Morbus Cushing – Einleitung

Das Cushing-Syndrom umfasst eine Gruppe von Erkrankungen, die durch einen chronischen Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; übermäßige Produktion und Freisetzung von Cortisol) gekennzeichnet sind. Der Hyperkortisolismus kann verschiedene Ursachen haben und führt zu einer Reihe klinischer Symptome, die durch den katabolen Effekt von Cortisol auf Gewebe und den gestörten Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel geprägt sind.

Thesaurussynonyma und ICD-10: ACTH [Adrenocorticotropes Hormon]-Hypersekretion der Hypophyse; ACTH [Adrenocorticotropes Hormon]-Überproduktion der Hypophyse; Adipositas osteoporotica endocrinica; Alkoholinduziertes Pseudo-Cushing-Syndrom; Apert-Cushing-Syndrom; Artifizielles Cushing-Syndrom; Arzneimittelinduziertes Cushing-Syndrom; Basophiler Hyperpituitarismus; Basophilismus; Cortico-adrenaler Basophilismus; Crooke-Apert-Gallais-Syndrom; Cushing-Basophilismus; Cushing-Krankheit; Cushing-Syndrom; Cushing-Syndrom durch ektopischen ACTH [Adrenocorticotropes Hormon]-bildenden Tumor; Dyskortizismus; Ektopisches ACTH [Adrenocorticotropes Hormon]-Syndrom; Extrahypophysäres ACTH [Adrenocorticotropes Hormon]-Syndrom; Hyperadrenokortizismus; Hyperkortizismus; Hypersuprarenalismus; Hypophysärer Basophilismus; Hypophysärer Hyperadrenokortizismus; Hypophysärer Hyperkortizismus; Hypophysäres Cushing-Syndrom; Iatrogenes Cushing-Syndrom; Idiopathisches Cushing-Syndrom; Kleinhirnbrückenwinkel-Syndrom; Kortikoadrenale Hypersekretion; Kortisolhypersekretion; Morbus Cushing; Morbus Icenko-Cushing; Myopathie bei Cushing-Syndrom; Myopathie bei Hyperadrenokortizismus; Nelson-Syndrom; Nelson-Tumor; Thymischer Basophilismus; ICD-10-GM E24.-: Cushing-Syndrom

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Cortisolwerte im Serum und Urin:
    • Erhöhte morgendliche und/oder abendliche Serumcortisolspiegel.
    • Erhöhte freie Cortisolspiegel im 24-Stunden-Sammelurin (> 50 µg/24 Stunden).
  • Erhöhter Mitternachts-Cortisolwert im Speichel:
    • Erhöhter Cortisolspiegel im Speichel zur Mitternacht, was auf den Verlust des diurnalen Cortisolrhythmus hinweist.
  • Dexamethason-Hemmtest:
    • Ausbleibende Suppression der Cortisolproduktion nach Dexamethason-Gabe (1 mg) am Abend vor der Blutentnahme.
  • Erhöhter ACTH-Spiegel (bei ACTH-abhängigem Cushing-Syndrom):
    • ACTH-Werte im Plasma können normal oder erhöht sein (über 20 pg/ml) bei zentralen und ektopen Formen des Cushing-Syndroms.
  • Erniedrigter ACTH-Spiegel (bei ACTH-unabhängigem Cushing-Syndrom):
    • Erniedrigte ACTH-Werte (< 5 pg/ml) bei Nebennierenadenomen oder -karzinomen.
  • Störungen im Glukosestoffwechsel:
    • Erhöhte Blutzuckerspiegel, Hyperglykämie (Überzuckerung), und möglicherweise Diabetes mellitus aufgrund der antiinsulinären Wirkung/tagezyklische Schwankungen von Cortisol.
  • Elektrolytstörungen:
    • Hypokaliämie (erniedrigter Kaliumspiegel) durch erhöhte Mineralkortikoidwirkung.
  • Osteoporosemarker:
    • Erhöhte Serumspiegel von Knochenabbaumarkern wie alkalische Phosphatase und erniedrigte Knochenmineraldichte.

Formen des Cushing-Syndroms

  • Endogenes Cushing-Syndrom (10 % der Fälle) ‒ dies lässt sich wiederum unterteilen in:
    • ACTH-abhängig (ca. 85 % der endogenen Fälle)
      • Zentrales Cushing-Syndrom (Morbus Cushing; zentraler Hyperkortisolismus) ‒ meist Mikroadenom des Hypophysenvorderlappens [ca. 65-70 % der Fälle]
      • Ektope ACTH-Sekretion* (Adrenocorticotropes Hormon) ‒ paraneoplastisch; Sekretion von ACTH in Neubildungen, v. a. beim Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) [ca. 15-20 % der Fälle]
      • Ektope CRH-Sekretion* (Corticotropin-releasing Hormon)
      • Alkoholinduziert
    • ACTH-unabhängig [ca. 15 % der endogenen Fälle]
      • Adrenales Cushing-Syndrom ‒ vor allem durch Tumoren der Nebennierenrinde bedingt (meist Adenome; selten Karzinome) [ca. 15 % aller endogenen Cushing-Syndrome]
      • Primäre bilaterale NNR-Hyperplasie (Nebennierenrinden-Hyperplasie/Zellvergrößerung):
        • Mikronoduläre Hyperplasie (PPNAD, primary pigmented nodular adrenocortical diesease); kleine, pigmentierte Knötchen der NNR
        • Makronoduläre Dys-/Hyperplasie (AIMAH, ACTH-independent macronodular adrenal hyperplasia); größere, nicht pigmentierte Knoten der NNR
  • Exogenes Cushing-Syndrom (iatrogenes Cushing-Syndrom) ‒ diese Form tritt häufig auf (90 % der Fälle) und wird durch die Langzeittherapie mit Glucocorticoiden (meistens Prednisolon) oder Vorstufen derer ausgelöst 

* Ca. 15-20 % der Fälle

Ursachen

  • Hypophysäre Adenome: Verantwortlich für den Großteil der ACTH-abhängigen Fälle (Morbus Cushing).
  • Ektopes ACTH-Syndrom: Tumoren außerhalb der Hypophyse, die ACTH produzieren, z. B. kleinzelliges Bronchialkarzinom (Lungenkrebs).
  • Nebennierenrindentumoren: Adrenale Ursachen wie Adenome oder Karzinome führen zu einem ACTH-unabhängigen Cushing-Syndrom.
  • Iatrogene Ursachen: Langzeitgebrauch von Glucocorticoiden ist die häufigste Ursache für das exogene Cushing-Syndrom.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer, das Verhältnis beträgt etwa 3-4:1.

Häufigkeitsgipfel:
Meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Schätzungsweise 1-2,4 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Das Cushing-Syndrom entwickelt sich häufig schleichend über Jahre. Unbehandelt führt die Erkrankung zu einer signifikanten Morbidität und Mortalität. Die Hauptkomplikationen resultieren aus den metabolischen und kardiovaskulären Auswirkungen des chronisch erhöhten Cortisolspiegels. Diese umfassen:

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen: Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung), und Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung) erhöhen das Risiko für Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Apoplex (Schlaganfall).
  • Metabolische Komplikationen: Typ-2-Diabetes und Insulinresistenz (verringerte Antwort, vor allem insulinabhängiger Organe, auf Insulin) sind häufig, was zusätzlich das kardiovaskuläre Risiko erhöht.
  • Osteoporose: Langfristige Cortisolexposition führt zu Knochenschwund und erhöhtem Frakturrisiko (Knochenbruchrisiko).
  • Immunsuppression: Erhöhtes Infektionsrisiko, insbesondere bei opportunistischen Infektionen.
  • Psychiatrische Symptome: Depressionen, Angststörungen und kognitive Beeinträchtigungen sind häufig.

Prognose

Die Prognose des Cushing-Syndroms hängt stark von der zugrunde liegenden Ursache und der Effektivität der Behandlung ab:

  • Endogenes Cushing-Syndrom: Erfolgreiche chirurgische Entfernung des verursachenden Tumors führt bei 50-80 % der Patienten zu einer Remission. Langfristige Nachsorge ist erforderlich, da Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung) auftreten können.
  • Exogenes Cushing-Syndrom: Die Prognose ist in der Regel gut, insbesondere wenn die Glucocorticoidtherapie rechtzeitig angepasst oder abgesetzt wird. Die klinischen Symptome bessern sich nach Absetzen der Steroide, können jedoch Monate bis Jahre benötigen, um vollständig zu verschwinden.
  • Unbehandelt: Ohne Therapie führt das Cushing-Syndrom häufig zu schweren kardiovaskulären Komplikationen und zum Tod innerhalb weniger Jahre.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Cushing-Syndrom. (AWMF-Registernummer: 027-033), Januar 2010 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie klinisch hormoninaktiver Hypophysentumoren. (AWMF-Registernummer: 089-002), Dezember 2019 Langfassung