Morbus Addison – Einleitung

Morbus Addison, auch als primäre Nebennierenrindeninsuffizienz bekannt, beschreibt eine Erkrankung, bei der die Nebennierenrinde nicht genügend Hormone produziert, insbesondere Cortisol und Aldosteron. Dies resultiert aus einer fortschreitenden Zerstörung von mehr als 90 % der Nebennierenrinde, bevor klinische Symptome auftreten.

Synonyme und ICD-10: Addison-Krankheit; Addison-Melanose; Addison-Syndrom; Bronzehautkrankheit; Bronzekrankheit; Melasma suprarenale; primäre adrenale Insuffizienz; primäre adrenokortikale Insuffizienz; primäre Nebennierenrindenatrophie; primäre Nebennierenrindeninsuffizienz; primäre Nebennierenrindenunterfunktion; primärer Hypoadrenalismus; primärer Hypoadrenokortizismus; primäre suprarenale Insuffizienz; ICD-10-GM E27.1: Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz: Addison-Krankheit

Anatomie und Funktionen

Die Nebennierenrinde (NNR) produziert essentielle Hormone wie Cortisol, Aldosteron und Androgene. Cortisol spielt eine zentrale Rolle im Stoffwechsel, bei der Stressreaktion und der Regulation des Immunsystems. Aldosteron ist für die Regulierung des Wasser- und Elektrolythaushalts verantwortlich, indem es die Natriumrückresorption und Kaliumausscheidung in den Nieren beeinflusst. Die Zerstörung der NNR führt zu einem Mangel an diesen Hormonen, was die typischen Symptome des Morbus Addison verursacht.

Charakteristische Laborbefunde

  • Niedriges Serum-Cortisol: Deutlich erniedrigte Cortisolspiegel.
  • Erhöhtes ACTH: Aufgrund des Feedback-Mechanismus bei unzureichender Cortisolproduktion.
  • Hyponatriämie: Erniedrigter Natriumspiegel im Blut durch Aldosteronmangel.
  • Hyperkaliämie: Erhöhter Kaliumspiegel durch Aldosteronmangel.
  • Hypoglykämie: Niedriger Blutzuckerspiegel aufgrund des Mangels an Cortisol.

Formen der Erkrankung

  • Primärer Morbus Addison: Zerstörung der Nebennierenrinde, meist autoimmunbedingt.
  • Sekundäre Nebenniereninsuffizienz: Mangel an ACTH, meistens durch Hypophysenerkrankungen bedingt, mit nachfolgender unzureichender Stimulation der NNR.
  • Akuter Morbus Addison (Addison-Krise): Akute Verschlechterung der hormonellen Unterversorgung, oft ausgelöst durch Stress, Infektionen oder Traumata.

Ursachen

  • Autoimmune Zerstörung: Am häufigsten, verantwortlich für etwa 75 % der Fälle.
  • Genetische Ursachen: Seltene genetische Defekte, wie die Adrenoleukodystrophie, die zu einer Zerstörung der NNR führen.
    • Adrenoleukodystrophie (Synonyme: X-ALD; Addison-Schilder-Syndrom) – X-chromosomal-rezessive Erkrankung, die zu einem Defekt in der Steroidhormonsynthese mit Akkumulation überlangkettiger Fettsäuren in NNR und ZNS führt; in der Folge entstehen mit Beginn im Kindesalter neurologische Ausfälle und Demenz
    • familiärer Glucocorticoidmangel (isolierter Cortisolmangel bei normalen Aldosteronkonzentrationen; z. B. wg.  ACTH-Rezeptordefekt (→ fehlende Ansprechbarkeit von ACTH auf NNR)
    • primäre Cortisolresistenz (wg. fehlender oder defekter Glucocorticoidrezeptoren am Zielgewebe (→ sekundäre Hypersekretion von: ACTH, Cortisol, Androgenen und Mineralocorticoiden)
  • Infektionen: Tuberkulose, HIV und Pilzinfektionen können die NNR zerstören. (10-25 % der Fälle)
  • Vaskuläre Ursachen: Blutungen oder Thrombosen in der NNR.
  • Malignome: Metastasen von Krebserkrankungen in der NNR.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Das durchschnittliche Erkrankungsalter bei Diagnosestellung liegt bei 40 Jahren.

Der Morbus Addison tritt relativ selten auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 10-14 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Ca. 5 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Der Morbus Addison wird aufgrund der meist unspezifischen klinischen Symptomatik häufig verzögert diagnostiziert. Die Erkrankung führt zum vollständigen Verlust der Nebennierenfunktion. Der Verlauf kann akut oder chronisch schleichend sein.

  • Akuter Verlauf: Kann zur Addison-Krise führen, einer akut lebensbedrohlichen Situation, die sich durch Vigilanzstörung, Dehydratation, Fieber und Hypoglykämie äußert und eine Notfallbehandlung erfordert.
  • Chronischer Verlauf: Symptome entwickeln sich langsam und können lange unbemerkt bleiben.

Prognose

Die Prognose des Morbus Addison ist durch die Notwendigkeit einer lebenslangen Substitution der fehlenden Hormone geprägt. Mit einer adäquaten Therapie können Patienten ein normales Leben führen. Die Addison-Krise ist jedoch eine akut lebensbedrohliche Situation und erfordert sofortige medizinische Intervention.

  • Lebenslange Hormonsubstitution: Notwendig, um die fehlenden Nebennierenrindenhormone zu ersetzen.
  • Notfallausweis: Erkrankte sollten immer einen Ausweis bei sich tragen, der über ihre Erkrankung informiert, um im Notfall eine schnelle und adäquate Behandlung zu ermöglichen.

Komorbiditäten

Morbus Addison ist in mehr als der Hälfte der Fälle mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert, insbesondere:

  • Autoimmunthyreoiditis (AIT) (50 % der Fälle)
  • Diabetes mellitus Typ 1 (10-15 % der Fälle)

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Nebennierenrinden-Insuffizienz. (AWMF-Registernummer: 027 - 034), Januar 2010 Langfassung