Magnesiummangel (Hypomagnesiämie) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Bei einem Magnesiummangel (Hypomagnesiämie) sind die intrazellulären (innerhalb der Zellen befindlichen) Magnesiumreserven entscheidend, da etwa 99 % des gesamten Magnesiums im Körper in den Zellen liegt. Daher spiegelt eine Serum-Magnesiummessung nicht immer den tatsächlichen Magnesiumstatus des Körpers wider.
Magnesiumverteilung im Körper
- 50-65 % des Magnesiums liegt in frei ionisierter Form vor.
- 20 % des Magnesiums ist an Plasmaproteine gebunden.
- 20-25 % des Magnesiums bildet Komplexe mit Anionen wie Phosphat und Oxalat.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Die Entstehung einer Hypomagnesiämie ist häufig auf unzureichende Magnesiumaufnahme und verstärkte renale (nierenbedingte) Verluste zurückzuführen. Enterale (darmbedingte) Verluste sind seltener, können jedoch ebenfalls eine Rolle spielen. Nachfolgend sind die zentralen Mechanismen und Ursachen detailliert aufgeführt:
- Inadäquate Magnesiumzufuhr
- Ein Magnesiummangel kann durch unzureichende Zufuhr in der Ernährung oder gestörte Resorption im Darm entstehen, insbesondere bei Erkrankungen, die die Darmfunktion beeinträchtigen.
- Renale Magnesiumverluste
- Diuretika (Entwässerungsmittel): Thiazide und Schleifendiuretika erhöhen die Ausscheidung von Magnesium über die Nieren.
- Genetische Störungen: Angeborene Nierenkrankheiten wie das Bartter-Syndrom und das Gitelman-Syndrom können die Rückresorption von Magnesium beeinträchtigen.
- Erkrankungen der Nieren: Bestimmte nierenbedingte Erkrankungen oder Funktionsstörungen führen zu einem erhöhten Verlust von Magnesium.
- Enterale Magnesiumverluste
- Chronische Durchfallerkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie können zu einem Magnesiummangel führen, da der Darm die Magnesiumresorption nicht ausreichend leisten kann.
- Malabsorptionssyndrome: Bei Störungen der Nährstoffaufnahme im Darm kann es zu einer verminderten Resorption von Magnesium kommen.
- Medikamentös bedingte Hypomagnesiämie
- Neben Diuretika können auch Protonenpumpenhemmer (PPIs) und bestimmte Antibiotika die Magnesiumspiegel senken, da sie die Magnesiumaufnahme beeinträchtigen oder die renale Ausscheidung erhöhen.
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
Ein Magnesiummangel kann systemische Auswirkungen haben, da Magnesium an zahlreichen enzymatischen Prozessen und am Energiestoffwechsel beteiligt ist. Mögliche Folgeveränderungen sind:
- Hypocalcämie (Calciummangel): Ein niedriger Magnesiumspiegel kann die Freisetzung von Parathormon (PTH) und die Empfindlichkeit der Knochen auf PTH beeinträchtigen, was zu einem Calciummangel führt.
- Hypokaliämie (Kaliummangel): Eine Hypomagnesiämie kann die renale Rückresorption von Kalium behindern und somit zu einem sekundären Kaliummangel führen.
- Neurologische und muskuläre Symptome: Durch die Beeinträchtigung der neuromuskulären Erregungsübertragung können Krämpfe, Muskelzittern und neurologische Störungen auftreten.
Klinische Manifestation
- Leitsymptome
- Muskelkrämpfe und -zuckungen
- Müdigkeit und Schwächegefühl
- Neurologische Symptome wie Zittern, Nervosität und Reizbarkeit
- Fortgeschrittene Symptome
- Herzrhythmusstörungen, insbesondere bei chronischer Hypomagnesiämie
- Störungen im Elektrolythaushalt, wie Hypocalcämie und Hypokaliämie
- Psychische Symptome wie Depressionen und Konzentrationsschwäche
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Hypomagnesiämie ist eine komplexe Störung, die auf verschiedenen pathophysiologischen Mechanismen beruht, einschließlich inadäquater Zufuhr, erhöhter renaler Verluste und enteraler Verluste. Da Magnesium ein essenzielles Elektrolyt für die neuromuskuläre Erregbarkeit, die Calcium- und Kaliumhomöostase sowie den Energiestoffwechsel ist, kann ein Magnesiummangel weitreichende klinische Folgen haben. Die Erkennung und frühzeitige Behandlung von Risikofaktoren und zugrunde liegenden Ursachen sind entscheidend, um die Entwicklung schwerwiegender Komplikationen zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung/Erkrankung
- Familiäre Hypomagnesiämie mit Hypercalciurie (vermehrte Ausscheidung von Calcium im Urin) und konsekutiver Nephrokalzinose (Ablagerung von Calciumsalzen im Parenchym der Niere) infolge einer Mutation im Paracellin-1-Gen
- Gitelman-Syndrom – genetisch-bedingte Erkrankung, die zu einem erhöhten Verlust von Kalium und Magnesium über die Niere führt
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Magnesiumarme Ernährung (seltener Verzehr von den Getreideprodukten und Hülsenfrüchten wie Boden)
- Häufige Diäten (geringe zuvor von Magnesium über die Nahrung)
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen: Hypomagnesiämie
- Genussmittelkonsum
- Kaffee, schwarzer oder grüner Tee, Cola (koffeinhaltige Getränke)
- Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann: > 30 g/Tag)
- Psycho-soziale Situation
- Stress im Beruf oder Alltag
- Körperliche Aktivität
- Intensive körperliche Aktivität (erhöhter Magnesiumverbrauch durch die Muskulatur)
- Sport und Leistungssport (Verlust von Mineralstoffen über den Schweiß)
- Sauna (erhöhte Schweißverluste)
Krankheitsbedingte Ursachen
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Diabetes mellitus Typ 1/Typ 2 (Glukosurie/vermehrte Ausscheidung von Glucose (Traubenzucker) im Urin) [renaler Magnesiumverlust]
- Hyperaldosteronismus [renaler Magnesiumsverlust]
- Hypercalcämie [renaler Magnesiumverlust durch Hemmung der tubulären Magnesium-Rückresorption]
- Hyperthyreose (z. B. Morbus Basedow) [renaler Magnesiumverlust]
- Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion) [renaler Magnesiumverlust]
- Mangelernährung
- Metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung) [renaler Magnesiumverlust]
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Infektiöse Gastroenteritis (Magen-Darm-Grippe), nicht näher bezeichnet
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Akute Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Colitis ulcerosa – chronisch entzündliche Erkrankung der Schleimhaut des Dickdarms oder des Mastdarms
- Malassimilationssyndrom – Komplex von Symptomen verschiedener Genese (Herkunft) als Folge einer Malabsorption (lateinisch „schlechte Aufnahme“), einer Maldigestion (verminderte Nährstoffausnutzung) oder der Kombination beider Symptome
- Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); sie verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind
- Nichtinfektiöse Gastroenteritis, nicht näher bezeichnet
- Zöliakie (Synonyme: Celiac disease; Coeliakie; einheimische Sprue; Glutenallergie; gluteninduzierte Enteropathie; glutensensitive Enteropathie; Glutenunverträglichkeit) – chronische Erkrankung der Dünndarmmukosa, die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Alkoholabusus
- Anorexia nervosa (Magersucht)
- Delir
- Laxantienabusus (Missbrauch von Abführmittel)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Diarrhoe (Durchfall)
Weitere Ursachen
- Enterale Fisteln
- Enterostomie (künstlicher Darmausgang)
- Parenterale Ernährung ("unter Umgehung des Darmes“) ohne Magnesiumzusatz
Medikamente
- Antibiotika
- Aminoglykoside (Amikacin, Apramycin, Geneticin (G418), Gentamicine, Kanamycin, Netilmicin, Neomycin, Paromomycin, Spectinomycin, Streptomycin, Tobramycin)
- Antiprotozoika
- Pentamidin
- Diuretika
- Schleifendiuretika (Etacrynsäure, Furosemid, Piretanid, Torasemid), Thiaziddiuretika (Chlortalidon, Hydrochlorothiazid (HCT), Xipamid)
- Thiaziddiuretika (Chlortalidon, Hydrochlorothiazid (HCT), Xipamid)
- Immunsuppressiva (Ciclosporin (Cyclosporin A))
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol [Dauertherapie]
- Zytostatika (Cisplatin)
Hinweis: Literatur zum Thema Risikogruppen eines Magnesiummangels siehe unter "Mikronährstoffmedizin/Magnesium/Risikogruppen"