Fettleber (Steatosis hepatis) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Fettleber (Steatosis hepatis) entsteht, wenn mehr als 5 % der Leber aus Fett besteht. Dieser Zustand tritt ein, wenn Triglyceride (Neutralfette) im Blutserum im Übermaß vorhanden sind und in die Leberzellen, die Hepatozyten, eingelagert werden. Wenn mehr als die Hälfte der Hepatozyten Fetttropfen enthalten, spricht man von einer Fettleber, die zu einer leichten bis mäßigen Hepatomegalie (Lebervergrößerung) führen kann.
Typen der Steatose
Es werden zwei Haupttypen der Leberverfettung unterschieden:
- Makrovesikuläre Steatose: Hierbei handelt es sich um große Fetttropfen in den Hepatozyten. Diese entsteht durch eine Diskrepanz zwischen der Synthese und/oder dem Transport von Lipiden aus den Hepatozyten.
- Mikrovesikuläre Steatose: Dieser Typ gilt als möglicher Vorläufer der makrovesikulären Steatose und wird als Folge eines schweren hepatozytären Schadens verstanden. Es kommt zu einer gestörten Beta-Oxidation von Fettsäuren (oxidativer Abbau von Fettsäuren zu Acetyl-CoA) [5, 6].
Ursachen der Fettleber
Man unterscheidet zwischen der nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD) und der alkoholbedingten Fettleber, wobei auch kryptogene Formen beschrieben wurden, bei denen die Ursache nicht eindeutig bekannt ist. Ein bedeutender Faktor bei der Entstehung der Fettleber ist eine Dysregulation des Fettstoffwechsels durch Faktoren wie Fettzellen, Eisen und Insulin. Beispielsweise kann Eisen die Verfügbarkeit des schützenden Hormons ApoE einschränken, das eine Rolle in der Fettregulation und der Insulinresistenz (verringerte Antwort auf Insulin) spielt [9].
Rolle des intestinalen Mikrobioms und der Entzündung
Eine Entzündung kann die Steatosis hepatis begleiten und wird dann als Fettleberhepatitis bezeichnet. Dabei spielt das intestinale Mikrobiom (Darmmikrobiom) eine wichtige Rolle. Eine Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) könnte Entzündungszellen in der Darmwand aktivieren und so zur Leberentzündung beitragen.
Genetische Faktoren
Eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Fettleber spielen GTPasen, die an der Autophagie (Abbau und Verwertung von Zellbestandteilen) der Fetttröpfchen in den Leberzellen beteiligt sind. Diese GTPasen binden an ein Protein namens ATGL, das den Fettabbau ermöglicht, was zur Bildung des Autophagosoms führt. Dieses verschmilzt mit dem Lysosom, was den enzymatischen Abbau der Fettmoleküle zur Folge hat [11].
Weiterentwicklung zur nicht-alkoholischen Fettleberentzündung (NASH)
Genomanalysen haben gezeigt, dass Hepatozyten während der Progression zur nicht-alkoholischen Fettleberentzündung (NASH) einen teilweisen Identitätsverlust erleiden, was zu ihrer Dysfunktion führt. Diese Umprogrammierung wird durch ein Netzwerk von Proteinen gesteuert, die als Transkriptionsfaktoren fungieren und die Funktion der Hepatozyten regulieren [12].
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Fettleber entsteht durch die Ablagerung von Triglyceriden in den Hepatozyten, was zu einer leichten bis mäßigen Hepatomegalie führen kann. Die makrovesikuläre und mikrovesikuläre Steatose sind die Hauptformen der Leberverfettung. Genetische Faktoren, das intestinale Mikrobiom und Entzündungsprozesse spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese. Eine fortschreitende Fettleber kann zu einer Fettleberhepatitis und möglicherweise zu einer nicht-alkoholischen Fettleberentzündung (NASH) führen.
Ätiologie (Ursachen) der nicht-alkoholischen Fettleber
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung [4]:
- In Familien von Patienten mit NAFLD finden sich häufig weitere Familienmitglieder mit NAFLD (familiäre Häufung)
- Zwillingsstudien belegen eine Häufung von NASH bei monozygoten (eineiigen) Zwillingen gegenüber dizygoten (zweieiigen) Zwillingen
- Mangel an GTPasen durch spezifische Genmutationen [11]
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Gene: PNPLA3
- SNP: rs738409 im Gen PNPLA3
- Allel-Konstellation: CC (3,2-fach; erhöhtes Risiko einer alkoholischen Fettleber; erhöhtes Leberfett)
- Allel-Konstellation: CG (1,79-fach; erhöhtes Leberfett, Risiko einer alkoholischen Fettleber)
- Allel-Konstellation: GG (niedriges Fettleberrisiko)
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Ethnische Herkunft – Lateinamerikaner sind häufiger betroffen als Afroamerikaner. Kaukasier nehmen hinsichtlich des ethnischen Risikos eine Mittelposition ein.
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Zu hohe Kalorienzufuhr, vor allem bei kohlenhydratreicher Ernährung (vor allem von Glucose, Fructose und Saccharose; z. B. auch Konsum von Softdrinks mit Zucker und Fructose)
- Eine erhöhte Fructoseaufnahme gilt als eigenständiger Risikofaktor für eine nicht-alkoholbedingte Fettlebererkrankung (NAFLD).
Auch kann eine überhöhte Fructosezufuhr aufgrund der Fructose-induzierten ATP-Depletion (Entleerung der Energiespeicher) die hepatische Inflammation (chronische Entzündungen in der Leber) fördern [1].
- Eine erhöhte Fructoseaufnahme gilt als eigenständiger Risikofaktor für eine nicht-alkoholbedingte Fettlebererkrankung (NAFLD).
- zu viel tierisches Protein – Untersuchungen zeigen, dass vor allem bei älteren Menschen mit Übergewicht eine Ernährung, die viel tierisches Protein enthält, mit einem erhöhten Risiko für eine nicht-alkoholische Fettleber assoziiert ist [8].
- Schneller Gewichtsverlust
- Die sich bei Hunger entwickelnde Fettleber beruht auf einem Proteinmangel (Eiweißmangel) bei kohlenhydratreicher Ernährung (Kwashiorkor)
- Zu hohe Kalorienzufuhr, vor allem bei kohlenhydratreicher Ernährung (vor allem von Glucose, Fructose und Saccharose; z. B. auch Konsum von Softdrinks mit Zucker und Fructose)
- Genussmittelkonsum
- Alkohol (Frau: ≥ 10 g/d, Mann: ≥ 20 g/d); um eine nicht-alkoholbedingte Fettlebererkrankung (NAFLD) von einer alkoholischen Fettleber (AFL; ALD) oder Mischformen zu unterscheiden, kann ein täglicher Alkoholgrenzwert von 10 g bei der Frau und 20 g beim Mann angenommen werden. Bei höheren täglichen Alkoholmengen kann eine alkoholische Fettleber nicht sicher ausgeschlossen werden [4]
- Tabak (Rauchen)
- Alkohol (Frau: ≥ 10 g/d, Mann: ≥ 20 g/d); um eine nicht-alkoholbedingte Fettlebererkrankung (NAFLD) von einer alkoholischen Fettleber (AFL; ALD) oder Mischformen zu unterscheiden, kann ein täglicher Alkoholgrenzwert von 10 g bei der Frau und 20 g beim Mann angenommen werden. Bei höheren täglichen Alkoholmengen kann eine alkoholische Fettleber nicht sicher ausgeschlossen werden [4]
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel
- > 10 Stunden sitzen/Tag und unabhängig davon, wie viel Sport getrieben wird [7] (möglicherweise wg. höherer Kalorienaufnahme)
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 30-100 %
- Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor
Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
- Männer < 94 cm
- Frauen < 80 cm
Krankheitsbedingte Ursachen (= metabolische Risikofaktoren)
- Chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Colitis ulcerosa – chronische, schubweise verlaufende Entzündung des Dickdarms
- Diabetes mellitus Typ II
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung) (erhöhte Triglycerid- und erniedrigte HDL-Cholesterinspiegel)
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) (+43 Prozent) [15]
- Insulinresistenz (verminderte Wirksamkeit des körpereigenen Insulins an den Zielorganen Skelettmuskulatur, Fettgewebe und Leber) → Insulin- und Glucosespiegel ↑ → fehlende Lipolysehemmung → Freisetzung von freien Fettsäuren (FFS) (aus Fettgewebs- und Muskelzellen) ↑ → de novo-Lipogenese ("Fettneubildung") in der Leber ↑ (= 1. Schritt zur Steatosis hepatis)
- Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
- Morbus Cushing – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol) führen
- Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom) – Symptomenkomplex, der durch eine hormonelle Funktionsstörung der Ovarien (Eierstöcke) gekennzeichnet ist.
- Psoriasis (Schuppenflechte) [3]
- Subklinische Inflammation (engl. "silent inflammation") – permanente systemische Inflammation (Entzündung, die den gesamten Organismus betrifft), die ohne klinische Symptomatik verläuft
Mikrovesikuläre Steatose
Ursachen
- Schwangerschaft
Ätiologie der sekundären Lebersteatose (modifiziert nach [2])
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Genetische Erkrankungen
- Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit) – autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, bei der durch eine oder mehrere Genmutationen der Kupferstoffwechsel in der Leber gestört ist
- Genetische Erkrankungen
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Mangelernährung
- Totale parenterale Ernährung – Infusionprogramm, bei dem der Patient mit allen notwendigen Makro- und Mikronährstoffen über das Blutgefäßsystem (para enteral = neben dem Darm) versorgt wird; dabei wird der Verdauungstrakt komplett umgangen
Krankheitsbedingte Ursachen
- Akute Schwangerschaftsfettleber
- Darmerkrankungen
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
- Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie)
- HELLP-Syndrom (H = hemolysis (Hämolyse/Auflösung der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Blut), EL = elevated liver enzymes (Erhöhung der Leberenzyme), LP = low platelets (Thrombozytopenie/Verminderung der Blutplättchen) – Sonderform der Präeklampsie, die mit Blutbildveränderungen einhergeht und lebensgefährliche Verläufe annehmen kann/Komplikation bei Schwangerschaftsbluthochdruck
- Hepatitis C (V. a. Genotyp 3) [makrovesikuläre Leberzellverfettung]
- Jamaikanische Brechkrankheit – tritt auf nach dem Verzehr einer unreifen Pflaumenart
- Kurzdarmsyndrom – Krankheitsbild, das durch die operative Entfernung (Resektion) oder das angeborene Fehlen großer Teile des Dünndarms entsteht
- Stoffwechselstörungen
- Abetalipoproteinämie (Synonym: homozygote familiäre Hypobetalipoproteinämie, ABL/HoFHBL) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; schwere Form der familiären Hypobetalipoproteinämie, die durch einen Mangel an Apolipoprotein B48 und B100 gekennzeichnet ist; Defekt in der Bildung der Chylomikronen, der bei Kindern zu Fettverdauungsstörungen führt und damit zu einer Malabsorption (Störung der Nahrungsresorption).
- Cholesterolesterspeichererkrankung (CESD)
- Familiäre Hyperlipidämie
- Glykogenosen
- Hereditäre Fructoseintoleranz
- Hypobetalipoproteinämie
- Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase-Mangel (LCAT-Mangel; seltener, autosomal-rezessiv vererbter Enzymdefekt des extrazellulären Cholesterinstoffwechsel)
- LCAT-Mangel
- Lipodystrophie
- Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit)
- Weber-Christian-Syndrom
- Subklinische Hypothyreose (TSH > 4,5 mU/l und normale T4-Serumspiegel (Thyroxinwerte)) → erhöhte Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) und höhere Mortalität (Sterberate) einer metabolisch assoziierten Fettlebererkrankung (MAFLD) [14]
- Reye-Syndrom – akute Enzephalopathie (krankhafte Veränderung des Gehirns) mit gleichzeitiger Fettleberhepatitis (Fettleberentzündung) nach einem durchgemachten viralen Infekt bei Kleinkindern; tritt durchschnittlich eine Woche nach dem Abklingen der vorhergegangenen Erkrankung auf
Medikamente (makrovaskuläre Verfettung)
- Amiodaron
- Antiretrovirale Medikamente (ART)
- Calciumantagonisten
- Hormone
- Steroide – Glucocorticoide
- Synthetische Östrogene
- Tamoxifen
- Steroide – Glucocorticoide
- Nivolumab (Checkpoint-Inhibitor, der als Wirkstoff gegen verschiedene Tumoren eingesetzt wird) [10]
- Vitamin A (in toxischen Konzentrationen*)
- Zytostatika – Methotrexat [Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH)]
* Generell ist eine Vitamin A-Toxizität mit der langfristigen Einnahme von Dosen des Vitamins verbunden, die die empfohlene Tagesdosis um das 10-fache übersteigen – 8.000-10.000 Mikrogramm oder 25.000-33.000 IE pro Tag.
Medikamente (mikrovaskuläre Verfettung)
- Acetylsalicylsäure (ASS)
- MDMA (Amphetamine)
- Valproinsäure
- Tetracyclin
- Nukleosidanaloga
- Didanosin
- Stavudin
- Valproinsäure
Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Antimon
- Bariumsalze
- Borate
- Chromate
- Endokrine Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können, wie beispielsweise: per- und polyfluorierte Alkylverbindungen („PFAS“), Polytetrafluorethylen („Teflon"), polybromierte Diphenylether (Flammschutzmittel)
- Kupfer
- Phosphor
- Petrochemische Erzeugnisse – Mineralöle etc.
Weiteres
- Zusammensetzung des Darmmikrobioms?
Literatur
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Leitlinien
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