Hyperinsulinismus – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Hyperinsulinämie ist durch eine erhöhte Insulinmenge im Blut gekennzeichnet und kann entweder durch eine vermehrte Insulinsekretion oder durch eine periphere Insulinresistenz entstehen, bei der die Wirkung des Insulins in den peripheren Geweben vermindert oder aufgehoben ist. Eine seltene Ursache kann die Bildung von Tumoren (Insulinome) sein, meist gutartige Tumoren, die eine übermäßige Insulinproduktion bewirken.

Man unterscheidet zwei Formen der Hyperinsulinämie:

  1. Erworbener Hyperinsulinismus: Diese Form entwickelt sich meistens im Zusammenhang mit einer Insulinresistenz, bei der die Körperzellen nicht mehr ausreichend auf Insulin reagieren. Zur Kompensation kommt es zu einer gesteigerten Insulinproduktion, um den Glucosespiegel zu kontrollieren.
  2. Kongenitaler (angeborener) Hyperinsulinismus (CHI): Diese genetisch bedingte Form ist auf eine pathologisch erhöhte Insulinsekretion der Beta-Zellen des Pankreas zurückzuführen und kann bereits ab der Geburt auftreten.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Erhöhte Insulinsekretion: Bei angeborenem Hyperinsulinismus kann eine genetische Störung der Beta-Zellen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) zu einer unkontrollierten Insulinfreisetzung führen, unabhängig von der Glucosekonzentration im Blut.
  • Periphere Insulinresistenz: Hier reagieren die Zellen nur eingeschränkt oder gar nicht auf Insulin, was zu einer Kompensationsreaktion mit gesteigerter Insulinsekretion führt, um die Glucoseaufnahme in die Zellen sicherzustellen.

Unterformen des kongenitalen Hyperinsulinismus

  1. Fokaler kongenitaler Hyperinsulinismus: Bei dieser Form ist die Insulinsekretion nur in einem begrenzten Gewebeareal des Pankreas gestört.
  2. Globaler kongenitaler Hyperinsulinismus: Die Insulinsekretion ist diffus im gesamten Pankreas pathologisch erhöht.
  3. Atypischer kongenitaler Hyperinsulinismus: Diese Form zeigt eine Kombination der Merkmale der fokalen und globalen Formen und lässt sich keiner der beiden eindeutig zuordnen.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Hypoglykämie (Unterzuckerung): Die übermäßige Insulinmenge führt zu einer vermehrten Glucoseaufnahme in die Zellen, was den Blutzuckerspiegel absenkt und zu Hypoglykämie führen kann, insbesondere in Ruhephasen oder bei Nahrungsmangel.
  • Vermehrte Lipogenese (Fettsäuresynthese) und Fettablagerung: Die hohe Insulinmenge begünstigt die Fettproduktion und Ablagerung im Gewebe, was langfristig das Risiko für Adipositas und assoziierte Erkrankungen wie arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) und Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung) erhöht.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Wiederkehrende Hypoglykämien (Unterzuckerungen), die sich als Müdigkeit, Schwindel, Zittern oder in schweren Fällen als Verwirrung und Bewusstseinsverlust äußern können.

Fortgeschrittene Symptome

  • Häufige Hypoglykämien können das Risiko für neurologische Komplikationen und Organschäden erhöhen.
  • Bei chronischer Hyperinsulinämie kann es zu einer Gewichtszunahme und Fettverteilung im Bauchbereich kommen.

Risikofaktoren

  • Genetische Prädisposition: Familiäre genetische Defekte, die eine Hyperinsulinämie begünstigen.
  • Erhöhte Kalorienaufnahme und Bewegungsmangel: Diese Faktoren fördern die Insulinresistenz und steigern das Risiko für erworbene Hyperinsulinämie.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Hyperinsulinämie, insbesondere der angeborene Hyperinsulinismus, ist eine komplexe Erkrankung mit potenziell schweren Folgen wie Hypoglykämie und Adipositas. Ein frühzeitiges Erkennen und eine gezielte Therapie sind entscheidend, um Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung FOXO3A rs2802292 G-Allel ist mit einer erhöhten peripheren und hepatischen Insulinempfindlichkeit assoziiert, d. h. das Fehlen des G-Allels ist ein Risikofaktor für eine Hyperinsulinämie 
  • Sozioökonomische Faktoren – niedriger sozioökonomischer Status [2]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Kohlenhydratreiche Ernährung (vor allem von Glucose und Saccharose (Zucker); z. B. auch Konsum von Softdrinks mit Zucker)
    • Fettreiche Ernährung (gesättigte Fettsäuren)
      Hinweis: Ein aromatisiertes Palmöl-Getränk führte zu einer Verringerung der Insulinsensibilität bzw. Insulinresistenz sowie zu vermehrten Fetteinlagerungen und Veränderungen im Energiestoffwechsel der Leber [1].
    • Übermaß an Nahrungsenergie [2]
  • Genussmittelkonsum 
    • Tabak (Rauchen) [2]
  • Körperliche Aktivität
    • Fehlende körperliche Aktivität (Bewegungsmangel) [2]
  • Psycho-soziale Situation
    • Schlafmangel [2]
    • Stress [2]
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    • Frauen < 80 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern und 88 cm bei Frauen.
  • Absichtliche Überdosierung von Insulin (= Hypoglycaemia factitia; Krankheitsbild, bei dem es durch gezielte Selbstverabreichung von blutzuckersenkenden Mitteln (vorwiegend Sulfonylharnstoffe) zu einem gewollten Absenken des Blutzuckers (Hypoglykämie) kommt)

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas (Fettsucht)
  • Autoantikörper gegen Insulin
  • Depression [2]
  • Diabetes mellitus Typ 2 (Alterszucker) – führt zur peripheren Insulinresistenz (verminderte Wirksamkeit des körpereigenen Insulins an den Zielorganen Skelettmuskulatur, Fettgewebe und Leber)
  • Ektope Insulinsekretion – Ausschüttung von Insulin von einem anderem Ort als dem Pankreas (Bauchspeicheldrüse)
  • Kongenitale Hyperinsulinämie (CHI) – meist infolge einer Ionenkanalmutation des ATP-sensitiven Kaliumkanals; pathologisch (krankhaft) gesteigerte Insulinsekretion der Beta-Zellen
  • Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Insulinom – seltener, meist benigner (gutartiger) Tumor aus endokrinen Zellen (Langerhans-Inseln) des Pankreas (Bauchspeicheldrüse), in dem vermehrt Insulin produziert wird

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypertriglyzeridämie (Fettstoffwechselstörung mit Erhöhung der Triglyceride)

Medikamente

  • Überdosierung von Insulin oder Insulinsekretagoga (Repa-/Nateglinid)
    • Überdosierung von Insulin → verringerte Insulinresistenz als Folge der Hyperinsulinämie und damit verbunden eine immer stärkere Freisetzung des Hormons, um den Blutzucker in Balance zu halten.
  • Sulfonylharnstoffe – orales Antidiabetikum (Medikament, welches bei Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt wird)

Literatur

  1. Hernández EÁ et al.: Acute dietary fat intake initiates alterations in energy metabolism and insulin resistance, J Clin Invest. 2017 Feb 1;127(2):695-708. doi: 10.1172/JCI89444. Epub 2017 Jan 23
  2. Kolb H et al.: Insulin translates unfavourable lifestyle into obesity. BMC Medicine201816:232 https://doi.org/10.1186/s12916-018-1225-1