Porphyrien – Einleitung
Porphyrien stellen eine Gruppe von seltenen Stoffwechselerkrankungen des Porphyrin-Häm-Synthesewegs dar, bei denen die Bildung des roten Blutfarbstoffs Häm aufgrund eines Enzymdefektes gestört ist. Durch den Enzymdefekt kommt es zu einer Anreicherung von Zwischenprodukten der Häm-Biosynthese, die sich in den Organen ablagern. Welche Organe betroffen sind, hängt vom spezifischen Enzymdefekt ab.
Synonyme und ICD-10: Porphyria; Erythropoetische Porphyrie; Kongenitale erythropoetische Porphyrie; Porphyria cutanea tarda; Hepatoerythropoetische Porphyrie; Akute intermittierende Porphyrie; Porphyria variegata; Hereditäre Koproporphyrie; Doss-Porphyrie; δ-ALS-Defizienz-Porphyrie; ALAD-Mangel-Porphyrie; ICD-10-GM E80.-: Störungen des Porphyrin- und Bilirubinstoffwechsels
Charakteristische Laborbefunde
- Erhöhte Konzentration von Porphyrinen und deren Vorläufern im Urin
- δ-Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG): Diese Vorstufen des Häms sind besonders bei akuten hepatischen Porphyrien wie der akuten intermittierenden Porphyrie (AIP) und der Porphyria variegata (PV) erhöht.
- Uroporphyrin: Besonders erhöht bei der Porphyria cutanea tarda (PCT) und bei der hepatoerythropoetischen Porphyrie (HEP).
- Koproporphyrin: Typisch erhöht bei der hereditären Koproporphyrie (HCP) und bei sekundären Porphyrien, oft nach Einnahme von porphyrinogenen Substanzen.
- Protoporphyrin: Erhöht bei erythropoetischen Porphyrien wie der erythropoetischen Protoporphyrie (EPP).
- Erhöhte Porphyrine im Plasma
- Protoporphyrin und/oder Koproporphyrin: Nachweis im Plasma, typisch bei kutanen Porphyrien wie der EPP und CEP.
- Erhöhte Porphyrine in Stuhlproben
- Koproporphyrin und Protoporphyrin: Typisch bei hepatischen Porphyrien (z. B. HCP und PV) sowie bei der PCT.
- Verminderte Enzymaktivität
- Uroporphyrinogen-Decarboxylase (UROD): Stark vermindert bei der PCT.
- Porphobilinogen-Desaminase (PBG-D): Erniedrigt bei der AIP.
- Genetische Tests
- Mutationsnachweis: Bestätigung spezifischer Mutationen in den Genen, die die betroffenen Enzyme kodieren, z. B. HMBS-Mutation bei AIP, UROD-Mutation bei PCT.
Die Diagnose einer Porphyrie erfordert eine sorgfältige Analyse der spezifischen Laborbefunde, einschließlich der Quantifizierung der verschiedenen Porphyrine und deren Vorstufen in Urin, Plasma und Stuhl sowie die Messung der Aktivität der beteiligten Enzyme. Die Bestätigung erfolgt oft durch genetische Tests.
Formen der Porphyrien
Porphyrien können nach ihrer Ursache in primäre (genetisch bedingte) und sekundäre (erworbene) Porphyrien unterteilt werden:
Primäre Porphyrien
- Akute intermittierende Porphyrie (AIP): Häufigste akute Form; autosomal-dominant; 6 Fälle/1 Mio. Einwohner. ICD-10-GM E80.2
- Porphyria variegata (PV): Autosomal-dominant; 3 Fälle/1 Mio. Einwohner. ICD-10-GM E80.2
- Hereditäre Koproporphyrie (HCP): Autosomal-dominant; 1 Fall/1 Mio. Einwohner. ICD-10-GM E80.2
- Doss-Porphyrie (δ-ALA-Defizienz-Porphyrie/ALAD-Mangel-Porphyrie): Autosomal-rezessiv; sehr selten. ICD-10-GM E80.2
- Porphyria cutanea tarda (PCT): Häufigste Form; autosomal-dominant oder erworben. ICD-10-GM E80.1
- Unterform: Hepatoerythropoetische Porphyrie (HEP); autosomal-rezessiv, schwere Verlaufsform. ICD-10-GM E80.2
- Kongenitale erythropoetische Porphyrie (CEP) (Synonym: Morbus Günther): Autosomal-rezessiv. ICD-10-GM E80.0
- Erythropoetische Protoporphyrie (EPP): Autosomal-dominant. ICD-10-GM E80.0
Sekundäre Porphyrien
- Koproporphyrien (erworben)
- Protoporphyrinämien (erworben)
Die erblichen (primären) Porphyrien können mehrere Generationen überspringen.
Einteilung nach Ansammlung der Porphyrine
- Hepatische Porphyrien (häufig): Porphyrine sammeln sich hauptsächlich in der Leber an
- Porphyria cutanea tarda (PCT)
- Hepatoerythropoetische Porphyrie (HEP)
- Akute hepatische Porphyrie (AHP): Hochregulation der δ-Aminolävulinsäure-1-Synthase (ALAS1) führt zur Akkumulation von δ-Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen.
- Akute intermittierende Porphyrie (AIP)
- Porphyria variegata (PV)
- Hereditäre Koproporphyrie (HCP)
- Doss-Porphyrie (δ-ALA-Defizienz-Porphyrie/ALAD-Mangel-Porphyrie)
- Erythropoetische Porphyrien (selten): Porphyrine sammeln sich hauptsächlich im Knochenmark an
- Erythropoetische Protoporphyrie (EPP)
- Kongenitale erythropoetische Porphyrie (CEP) (Morbus Günther)
Weiteres zur Einteilung der Porphyrien siehe unter "Klassifikation".
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis
- Akute intermittierende Porphyrie: Männer zu Frauen beträgt 1:2-3.
- Porphyria cutanea tarda: Männer zu Frauen beträgt 2:1.
Häufigkeitsgipfel
- Akute intermittierende Porphyrie: Tritt vorwiegend zwischen dem 2. und 4. Lebensjahrzehnt auf.
- Porphyria cutanea tarda: Tritt vorwiegend ab dem 4. Lebensjahrzehnt auf.
- Erythropoetische Porphyrie: Tritt im Kindesalter auf.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)
- Porphyria cutanea tarda: 1:2.000 bis 1:5.000.
- Akute intermittierende Porphyrie: 5,9 Erkrankungen pro 1.000.000.
- Kongenitale erythropoetische Porphyrie: 1:2.000.000.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)
- Akute intermittierende Porphyrie: Ca. 0,13 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr (in Europa).
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Akute Porphyrien: Treten in Episoden auf und werden durch verschiedene Trigger wie sichtbares und UV-Licht, porphyrinogene Medikamente (z. B. Barbiturate, Diazepam, Metamizol), Fasten, Alkohol oder Hormone ausgelöst. Sie manifestieren sich vor allem durch abdominale Schmerzen und neurologische Symptome. Bei nicht akuten Formen ist hauptsächlich die Haut betroffen. Eine kutane Ablagerung von Porphyrinen geht dabei mit einer erhöhten Photosensitivität einher.
- Schubweiser Verlauf: Typisch sind symptomlose Phasen, die sich mit akuten Schüben abwechseln, die ein bis zwei Wochen andauern können.
- Schweregrad: Variiert je nach Form und betroffenen Enzym. Bei akuten Formen erholen sich die Betroffenen in der Regel gut von einem Schub. Die meisten Erkrankten können ein relativ normales Leben führen. Kutane Formen können jedoch mit Leberschäden einhergehen.
Prognose
- Akute Formen: Die meisten Betroffenen erholen sich gut von Schüben. Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind notwendig.
- Kutane Formen: Regelmäßige Kontrollen zur Überwachung möglicher Leberschäden sind erforderlich. Schwere, rezidivierende Attacken erhöhen das Risiko für Nierenschäden und bleibende neurologische Beeinträchtigungen.
- Genetische Porphyrien: Es existiert keine kausale Therapie. Die Behandlung ist symptomatisch und richtet sich nach der Schwere und Art der Symptome.
- Diagnoseverzögerung: Aufgrund unspezifischer Symptome werden Porphyrien oft nicht erkannt, was zu falschen Diagnosen und Behandlungen führen kann. Bei Verdacht auf eine Porphyrie sollte der Betroffene an ein Porphyrie-Kompetenzzentrum (www.epp-deutschland.de) verwiesen werden.