Morbus Cushing – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Cushing-Syndrom ist charakterisiert durch einen Hyperkortisolismus (erhöhte Cortisolkonzentration im Blut), der auf endogene oder exogene Ursachen zurückgeführt werden kann.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Endogenes Cushing-Syndrom

  1. ACTH-abhängiges Cushing-Syndrom
    • Zentrales Cushing-Syndrom (Morbus Cushing): Ein Hypophysenadenom (gutartiger Tumor im Vorderlappen der Hirnanhangdrüse) verursacht eine überschüssige ACTH-Produktion, was die Nebennieren zur erhöhten Cortisolproduktion stimuliert. Etwa 65-70 % der Fälle fallen unter diese Kategorie.
    • Ektope ACTH-Sekretion: ACTH wird außerhalb der Hypophyse produziert, oft im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms, wobei häufig ein Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) oder andere maligne Tumoren ACTH sezernieren. Diese Form betrifft etwa 15-20 % der Fälle.
    • Ektope CRH-Sekretion: Äußerst selten führt die Produktion von CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) außerhalb des Hypothalamus zu einem Cushing-Syndrom.
  2. ACTH-unabhängiges Cushing-Syndrom
    • Adrenales Cushing-Syndrom: Tumore in der Nebennierenrinde (meist Adenome, selten Karzinome) führen zu einer autonomen Cortisolüberproduktion, die unabhängig von der ACTH-Stimulation erfolgt. Diese Form macht etwa 15 % aller endogenen Cushing-Fälle aus.
    • Primäre bilaterale Nebennierenrinden-Hyperplasie:
      • Mikronoduläre Hyperplasie: Gekennzeichnet durch kleine pigmentierte Knoten in der Nebennierenrinde.
      • Makronoduläre Dys-/Hyperplasie: Große, nicht pigmentierte Knoten in der Nebennierenrinde, die zu autonomer Cortisolproduktion führen.

Exogenes Cushing-Syndrom (iatrogenes Cushing-Syndrom)

  • Häufigste Form des Cushing-Syndroms, ausgelöst durch die Langzeittherapie mit Glucocorticoiden wie Prednisolon. Der anhaltende externe Kortisonzufluss kann zu Symptomen eines Cushing-Syndroms führen, ohne dass die körpereigenen ACTH- und Cortisolregulationen beteiligt sind.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

Cortisolüberschuss und seine systemischen Wirkungen: Ein chronischer Überschuss an Cortisol beeinflusst diverse Gewebetypen und reguliert unterschiedliche physiologische Funktionen:

  • Störungen des Glukosestoffwechsels: Cortisol erhöht die Glukoneogenese (Neubildung von Zucker) und beeinträchtigt die Glukoseaufnahme in die Zellen, was zu Hyperglykämie (hohem Blutzuckerspiegel) und Insulinresistenz führen kann.
  • Proteinkatabolismus: Cortisol erhöht den Abbau von Proteinen, was Muskelschwäche und -abbau (Muskelatrophie) begünstigt.
  • Lipogenese und Fettverteilung: Der Cortisolüberschuss führt zu Fettablagerungen vor allem in der Bauchregion (viszerales Fett) sowie in Gesicht und Nacken, wodurch das typische „Vollmondgesicht“ und der „Stiernacken“ entstehen.
  • Mineralstoffwechsel und Blutdruck: Cortisol fördert die Natriumretention und Kaliumausscheidung, was zu Bluthochdruck führen kann. Durch die Aktivierung mineralcorticoidähnlicher Wirkungen wird die Natrium- und Wasserretention gesteigert.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Gesichtsveränderungen (Vollmondgesicht): Auffällige, runde Gesichtszüge durch Fettansammlungen.
  • Rumpfbetonte Fettverteilung (zentralisierte Adipositas): Vermehrte Fettablagerungen im Bauchbereich und Nacken (Stiernacken).
  • Striae rubrae (rote Dehnungsstreifen): Insbesondere am Bauch und an den Oberschenkeln sichtbar, verursacht durch den erhöhten Hautabbau und die erweiterte Hautstruktur.

Fortgeschrittene Symptome

  • Hyperglykämie: Erhöhte Blutzuckerspiegel durch Insulinresistenz (verringerte Antwort auf Insulin) und erhöhte Glukoseproduktion, was in einigen Fällen zu Diabetes mellitus Typ 2 führen kann.
  • Knochenschwund (Osteoporose): Cortisol verstärkt den Knochenabbau und hemmt die Knochendichte, was das Risiko für Frakturen erhöht.
  • Bluthochdruck (Hypertonie): Erhöhte Natrium- und Wasserretention führt zu anhaltendem Bluthochdruck.

Risikofaktoren für die Entwicklung des Cushing-Syndroms

  • Langzeittherapie mit Glucocorticoiden: Häufigster exogener Faktor durch die medizinische Einnahme von Cortisonpräparaten.
  • Hypophysenadenom: Gutartige Tumore der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), die eine übermäßige ACTH-Produktion auslösen.
  • Ektope Hormonproduktion: Vor allem durch bestimmte Karzinome, die außerhalb der Hypophyse ACTH oder CRH produzieren.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Das Cushing-Syndrom ist eine komplexe endokrinologische Erkrankung, die durch einen chronischen Cortisolüberschuss ausgelöst wird und in unterschiedlichen Formen auftreten kann. Die Auswirkungen auf den Stoffwechsel und die Elektrolytverteilung führen zu charakteristischen Erscheinungen und erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre, metabolische und osteologische Komplikationen. Eine genaue Differenzierung zwischen endogenen und exogenen Ursachen ist entscheidend für die Wahl der Therapie und den langfristigen Behandlungserfolg.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Chronischer Alkoholabusus/Alkoholmissbrauch → Hypercortisolismus → alkoholinduziertes Pseudo-Cushing-Syndrom

Krankheitsbedingte Ursachen

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Hypophysäre Adenome ‒ gutartige Neubildungen im Bereich der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)
  • Nebennierenadenom ‒ gutartige Neubildung der Nebenniere
  • Nebennierenkarzinom ‒ bösartige Neubildung der Nebenniere
  • Paraneoplastisch beim Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), Thymuskarzinoid, Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs), Bronchialadenom (zunächst gutartige Tumoren der Lunge oder Bronchien, die jedoch maligne entarten können)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Hypophysär-hypothalamische Dysfunktion ‒ Funktionsstörungen im Bereich der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)/Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns)

Medikamente

  • Langzeiteinnahme von Glucocorticoiden – zählen zu den Corticosteroiden, einer Klasse von Steroidhormonen aus der Nebennierenrinde. Die natürlich vorkommenden Glucocorticoide sind Derivate (Abkömmlinge) des Progesterons (Gelbkörperhormon). Zu diesen zählen Cortisol und Corticosteron, mit einem Anteil von 95 % beziehungsweise 5 %. Des Weiteren gibt es von den Glucocorticoiden abgeleitete, künstliche Corticoide mit glucocorticoider Wirkung
  • Langzeiteinnahme von ACTH (Adrenocorticotropes Hormon; Synonyme: Corticotropin, corticotropes Hormon, Kortikotropin, Adrenokortikotropin) – ein im Hypophysenvorderlappen (Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse) synthetisiertes, die Nebennierenrindenfunktion regulierendes Hormon, das die Produktion von Hormonen anregt, vor allem von Cortisol