Hypertriglyzeridämie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Hypertriglyzeridämie entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel genetischer und erworbener Faktoren, die den Fettstoffwechsel beeinflussen. Die wichtigsten Mechanismen umfassen eine erhöhte VLDL-Produktion (very low-density lipoprotein, sehr niedrigdichte Lipoproteine) und/oder einen verminderten Abbau der Triglyceride, was zur erhöhten Konzentration dieser Lipide im Blut führt. Dies hat klinisch relevante Auswirkungen und steigert das Risiko für Pankreatitis und kardiovaskuläre Erkrankungen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Genetische Prädisposition
    • Genetische Mutationen, insbesondere in Genen, die für die Produktion oder den Abbau von VLDL und anderen Lipoproteinen verantwortlich sind, führen zur erhöhten Triglyceridkonzentration.
    • Familiärer Lipoproteinlipase-Mangel (Typ-I-Hyperlipoproteinämie): Ein Defekt der Lipoproteinlipase (LPL) oder des Apoproteins CII führt zu einer Anhäufung von Chylomikronen (große Lipoproteine) im Blutserum.
    • Erhöhte Chylomikronen im Serum: Diese sind charakteristisch für schwere genetische Formen der Hypertriglyzeridämie, die oft bereits im Kindesalter auftreten und diagnostiziert werden.
  • Lebensstil und Ernährung
    • Eine übermäßige Kalorienaufnahme und ungesunde Lebensgewohnheiten fördern die Bildung von VLDL in der Leber, was die Triglyceridwerte im Blut erhöht.
    • Eine kohlenhydratreiche Ernährung, vor allem durch Zucker, verstärkt die Umwandlung von Kohlenhydraten in Triglyceride und trägt somit zur VLDL-Produktion bei.
  • Alkoholkonsum
    • Alkohol erhöht die Fettsäuresynthese in der Leber und hemmt gleichzeitig deren Oxidation, was eine erhöhte VLDL-Produktion zur Folge hat. Dadurch wird die Menge der Triglyceride im Blut deutlich gesteigert und die Gefahr einer Fettleber erhöht.
  • Medikamentennebenwirkungen
    • Bestimmte Medikamente, wie z. B. Betablocker, Östrogene und bestimmte Diuretika, können die Fettstoffwechselwege beeinflussen und zu einer Erhöhung der Triglyceridwerte im Blut führen.
  • Erkrankungen
    • Diabetes mellitus: Insulinresistenz führt zu einer vermehrten Produktion von VLDL in der Leber.
    • Niereninsuffizienz: Eingeschränkte Nierenfunktion kann den Fettstoffwechsel stören und zur Akkumulation von Triglyceriden im Blut beitragen.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Störungen der Lipoproteinlipase-Funktion
    • Die Funktion der Lipoproteinlipase (LPL), eines Enzyms, das für den Abbau von Triglyceriden in Lipoproteinen wie Chylomikronen und VLDL verantwortlich ist, kann durch genetische oder erworbene Faktoren gehemmt werden.
    • Ein Mangel an funktioneller LPL führt zur Anhäufung von Triglyceriden im Blut, was insbesondere bei genetisch bedingten Hypertriglyzeridämien der Fall ist.
  • Regulation der Lipoproteinproduktion
    • Die Produktion von Lipoproteinen (insbesondere VLDL) in der Leber wird durch den Fettstoffwechsel und hormonelle Signalwege reguliert. Ungleichgewichte in diesen Prozessen tragen zur Hypertriglyzeridämie bei.
  • Einfluss der Insulinresistenz
    • Bei Insulinresistenz, wie sie oft bei Metabolischem Syndrom oder Diabetes mellitus Typ 2 auftritt, wird die Produktion von VLDL in der Leber gesteigert. Zusätzlich wird die Lipoproteinlipasefunktion gehemmt, was die Hypertriglyzeridämie verschärft.

Klinisches Bild

  • Leitsymptome:
    • Erhöhte Triglyceridwerte im Blut ohne spezifische Beschwerden (oft Zufallsbefund)
    • Bei sehr hohen Triglyceridwerten (> 1.000 mg/dL): Gefahr einer akuten Pankreatitis
    • Sichtbare Fettablagerungen an Haut und Sehnen (Xanthome) in schweren Fällen, insbesondere bei familiären Formen
  • Fortgeschrittene Symptome:
    • Schmerzen im Oberbauch bei akuter Pankreatitis
    • Bei langfristig unbehandelten hohen Triglyceridwerten: erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Arteriosklerose

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Hypertriglyzeridämie ist ein multifaktorielles Krankheitsbild, das durch genetische, metabolische und umweltbedingte Faktoren beeinflusst wird. Die genetischen Ursachen beinhalten Mutationen, die den Abbau oder die Produktion von Triglyceriden und VLDL beeinflussen, während erworbene Faktoren wie Lebensstil, Ernährung und bestimmte Erkrankungen ebenfalls zur Entwicklung beitragen. Eine differenzierte Diagnostik und gezielte Behandlung sind entscheidend, um das Risiko für Pankreatitis und kardiovaskuläre Komplikationen zu senken.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern, d. h. primäre Hypertriglyzeridämien/hereditäre Hypertriglyzeridämie (Triglyceride (TG) erhöht, HDL-Cholesterin erniedrigt und LDL-Cholesterin normal):
    • Familiäre Hypertriglyzeridämie (Typ IV-Hyperlipoproteinämie; autosomal-dominante Vererbung (1 : 500))
    • Familiärer Lipoproteinlipase-Mangel (Typ-I-Hyperlipoproteinämie; meist autosomaler-rezessiver Defekt der Lipoproteinlipase (LPL) bzw. von Apoprotein CII (s. u.): sehr seltene Krankheit (2-4 : 1.000.000))
    • Familiärer Apoprotein-CII Mangel (Apo C-II-Defizienz); autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechseldefekt, der durch extrem erhöhte Serumkonzentrationen von Triglyceriden (bis 30.000 mg/dl) und Chylomikronen (milchig-rahmiges Serum) gekennzeichnet ist  (Typ-I-Hyperlipoproteinämie)
    • Familiärer Apoprotein-A-V-Mangel (Apo-A-V-Defizienz; Chylomikronämie-Syndrom); hier sind typischerweiser Chylomikronen und VLDL erhöht; Plasma ist lipämisch (milchig-weiß) und Triglyceride in der Regel stark erhöht (> 850 mg/dl)
    • Chylomikronämie-Syndrom; seltene, autosomal-rezessiv vererbte Störung des Chylomikronen-Stoffwechsels mit extrem hohen Triglyceridwerten (Typ I Hyperlipidämie); lebensbedrohliche Erkrankung 
  • Hormonelle Faktoren – Menopause (Wechseljahre der Frau)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Erhöhte Aufnahme von:
      • Kalorien (als Fett oder schnell verstoffwechseltbare Kohlenhydrate)
      • Triglyceriden (Neutralfette, Nahrungsfett) – tierische Fette
      • Trans-Fettsäuren [2] (10-20 g/Tag; z. B. Backwaren, Chips, Fast-Food-Produkte, Fertiggerichte, frittierte Speisen wie Pommes frites, Frühstücksflocken mit Fettzusatz, Snacks, Süßwaren, Trockensuppen)
      • Kohlenhydraten (u. a. Fructose, Glucose), dieses bedingt eine gesteigerte de-novo-Lipogenese ("neue Fettsäuresynthese"); die Aufnahme von Fructose führt postprandial (nach einer Mahlzeit) innerhalb von 24 Stunden zu einer Steigerung der Triglyceridkonzentration [1]
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Mikronährstofftherapie
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann > 30 g/Tag); insb. Alkoholabusus → Steigerung der Sekretion von VLDL-Partikeln und Hemmung von Lipasen
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)

Krankheitsbedingte Ursachen, die die Triglyceride erhöhen:

Blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Paraproteinämie – Vorkommen von Paraproteinen im Blut (z. B. Immunglobuline oder Fragmente von Immunglobuline; z. B. wg. Multiplen Myeloms (Plasmozytom), Monoklonalen Gammopathie unbekannter Signifikanz (MGUS))

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas (Fettsucht)
  • Akromegalie ‒ Größenzunahme der Körperendglieder durch vermehrtes Vorliegen vom Wachstumshormon nach Beendigung des Wachstums
  • Morbus Cushing/Cushing-Syndrom – Erkrankung, bei der ein Tumor in den ACTH-produzierenden Zellen der Hypophyse zu viel ACTH produziert, wodurch es zu einer vermehrten Stimulation der Nebennierenrinde und als Folge davon zu einer übermäßigen Cortisolproduktion kommt.
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Glykogenspeicherkrankheiten, nicht näher bezeichnet
  • Hyperurikämie/Gicht
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Lipodystrophie (Fettgewebsschwund)
  • Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Sepsis (Blutvergiftung)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Cholestase (Gallenstau)
  • Hepatitis (Leberentzündung), nicht näher bezeichnet

 Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99) 

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – Gruppe von Autoimmunerkrankungen, bei der es zur Bildung von Autoantikörpern kommt; hier als schwere Multisystemerkrankung

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholabusus (Alkoholismus)
  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Stress

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Schwangerschaft

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Nephrotisches Syndrom – Sammelbegriff für Symptome, die bei verschiedenen Erkrankungen des Glomerulums (Nierenkörperchen) auftreten; Symptome sind: Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) mit einem Proteinverlust von mehr als 1 g/m²/Körperoberfläche pro Tag; Hypoproteinämie, periphere Ödeme durch eine Hypalbuminämie von < 2,5 g/dl im Serum, Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung)
  • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)

Medikamente

  • Antiretrovirale Therapeutika (Proteaseinhibitoren)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) 
    • Atypische Antipsychotika (Neuroleptika) – Quetiapin, Risperidon [Blutlipide ↑]
  • Austauscherharze (Colestyramin, Ursodesoxycholsäure, UDCS)
  • Betablocker
    • Nicht selektive Betablocker (z. B. Propranolol, Soltalol) [außer Carvedilol]
    • Selektive Betablocker (z. B. Atenolol, Bisoprolol, Metoprolol)
  • Colestyramin
  • Diuretika
    • Schleifendiuretika (Etacrynsäure, Furosemid, Piretanid, Torasemid)
    • Spironolacton
    • Thiaziddiuretika (Chlortalidon, Hydrochlorothiazid (HCT), Xipamid)
  • H2-Antihistaminikum (Cimetidin)
  • Hormone
    • Antiöstrogene (Tamoxifen)
    • Gestagene (Etonogestrel, Desogestrel, Dienogest, Levonorgestrel, Medroxyprogesteronacetat, Medrogeston, Norelgestromin, Norethisteron)
    • Glucocorticoide (Cortisol)
    • Kontrazeptiva (Östrogen-Gestagen-Kombination)
    • Östrogene (Synonym: Estrogene)
    • Östrogen-Gestagen-Kombination (Ethinylestradiol + Norethisteron-/Norgestrel-Derivat)
  • Immunsuppressiva (Ciclosporin (Cyclosporin A))
  • Psychotrope Medikamente: Phenothiazine, Antipsychotika der zweiten Generation
  • Retinoide (Isotretinoin)
  • Retinolsäure

Weitere Ursachen

  • Gravidität (Schwangerschaft) [physiologische Triglycerid-Konzentrationen können sich während des dritten Trimesters verdoppeln]

Literatur

  1. David Wang D, Sievenpiper JL, de Souza RJ, Cozma AI, Chiavaroli L, Ha V, Mirrahimi A, Carleton AJ, Di Buono M, Jenkins AL, Leiter LA, Wolever TM, Beyene J, Kendall CW, Jenkins DJ: Effect of fructose on postprandial triglycerides: a systematic review and meta-analysis of controlled feeding trials. Atherosclerosis. 2014 Jan;232(1):125-33. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2013.10.019. Epub 2013 Nov 2. Review.
  2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, DGE info 02/2007: Trans-Fettsäuren; http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=709, letzter Zugriff: 30.05.12