Hyperinsulinismus – Einleitung

Hyperinsulinismus bezeichnet einen Zustand, bei dem übermäßig hohe Insulinspiegel im Blut vorliegen, typischerweise definiert durch Nüchterninsulinwerte von über 17 mU/l. Diese Überproduktion von Insulin kann verschiedene Ursachen haben und führt häufig zu Hypoglykämie, also einem abnorm niedrigen Blutzuckerspiegel, was erhebliche gesundheitliche Risiken birgt.

Thesaurussynonyma und ICD-10: Betazellen-Hyperplasie der Langerhans-Inseln; Beta-Zell-Hyperplasie; B-Zell-Hyperplasie; ektopischer Hyperinsulinismus; Enzephalopathie durch Hyperinsulinismus; Enzephalopathie durch hypoglykämisches Koma; funktionelle Hypoglykämie, ohne Anstieg des Insulinspiegels; funktioneller Hyperinsulinismus; Glukopenie; Hyperinsulinämie; Hyperinsulinismus; infantile Hypoglykämie; nichtarzneimittelinduzierte reaktive Hypoglykämie; posthypoglykämische Enzephalopathie; postoperative Hypoglykämie; ICD-10-GM E16.1: Sonstige Hypoglykämie

Ein Hyperinsulinismus kann verursacht sein durch eine vermehrte Sekretion von Insulin des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) oder durch eine Störung des Insulinabbaus. Ersteres kann bedingt sein durch eine periphere Insulinresistenz (z. B. bei Vorliegen eines Metabolischen Syndroms oder eines Diabetes mellitus Typ 2). Auch Tumoren (Insulinome, seltene
meist benigne (gutartige) Tumoren) können zu einer Überproduktion von Insulin führen.

Anatomie und Funktionen

Insulin wird in den Betazellen der Langerhans-Inseln des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) produziert und ins Blut abgegeben. Seine Hauptfunktion ist die Regulation des Glukosestoffwechsels: Insulin fördert die Aufnahme von Glukose in die Zellen, senkt dadurch den Blutzuckerspiegel und unterstützt die Speicherung von Glukose in Form von Glykogen in der Leber. Eine übermäßige Insulinsekretion, wie sie beim Hyperinsulinismus vorliegt, führt zu einer unverhältnismäßigen Senkung des Blutzuckerspiegels, was zu Hypoglykämie und den damit verbundenen Symptomen und Komplikationen führt.

Charakteristische Laborbefunde

  • Nüchterninsulin: Werte > 17 mU/l sind charakteristisch für Hyperinsulinismus.
  • Blutzuckerspiegel: Häufig hypoglykämische Werte (< 70 mg/dl) aufgrund der übermäßigen Insulinaktivität.
  • C-Peptid: Erhöhte Werte parallel zu Insulin, da C-Peptid zusammen mit Insulin aus Proinsulin abgespalten wird, was auf eine endogene (körpereigene) Insulinüberproduktion hinweist.
  • Glukosetoleranztest: Starke und anhaltende Senkung des Blutzuckerspiegels nach Glucosegabe, oft begleitet von einer unverhältnismäßig starken Insulinantwort.
  • Ketonspiegel im Blut: Erniedrigte Werte, da hohe Insulinspiegel die Lipolyse (Fettabbau) und damit die Ketonkörperproduktion hemmen.

Formen des Hyperinsulinismus

  • Erworbener Hyperinsulinismus: Erhöhte Insulinsekretion aufgrund peripherer Insulinresistenz (z. B. Metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus Typ 2) oder durch Insulinome (seltene, meist benigne (gutartige) Tumoren).
  • Kongenitaler (angeborener) Hyperinsulinismus: Pathologisch erhöhte Insulinsekretion der Beta-Zellen des Pankreas.
    • Fokaler kongenitaler Hyperinsulinismus: Sekretion ist bei einem begrenzten Gewebeareal gestört.
    • Globaler kongenitaler Hyperinsulinismus: Sekretion ist global, diffus gestört.
    • Atypischer kongenitaler Hyperinsulinismus: Eine Zuordnung zu fokalem oder globalem Hyperinsulinismus ist nicht möglich.

Ursachen

Hyperinsulinismus kann durch verschiedene Mechanismen verursacht werden:

  • Vermehrte Insulinsekretion
    • Insulinome: Seltene, meistens benigne (gutartige) Tumoren der Betazellen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse), die eine unkontrollierte Insulinproduktion verursachen.
    • Betazellhyperplasie: Vermehrte Anzahl an insulinproduzierenden Zellen, was zu einer erhöhten Insulinsekretion führt.
    • Ektopischer Hyperinsulinismus: Insulinproduktion durch nicht-pankreatische Gewebe oder Tumoren.
  • Periphere Insulinresistenz (verringerte Antwort insulinabhängiger Organe auf Insulin)
    • Metabolisches Syndrom: Eine Kombination aus Adipositas (Fettleibigkeit),  Hypertonie (Bluthochdruck), Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung) und Insulinresistenz, die zu einer kompensatorischen Hyperinsulinämie führt.
    • Diabetes mellitus Typ 2: Aufgrund der Insulinresistenz in peripheren Geweben produziert der Körper mehr Insulin, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren.
  • Störung des Insulinabbaus
    • Lebererkrankungen: Da die Leber eine Schlüsselrolle beim Abbau von Insulin spielt, können Lebererkrankungen zu einer verminderten Insulinclearance und damit zu erhöhten Insulinspiegeln führen.

Diese Ursachen können sowohl allein als auch in Kombination auftreten und erfordern eine differenzierte Diagnostik, um die zugrunde liegende Pathologie zu identifizieren und angemessen zu behandeln.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Ein Hyperinsulinismus kann in jedem Alter auftreten, entweder temporär (zeitweise) oder anhaltend. Der kongenitale Hyperinsulinismus manifestiert sich unmittelbar nach der Geburt oder innerhalb des ersten Lebensjahres.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) des kongenitalen Hyperinsulinismus: Diese beträgt nach Schätzungen ca. 1 Erkrankung pro 40.000 Einwohner pro Jahr (in Nordeuropa).

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Ein Hyperinsulinismus führt unbehandelt zu einer Hypoglykämie (Unterzuckerung).
  • Ohne Gegenregulation (z. B. Zufuhr von Monosacchariden wie Glucose) kann es zu einem hypoglykämischen Koma (Unterzuckerung mit schwerem Bewusstseinsverlust) kommen.

Prognose

  • Die Therapie des Hyperinsulinismus richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung.
  • Bei kongenitalem Hyperinsulinismus kann eine frühzeitige Diagnose und Behandlung die Prognose verbessern.
  • Eine adäquate Kontrolle des Blutzuckerspiegels ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Kongenitalen Hyperinsulinismus (KHI). (AWMF-Registernummer: 174 - 012), Januar 2020 Langfassung