhaltigen Kontrastmitteln nur unter thyreostatischem Schutz (Perchlorat und Thiamazol kurz vor der Untersuchung und 2 Wochen danach, sodass keine Jodaufnahme mehr durch die Schilddrüse möglich ist)
  • Jodüberschuss (50-60 % der Hyperthyreosen im Alter sind Jod-induziert)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Mit Schilddrüsenhormon kontaminierte Nahrungsmittel

Weitere Ursachen

  • Schwangerschaft (→ Schwangerschaftshyperthyreose (HCG-induzierte Hyperthyreose); DD: immunogene Hyperthyreose, autonomes Adenom mit manifester Hyperthyreose)
  • Strahlenthyreoiditis – Schilddrüsenentzündung (Thyreoiditis) infolge einer Strahlentherapie im Halsbereic