Metabolisches Syndrom – Einleitung

Das metabolische Syndrom (MetS) ist ein klinisches Syndrom, das durch das gleichzeitige Vorliegen mehrerer Risikofaktoren gekennzeichnet ist, die das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Typ-2-Diabetes signifikant erhöhen. Nach den Kriterien von Grundy liegt ein metabolisches Syndrom vor, wenn mindestens drei der folgenden fünf Merkmale erfüllt sind:

  1. Abdominale Adipositas – Übergewicht mit erhöhtem Taillenumfang (≥ 94 cm beim Mann; ≥ 80 cm bei der Frau) (= zentrale Adipositas; viszerale Fettleibigkeit)
  2. Hyperglykämie (erhöhte Nüchternblutzuckerwerte) – ≥ 100 mg/dl oder ≥ 5,6 mmol/L
  3. Dyslipoproteinämie (gestörtes Verhältnis der Lipoproteinfraktionen im Blutserum)
    • Hypertriglyzeridämie (VLDL-Triglyceride) – erhöhte Triglycerid-Werte (≥ 150 mg/dl)
    • Erhöhtes Gesamt- und LDL-Cholesterin
    • Erniedrigtes HDL-Cholesterin – sogenanntes "gutes Cholesterin" (< 40 mg/dl beim Mann; < 50 mg/dl bei der Frau)
  4. Hypertonie – Bluthochdruck mit Werten > 130/85 mmHg

Synonyme und ICD-10: Insulinresistenzsyndrom (IRS); Metabolic syndrome; Reavan-Syndrom; Syndrom X oder tödliches Quartett; Wohlstandssyndrom; ICD-10-GM E88.9: Stoffwechselstörung nicht näher bezeichnet; einen weltweit gültigen ICD-10 gibt es nicht

Zur Unterstützung von Kinderärzten bei der Einschätzung des Risikos eines Metabolischen Syndroms bei Kindern im Alter von 3-10 Jahren steht ein Online-Tool zur Verfügung.

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Nüchternblutzuckerwerte: ≥ 100 mg/dl (≥ 5,6 mmol/L).
  • Hypertriglyzeridämie: Triglyceridspiegel ≥ 150 mg/dl.
  • Erhöhtes LDL-Cholesterin: Oft > 100 mg/dl, jedoch variiert der Zielwert je nach kardiovaskulärem Risiko.
  • Erniedrigtes HDL-Cholesterin: < 40 mg/dl bei Männern, < 50 mg/dl bei Frauen.
  • Hyperurikämie: Erhöhte Harnsäurewerte im Blut (> 6 mg/dl).
  • Erhöhtes C-reaktives Protein (CRP): Leicht erhöhte Werte als Zeichen einer chronischen Entzündung.
  • Hyperkoagulopathie: Erhöhte Plasmaspiegel von Fibrinogen und anderen Gerinnungsfaktoren (→ erhöhte Neigung des Blutes zur Bildung von Blutgerinnseln).
  • Erhöhte Leberwerte: Hinweise auf eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) können vorliegen (erhöhte ALT und AST).

Formen der Erkrankung

Das metabolische Syndrom wird nicht in Unterformen klassifiziert, jedoch unterscheiden sich die zugrunde liegenden Teilerkrankungen und deren Schweregrad individuell:

  • Primäre Dyslipidämie: Erhöhte Triglyceride und LDL-Cholesterin, mit oder ohne niedrige HDL-Spiegel.
  • Hypertonisches MetS: Überwiegende Präsentation mit Bluthochdruck.
  • Glukosestoffwechsel-Störungen: Dominanz von Hyperglykämie (Überzuckerung)  und Insulinresistenz (verringerte Antwort, vor allem insulinabhängiger Organe, auf Insulin).

Ursachen

  • Genetische Prädisposition: Familiäre Häufung von Adipositas, Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen.
  • Lebensstilfaktoren: Überernährung, kalorienreiche und fettreiche Ernährung, Bewegungsmangel.
  • Adipositas: Insbesondere viszerale Fettleibigkeit trägt maßgeblich zur Entwicklung des metabolischen Syndroms bei.
  • Insulinresistenz: Eine zentrale Rolle spielt die reduzierte Insulinempfindlichkeit, die zu Hyperglykämie und Dyslipidämie (Fettstoffwechselstöungen) führt.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind nahezu gleich betroffen, das Verhältnis beträgt etwa 1:0,9.

Häufigkeitsgipfel:
Die Prävalenz steigt mit dem Alter und Körpergewicht.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): In hausärztlichen Praxen liegt die Prävalenz bei Frauen zwischen 17,7-21,1 % und bei Männern zwischen 21,4-22,7 % in Deutschland [1]. Insgesamt wird die Prävalenz in der deutschen Allgemeinbevölkerung auf etwa 9 % geschätzt.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Das metabolische Syndrom ist eine chronische Erkrankung, die durch das Vorliegen multipler Risikofaktoren wie Hypertonie, Dyslipidämie, Hyperglykämie und abdominale Adipositas gekennzeichnet ist. Diese Faktoren interagieren und verstärken sich gegenseitig, was zu einer progressiven Verschlechterung der gesundheitlichen Situation führt, wenn keine adäquate Behandlung erfolgt.

  • Hypertonie (Bluthochdruck): Unbehandelte Hypertonie führt zu strukturellen und funktionellen Veränderungen in den Blutgefäßen, einschließlich Arteriosklerose. Diese Veränderungen erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Myokardinfarkt und Schlaganfall. Zudem kann es zu hypertensiven Endorganschäden, insbesondere an Herz, Nieren und Augen, kommen.
  • Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung): Die anhaltend erhöhten Triglycerid- und LDL-Cholesterinwerte sowie erniedrigten HDL-Cholesterinwerte fördern die Bildung atherosklerotischer Plaques. Dies kann zu einer Verengung und Versteifung der Arterien führen (Atherosklerose), was das Risiko für koronare Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung), periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) und zerebrovaskuläre Erkrankungen erhöht.
  • Hyperglykämie (Überzuckerung) und Insulinresistenz: Die Insulinresistenz führt zu einer chronischen Hyperglykämie, die unbehandelt in einen manifesten Typ-2-Diabetes übergeht. Langfristige Hyperglykämie verursacht mikrovaskuläre Komplikationen wie diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung), Nephropathie (Nierenerkrankung) und Neuropathie (Erkrankungen der peripheren Nerven), und beschleunigt gleichzeitig die atherosklerotischen Prozesse in den großen Arterien (makrovaskuläre Komplikationen).
  • Abdominale Adipositas: Die viszerale Fettansammlung (Bauchfett) geht mit einer chronischen subklinischen Entzündung einher, die durch erhöhte Spiegel proinflammatorischer Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe) gekennzeichnet ist. Diese Entzündungsprozesse tragen zusätzlich zur Insulinresistenz, Dyslipidämie und endothelialen Dysfunktion (Funktionsstörung des Endothels/Schicht aus Endothelzellen, die das Innere von Blutgefäßen auskleidet) bei, was die Progression (Fortschreiten) des metabolischen Syndroms weiter verschärft.

Ohne Intervention schreitet das metabolische Syndrom in der Regel voran und führt zu einer zunehmenden Morbidität durch kardiovaskuläre und metabolische Komplikationen. Häufig bleibt das Syndrom über Jahre subklinisch, bis es zu schwerwiegenden Ereignissen wie einem Myokardinfarkt oder Schlaganfall kommt.

Prognose

Die Prognose des metabolischen Syndroms ist stark davon abhängig, wie früh und konsequent die Risikofaktoren erkannt und behandelt werden.

  • Kardiovaskuläre Komplikationen: Patienten mit metabolischem Syndrom haben ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, darunter Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Apoplex (Schlaganfall) und plötzlicher Herztod. Besonders gefährdet sind Patienten, die zusätzlich an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder einer koronaren Herzkrankheit (KHK) leiden.
  • Diabetesentwicklung: Etwa 25-50 % der Patienten mit metabolischem Syndrom entwickeln innerhalb von 10 Jahren einen manifesten Typ-2-Diabetes, insbesondere wenn die Insulinresistenz nicht effektiv behandelt wird. Die Manifestation von Diabetes verschlechtert die Prognose erheblich, da damit ein deutlich erhöhtes Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen verbunden ist.
  • Lebensstilinterventionen: Eine konsequente Anpassung des Lebensstils, insbesondere durch Gewichtsreduktion, erhöhte körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung, kann die Progression des metabolischen Syndroms erheblich verlangsamen oder sogar rückgängig machen. Studien zeigen, dass eine moderate Gewichtsreduktion von 5-10 % des Körpergewichts das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes um bis zu 58 % senken kann.
  • Medikamentöse Therapie: Die zielgerichtete medikamentöse Behandlung der einzelnen Komponenten des metabolischen Syndroms (z. B. Antihypertensiva, Statine, Metformin) kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und die Entwicklung von Diabetes reduzieren. Eine frühzeitige und intensive Therapie ist dabei entscheidend für eine gute Prognose.

Die langfristige Prognose ist somit variabel und hängt maßgeblich von der Bereitschaft und Fähigkeit des Patienten ab, eine umfassende Lebensstiländerung vorzunehmen und die medikamentöse Therapie konsequent durchzuführen. Unbehandelt führt das metabolische Syndrom jedoch unweigerlich zu einer erheblichen Reduktion der Lebensqualität und Lebenserwartung aufgrund der damit verbundenen Komplikationen.

Literatur

  1. Moebus S, Hanisch J, Bramlage P, Lösch C, Hauner H, Wasem J, Jöckel KH: Regional unterschiedliche Prävalenz des metabolischen Syndroms Regional Differences in the Prevalence of the Metabolic Syndrome in Primary Care Practices in Germany Dtsch Arztebl 2008; 105(12): 207-13; doi: 10.3238/artzebl.2008.0207

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Prävention und Therapie der Adipositas. (AWMF-Registernummer: 050-001), April 2014 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 088-001), Februar 2018 Langfassung