Natriummangel (Hyponatriämie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Eine Hyponatriämie geht fast immer auch mit einer Störung der Vasopressin-Sekretion einher.

Vasopressin (Synonyme: antidiuretisches Hormon (ADH), Adiuretin) ist ein Peptidhormon, welches im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns)  produziert und über die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) ausgeschüttet wird.

Störungen im Natriumshaushalt sind Störungen des Wasserhaushalts.

Folgende Faktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Regelung des Natrium- und Wasserhaushalts:

  • Durst,
  • Wasserzufuhr
  • die über das antidiuretische Hormon (ADH, Vasopressin) regulierte Wasserausscheidung der Nieren

Formen der Hyponatriämie:

  • Hypertone Hyponatriämie: bei erhöhter Konzentration sonstiger osmotisch effektiver Substanzen, meist Glucose. Die osmotische Lücke ist größer als 10 mosmol/L
  • Hyponatriämie bei Polydipsie (übermäßiger Durst)
  • Hyponatriämie bei Euvolämie/Normovolämie (Gesamtkörpernatrium im Normbereich) [häufigste Form]
    • Urin-Na+ > 30 mmol/L 
      • Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) (Synonym: Schwartz-Bartter-Syndrom) –  es besteht in Bezug auf die Blutplasma-Osmolalität eine unangemessene hohe Ausschüttung von Antidiuretischem Hormon (ADH; Synonyme: Vasopressin, Adiuretin)/ADH-Exzess; dieses führt zu einer zu geringen Flüssigkeitsausscheidung über die Nieren mit der Entstehung eines hochkonzentrierten Urins; die Folge ist eine Hyperhydratation (Überwässerung) mit Verdünnungshyponatriämie ("Verdünnungs-Natriummangel"), die zu einem Hirnödem (Hirnschwellung) führen kann.
        Ätiologie (Ursachen): in ca. 80 % der Fälle paraneoplastisch bei Patienten mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom; weitere mögliche Ursachen sind:
        • Neurologische Erkrankungen/Erkrankungen des ZNS (zentralen Nervensystem): intrakranielle Blutung (Blutung innerhalb des Schädels; parenchymatöse, subarachnoidale, sub- und epidurale sowie supra- und infratentorielle Blutungen)/intrazerebrale Blutung (ICB; Hirnblutung), Hirntumoren, Guillain-Barré-Syndrom, Infektionen, Meningitis (Hirnhautentzündung), Enzephalitis (Gehirnentzündung), multiple Sklerose (MS), Alkoholentzugssyndrom, akute intermittierende Porphyrie; infektiöse Erkrankungen (z. B. AIDS, Malaria)
        • Pulmonale Erkrankungen (Lungenerkrankungen): Pneumonie (Lungenentzündung/insb. Legionellenpneumonie (Lungenentzündung durch den Erreger Legionella pneumophilia)), Bronchialkarzinom (kleinzellig und nicht kleinzellig), Emphysem (Lungenüberblähung), chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Tuberkulose, Aspergillose, Asthma bronchiale, Zystische Fibrose (Mukoviszidose); Ateminsuffizienz (Form des Versagens der Atmung mit einer Störung des Gasaustausches)
        • Maligne (bösartige) Erkrankungen: Karzinome (Lunge, HNO-Bereich, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt (Magen-Darm-Trakt und Harn- und Geschlechtsapparat), Lymphome, Neuroblastom, Sarkome
        • Medikamente: Antidepressiva, Antiepileptika, Antikonvulsiva, Antipsychotika, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Opioide
        • Diverses: Mutationen des Vasopressin-2-Rezeptors, Riesenzellarteriitis, idiopathisch; vorübergehend: Anstrengung assoziiert, Erbrechen, Narkose assoziiert, Schmerz, Stress
        Symptome: Nausea (Übelkeit), Appetitlosigkeit, Cephalgie (Kopfschmerzen) gestellt
    • Hyperkortizismus – Überfunktion der Nebennierenrinde mit Überproduktion von Glukokortikoiden
    • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
    • Wasserintoxikation (Wasserhydratation; Überwässerung): dabei ist die Osmolarität im Urin kleiner als im Serum 
    • Primäre Polydipsie (übermäßiger Durst; „psychogene Polydipsie“) 
      • Exzessive Zufuhr hypotoner Lösungen
      • nach transurethraler Resektion der Prostata (TURP)
    • Sekundäre Nebenniereninsuffizienz (Nebennierenschwäche)
    • Sportliche Extrembelastungen
  • Urin-Na+ < 30 mmol/L
    • Wie unter den zuvor genannten Ursachen bei gleichzeitig bestehender geringer Salzzufuhr
  • Hyponatriämie bei Hypovolämie (Verminderung der zirkulierenden, d. h. sich im Blutkreislauf befindenden Menge Blut)
    • Urin-Na+ > 30 mmol/L
      • Morbus Addison (Nebennierenrindeninsuffizienz)
      • Salzverlustniere
      • Zerebrales Salzverlust-Syndrom  (z. B. post SAB (Subarachnoidalblutung))
      • Diuretika (entwässernde Medikamente) (Schleifendiuretika)
    • Urin-Na+ < 30 mmol/L
      Perspiratio insensibilis, Verbrennungen/Brandwunden
      • Gastrointestinal: Erbrechen, Diarrhöen (Durchfälle)
      • Pankreatitis
  • Hyponatriämie bei Hypervolämie (Erhöhung des Volumens des zirkulierenden, d. h. sich im Blutkreislauf befindlichen Blutes)
    • Urin-Na+ > 30 mmol/L
      • Chronische Niereninsuffizienz – Prozess, der zu einer langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion führt
    • Urin-Na+ < 30 mmol/L
      • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
      • Leberzirrhose (irreversible (nicht umkehrbare) Schädigung der Leber, die mit einem ausgeprägten Umbau des Lebergewebes einhergeht) mit Aszites (Bauchwassersucht) (Leberinsuffizienz)
      • Nephrotisches Syndrom ‒ Sammelbegriff für Symptome, die bei verschiedenen Erkrankungen des Glomerulums (Nierenkörperchen) auftreten; die Symptome sind Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) mit einem Proteinverlust; Hypoproteinämie, periphere Ödeme (Wassereinlagerungen) durch eine Hypoalbuminämie (erniedrigter Gehalt an Albumin im Blut), Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)

Während die intrazelluläre ("innerhalb der Zellen") Natriumkonzentration durch die Na+/K+-ATPase kontrolliert wird, erfolgt die Regulation der Natriumkonzentration des Extrazellulärraumes (Raum außerhalb der Zellen) über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und das atriale natriuretische Peptid (ANP). Details dazu siehe unter Kochsalz/Regulation der Natriumhomöostase.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Vermehrte Flüssigkeitszufuhr (Wasserintoxikation) – Übermäßiges Trinken von Wasser ohne ausreichende Zufuhr von Elektrolyten kann eine Hyponatriämie auslösen.
    • Unzureichende Aufnahme von Natrium und Kochsalz – Niedrige Natriumzufuhr in der Ernährung kann zu einem Natriumdefizit führen, insbesondere bei gleichzeitigem Flüssigkeitsverlust (z. B. durch Schwitzen).
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Ein Natriummangel beeinträchtigt die Regulation des Wasserhaushalts und erhöht das Risiko einer Hyponatriämie.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
      • Bier-Potomanie – Besonders ältere Menschen mit lang anhaltender Mangelernährung und übermäßigem Bierkonsum (> 5 Liter/Tag) entwickeln häufig eine Hyponatriämie.
      • Prävalenz bei alkoholinduzierten Hyponatriämien
        • 4,5 % der Patienten mit Hyponatriämie hatten Natriumwerte unter 135 mmol/l.
        • 1,3 % der Patienten zeigten eine schwere Hyponatriämie mit Werten unter 125 mmol/l.
        • Der niedrigste dokumentierte Wert betrug 104 mmol/l [1].
  • Drogenkonsum
    • Ecstasy (auch XTC, Molly u. a.) – Methylendioxymethylamphetamin (MDMA); Dosierung im Mittel 80 mg (1-700 mg); gehört strukturell zur Gruppe der Amphetamine 

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Hyperkortizismus (Morbus Cushing: Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Nebennierenrindeninsuffizienz (NNR-Insuffizienz; Nebennierenrindenschwäche)
  • Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH; es besteht in Bezug auf die Blutplasma-Osmolalität eine unangemessen hohe Ausschüttung von Antidiuretischem Hormon (ADH); dies führt zu einer zu geringen Flüssigkeitsausscheidung über die Nieren mit Entstehung eines unzureichend verdünnten Urins); Auftreten bei Hirnblutungen, Hirntumor, Meningitis (Hirnhautentzündung), Enzephalitis (Gehirnentzündung), Tuberkulose, Pneumonie (Lungenentzündung), Karzinomen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Diarrhoe (Durchfall)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Leberzirrhose (irreversible Schädigung der Leber, die mit einem ausgeprägten Umbau des Lebergewebes einhergeht) mit Aszites (Bauchwassersucht)
  • Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Ileus (Darmverschluss)
  • Peritonitis (Bauchfellentzündung)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht)
  • Meningitis (Hirnhautentzündung)
  • Zerebrales Salzverlust-Syndrom

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Erbrechen
  • Diarrhoe (Durchfall)
  • Polydipsie (übermäßiger Durst)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chronische Niereninsuffizienz (langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion)
  • Nephrotisches Syndrom ‒ Sammelbegriff für Symptome, die bei verschiedenen Erkrankungen des Glomerulums (Nierenkörperchen) auftreten; die Symptome sind Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) mit einem Proteinverlust; Hypoproteinämie, periphere Ödeme (Wassereinlagerungen) durch eine Hypoalbuminämie (erniedrigter Gehalt an Albumin im Blut), Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)
  • Salzverlustniere

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Muskeltraumata
  • Verbrennungen

Operationen

  • Transurethrale Resektion der Prostata (TURP; Entfernung der Prostata durch die Harnröhre)

Weitere Ursachen

  • Iatrogen (hypotone Infusion oder Spülungen; Dialyse, parenterale Therapie)
  • Vermehrte Flüssigkeitszufuhr (Wasserintoxikation)

Medikamente

  • ACE-Hemmer4
  • Analgetika
    • nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)3, auch nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAP) oder NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drugs) genannt
  • Antidepressiva [1]
    • Gruppe der noradrenergen und spezifisch serotonergen Antidepressiva (NaSSA) – Mirtazapin [mäßiges Risiko]
    • Selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) – Venlafaxin [hohes Risiko]
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer1 (SSRI = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) – Citalopram, Escitalopram, Fluvoxamin, Fluoxetin, Paroxetin, Sertarlin [hohes Risiko]
    • Trizyklischen Antidepressiva (TCA) – Amitriptylin4 [mäßiges Risiko]
  • Antikonvulsiva (Carbamazepin1, Gabapentin, Lamotrigin, Topiramat)
  • Antimalariamittel (Atovaquon)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Haloperidol4
  • Diuretika
    • Thiaziddiuretika (Hydrochlorothiazid (HCT), Benzthiazid, Clopamid, Chlortalidon (CTDN), Chlorothiazid, Hydroflumethiazid, Indapamid, Methyclothiazid, Metolazon, Polythiazid und Trichlormethiazid, Xipamid)
  • Drogen
    • Ecstasy4
    • Opiate1
  • Fibrate (Clofibrat
  • Füll-/Quellmittel (Flohsamen, Leinsamen) [bei längerem Gebrauch]
  • Hormone
    • Desmopressin2
    • Oxytocin2
    • Vasopressin2
  • Infusionen
    • physiologisch hypotone Lösungen
    • glucosehaltige Flüssigkeiten
  • Sulfonylharnstoff (Glibenclamid Glibenclamid,  Glibornurid,  Gliclazid, Glipizid, Gliquidon, Glisoxepid, Glycodiazin (Redul) Sulfonylharnstoffe der dritten Generation: Glimepirid (Amaryl) )
  • Zytostatika3 (Cyclophosphamid, Platin-Verbindungen, Vinca-Alkaloide)

1 Arzneimittel, die die Freisetzung von antidiuretischen Hormon (ADH) stimulieren
2 Arzneimittel, die exogen ADH zuführen
3 Arzneimittel, die die Wirkung von ADH potenzieren können
4 Arzneimittel, die zu einer Hyponatriämie unklarer Genese führen können

Hinweis: Beim Syndrom des inadäquaten antidiuretischen Hormons (SIADH) ist die ADH-Ausschüttung ohne adäquaten Reiz erhöht.

Literatur

  1. De Picker L et al.: Antidepressants and the Risk of Hyponatraemia: A class-by-class review of the literature. Published Online: April 21, 2014 doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.psym.2014.01.010
  2. Ouellette L et al.: Beer potomania: Atypical cause of severe hyponatremia in older alcoholics. AJEM 2 November 2017 https://doi.org/10.1016/j.ajem.2017.10.065