Porphyrien – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Häm ist Bestandteil des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff) in den Erythrozyten (rote Blutkörperchen), des Myoglobins (roter Muskelfarbstoff) und der Cytochrome (Enzyme, die u. a. von Bedeutung für den Abbau von Medikamenten sind). Es besteht aus einem Porphyrin in dessen Mittel sich ein Eisen-Ion befindet.

Die Bildung des Häms findet zum Großteil im Knochenmark und zu einem kleinen Teil in der Leber statt. Am Aufbau des Häm sind acht Enzyme beteiligt. Im Rahmen einer Porphyrie liegt ein Enzymdefekt vor, wodurch das Häm nicht wie regulär gebildet werden kann. Stattdessen kommt es zu einer Anreicherung von Zwischenprodukten der Häm-Biosynthese (Häm-Vorstufen wie Porphobilinogen (PBG) und Delta-Aminolävulinsäure (ALA)) in den Organen, vor allem in der Haut und in der Leber. Welche Organe dadurch in ihrer Funktion beeinträchtigt werden, ist davon abhängig, welches der acht Enzyme defekt ist. Die Porphyrine werden nicht nur eingelagert, sondern auch über den Stuhl und Urin ausgeschieden. Ein orange- oder rotgefärbter Urin ist daher ein Zeichen für einige Formen der Porphyrie.

Häm-Biosynthese mit den entsprechenden Enzymen und der in Beziehung stehender Porphyrie [2]

Schritt  Stoffname am Reaktionsschritt beteiligtes Enzym Assoziierte Porphyrie
  Succinyl-CoA und Glycin (= Ausgangsstoffe)    
1 ALA-Synthase X-chromosomale-Protoporphyrie
  5-Aminolävulinsäure (ALA)    
2 ↓  ALA-Dehydratase ALA-Dehydratase-Defizienz-Porphyrie
  Porphobilinogen    
3 ↓  Porphobilinogen-Desaminase Akute intermittierende Porphyrie
  Hydroxymethylbilan    
4 ↓  Uroporphyrinogen-Synthase Kongenitale erythropoetische Porphyrie
  Uroporphyrinogen III    
5 ↓  Uroporphyrinogen-Decarboxylase Porphyria cutanea tarda
  Koproporphyrinogen III    
6 ↓  Koproporphyrinogen-Oxidase Hereditäre Koproporphyrie
  Protoporphyrinogen IX    
7 ↓  Protoporphyrinogen-Oxidase Porphyria variegata
  Protoporphyrin IX    
8 ↓  Ferrochelatase Protoporphyrie
  Häm    

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern – Primäre Porphyrien entstehen durch eine Genmutation. Diese kann weiter vererbt werden, überspringt dabei auch Generationenakuten Porphyrien umfassen die drei auf autosomal-dominanten Gendefekten mit niedriger Penetranz beruhenden Stoffwechselstörungen: akute intermittierende Porphyrie, Porphyria variegata (hepatische Porphyrie, die durch einen Mangel der Protoporphyrinogen-Oxidase (PPOX) entsteht), hereditäre Koproporphyrie sowie die sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie (Doss-Porphyrie).
    • Bei der akuten intermittierenden Porphyrie (AIP) ist das Enzym Porphobilinogen-Desaminase defekt (3. Enzym in der Häm-Biosynthese; Mutation auf Chromosom 11).
    • Bei der Porphyria cutanea tarda (PCT) ist das Enzym Uroporphyrinogen-III-Decarboxalyse defekt (5. Enzym in der Häm-Biosynthese). Diese Form kann heterozygot, das heißt der Gendefekt liegt auf einem der beiden paarigen Chromosomen, oder homozygot, das heißt der Gendefekt liegt auf beiden Chromosomen, weitergegeben werden.
    • Bei der erythropoetischen Porphyrie (EPP) ist das letzte Enzym der Häm-Biosynthese defekt. Hier erfolgt normalerweise der Einbau des Eisen-Ions.
  • Hormonelle Veränderungen (insb. Gestagene) – Menstruation (in der zweiten Phase des Zyklus/Lutealphase), Gravidität (in den ersten Wochen einer Schwangerschaft oder direkt nach der Geburt) [akute Porphyrien]

Primäre Porphyrien

Eine Attacke/Schub im Rahmen akuter Porphyrien kann durch folgende Faktoren (Trigger) ausgelöst werden:

Verhaltensbedingte Auslöser

  • Ernährung
    • Kohlenhydratmangel durch (Crash-)Diäten und Fastenkuren
    • Hungerzustände – auf regelmäßiges Essen muss geachtet werden
  • Genussmittel
    • Alkohol
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress

Krankheitsbedingte Auslöser

  • Infektionen

Operationen

Medikamente (Triggermedikamente) – Porphyrie-Kompetenzzentren geben Auskunft über die Verträglichkeit bzw. Eignung von Medikamenten [1]

  • Antikonvulsiva (Antiepileptika)
  • Barbiturate (Gruppe von Arzneistoffen mit sedierender/beruhigender, hypnotischer/einschlafender und narkotischer/betäubender Wirkung)
  • Hormone (hormonelle Kontrazeptiva/Antibabypille, Progesteron u. a.)
  • Hydantoine (Antiepileptika)
  • Sulfonamid-Antibiotika
  • Wirkstoffe, die die Enzyme des Cytochroms-P-450 induzieren
  • u. v. m.

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Organische Lösungsmittel, wie sie in Malerbetrieben und in der Trockenreinigung vorkommen

Eine Attacke/Schub im Rahmen kutaner Porphyrien kann durch folgende Faktoren ausgelöst werden:

Verhaltensbedingte Auslöser

  • Genussmittel
    • Alkohol
  • (Sonnen-)Lichtexposition – das Auftragen von Sonnenmilch nützt nicht, da die schädigenden Wellenlängen im sichtbaren Bereich des Lichts liegen und Sonnencreme nur eine Schutzwirkung im UV-Bereich hat; auch Textilien mit UV-Schutzfaktor und Schutzfolien helfen nicht

Sekundäre Porphyrien

Koproporphyrien

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Hungerzustände – auf regelmäßiges Essen muss geachtet werden

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Bilirubintransportstörungen
  • Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
  • Infektionen
  • Lebererkrankungen
  • Leukämien

Umweltbelastung – Intoxikationen

  • Toxische Chemikalien (hepatotoxisch/leberschädigend)

Protoporphyrinämien

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittel
    • Alkohol (leberschädigend)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Hämolytische Anämien

Umweltbelastung – Intoxikationen

  • Bleivergiftung

Literatur

  1. Epnet: European Porphyria Network
  2. Bissell DM, Anderson KE, Bonkovsky HL (2017): Porphyria. N Engl J Med 377 (9): 862-872. doi: 10.1056/NEJMra1608634.