Diabetisches Koma – Einleitung

Das diabetische Koma ist eine akute, lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, die als Komplikation des Diabetes mellitus auftreten kann. Es wird in zwei Hauptformen unterschieden: die diabetische Ketoazidose (DKA), die vorwiegend bei Diabetes mellitus Typ 1 auftritt, und das hyperosmolare, nichtketotische Koma (HNKS), das typischerweise bei Diabetes mellitus Typ 2 vorkommt.

Synonyme und ICD-10: Coma diabeticum; ICD-10-GM E14.01: Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus, mit Koma, als entgleist bezeichnet)

Charakteristische Laborbefunde

  • Diabetische Ketoazidose (DKA)
    • Hyperglykämie: Blutzuckerwerte zwischen > 250 und < 600 mg/dl
    • Ketose: Nachweis von Ketonkörpern im Blut und Urin
    • Metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung): Erniedrigter pH-Wert im Blut (< 7,3) und erniedrigtes Bicarbonat (< 15 mEq/L)
    • Hyperkalämie: Erhöhter Kaliumspiegel im Blut, oft durch Azidose bedingt
  • Hyperosmolares, nichtketotisches Koma (HNKS)
    • Schwere Hyperglykämie: Blutzuckerwerte > 600 mg/dl, oft weit über 1000 mg/dl
    • Hyperosmolarität: Erhöhte Osmolalität des Blutes (> 320 mOsm/kg)
    • Hypovolämie: Verminderte Blutvolumen aufgrund osmotischer Diurese
    • Fehlen von Ketose: Keine oder minimale Ketonkörper im Blut oder Urin

Formen der Erkrankung

  • Diabetische Ketoazidose (DKA): Eine schwere Stoffwechselentgleisung durch absoluten Insulinmangel, hauptsächlich bei Diabetes mellitus Typ 1. Charakteristisch sind Hyperglykämie, Ketose und metabolische Azidose.
  • Hyperosmolares, nichtketotisches Koma (HNKS): Eine schwere Hyperglykämie mit ausgeprägter Dehydratation (Volumenmangel) und Hyperosmolarität, ohne signifikante Ketose. Es tritt vorwiegend bei Diabetes mellitus Typ 2 auf und ist durch einen relativen Insulinmangel gekennzeichnet.

Ursachen

  • Infektionen: Häufigste Auslöser einer Stoffwechselentgleisung, die ein diabetisches Koma bedingen können.
  • Inadäquate Insulintherapie: Unzureichende Insulindosis oder Unterbrechung der Insulinbehandlung.
  • Akuter Stress: Operationen, Traumata oder andere schwerwiegende Erkrankungen können die Insulinresistenz erhöhen und ein Koma auslösen.

Differentialdiagnosen

  • Hypoglykämisches Koma: Durch zu niedrigen Blutzucker (Hypoglykämie) bedingtes Koma, das häufig bei Diabetikern unter strenger Blutzuckerkontrolle auftritt.
  • Laktatazidose: Eine seltene, aber schwere Komplikation, insbesondere bei Patienten mit Metformintherapie, gekennzeichnet durch erhöhte Laktatspiegel im Blut.
  • Nierenversagen: Kann ebenfalls zu metabolischen Entgleisungen führen, die mit einem diabetischen Koma verwechselt werden können.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel:
Bei Typ-1-Diabetes häufig im Jugendalter, bei Typ-2-Diabetes eher im höheren Alter.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Die jährliche Häufigkeit des diabetischen Komas liegt bei etwa 3-5 Fällen pro 1.000 Diabetiker.

Inzidenz
(Häufigkeit von neue Erkrankungen): Das ketoazidotische Koma tritt in ca. 25 % der Fälle als Erstmanifestation eines Diabetes mellitus Typ 1 auf.

Verlauf und Prognose

Diabetische Ketoazidose (DKA)

Verlauf

  • Frühe Phase: Die diabetische Ketoazidose beginnt häufig mit unspezifischen Symptomen wie erhöhter Urinausscheidung (Polyurie), gesteigertem Durst (Polydipsie) und Müdigkeit. Diese Symptome entwickeln sich über Stunden bis Tage.
  • Fortgeschrittene Phase: Bei anhaltendem Insulinmangel und fehlender Intervention kommt es zur fortschreitenden Dehydratation und metabolischen Azidose. Die Lipolyse (Fettabbau) führt zur Freisetzung von Fettsäuren, die in der Leber zu Ketonkörpern umgewandelt werden. Dies führt zur Ketose, was durch einen Acetongeruch in der Ausatemluft bemerkbar wird. Patienten entwickeln Übelkeit, Erbrechen und abdominelle Schmerzen, die oft als „Pseudoperitonitis“ fehlgedeutet werden können. Zunehmende Azidose führt zu Kussmaul-Atmung (tiefe, angestrengte Atmung) und Bewusstseinstrübung.
  • Koma: Unbehandelt schreitet die Ketoazidose weiter fort und führt zu einer schweren Hypovolämie (Volumenmangel), Elektrolytstörungen (insbesondere Hyperkalämie/erhöhte Kaliumwerte im Blut) und schließlich zum Koma. Das Koma ist eine Folge der Azidose, der Dehydratation (Volumenmangel) und der toxischen Wirkung der Ketonkörper auf das Gehirn.

Prognose

  • Akute Prognose: Bei rechtzeitiger und adäquater Behandlung, einschließlich Insulingabe, Rehydratation und Korrektur von Elektrolytstörungen, ist die Prognose in der Regel gut. Das ketoazidotische Koma kann jedoch unbehandelt innerhalb weniger Stunden bis Tage zum Tod führen.
  • Langzeitprognose: Patienten, die eine Ketoazidose überlebt haben, haben ein erhöhtes Risiko für wiederholte Episoden, insbesondere wenn die Blutzuckerkontrolle unzureichend ist oder Insulintherapie-Fehler auftreten. Langfristige Komplikationen hängen von der Dauer und Schwere der Azidose ab, einschließlich möglicher neurologischer Schäden.

Hyperosmolares, nichtketotisches Koma (HNKS)

Verlauf

  • Frühe Phase: HNKS entwickelt sich langsamer als DKA, oft über Tage bis Wochen. Patienten zeigen Zeichen einer fortschreitenden Dehydratation, wie trockene Schleimhäute, Hautturgorverlust und zunehmende Schwäche. Eine sehr hohe Blutzuckerkonzentration (> 600 mg/dl) führt zu ausgeprägter osmotischer Diurese, was zu massivem Flüssigkeitsverlust führt.
  • Fortgeschrittene Phase: Mit zunehmender Dehydratation und Hyperosmolarität kommt es zu neurologischen Symptomen wie Verwirrtheit, Lethargie, Krampfanfällen und Hemiparesen (ähnlich wie bei einem Schlaganfall). Im Gegensatz zur DKA tritt keine Ketose auf, da der geringe Restinsulinspiegel die Fettverbrennung und Ketonkörperbildung hemmt. Die Hyperosmolarität des Blutes (> 320 mOsm/kg) kann schließlich zur Bewusstseinsstörung und zum Koma führen.
  • Koma: Im fortgeschrittenen Stadium führt die Kombination aus schwerer Dehydratation, Elektrolytstörungen und Hyperosmolarität zu einem hyperosmolaren Koma. Die Bewusstseinsstörungen können tief und lang anhaltend sein.

Prognose

  • Akute Prognose: Die Letalität bei HNKS ist höher als bei DKA und liegt je nach Schweregrad, Alter des Patienten und Vorliegen von Komorbiditäten bei 10-20 %. Todesursachen sind meist Herz-Kreislauf-Versagen, Nierenversagen oder schwere Infektionen.
  • Langzeitprognose: Patienten, die ein HNKS überleben, haben ein erhöhtes Risiko für erneute Episoden, insbesondere wenn die Grunderkrankung (z. B. Diabetes mellitus Typ 2) schlecht kontrolliert bleibt. Dauerhafte neurologische Schäden oder kognitive Beeinträchtigungen können auftreten, abhängig von der Dauer des hyperosmolaren Zustands.

Weitere wichtige Aspekte für Verlauf und Prognose:

  • Elektrolytstörungen: Sowohl bei DKA als auch HNKS sind Elektrolytstörungen häufig und können lebensbedrohlich sein. Eine sorgfältige Überwachung und Korrektur, insbesondere von Kaliumspiegeln, ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung und Prognose.
  • Komorbiditäten: Patienten mit zusätzlichen Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz (Herzschwäche), chronische Nierenerkrankung) haben ein höheres Risiko für Komplikationen und eine schlechtere Prognose. Dies gilt insbesondere für ältere Patienten.
  • Therapieresistenz: In seltenen Fällen kann ein diabetisches Koma auf therapeutische Maßnahmen nicht ausreichend ansprechen, was die Prognose erheblich verschlechtert. Dies kann durch eine verzögerte Behandlung oder eine besonders schwere Stoffwechselentgleisung bedingt sein.

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Therapie des Typ-1-Diabetes. (AWMF-Registernummer: 057-013), März 2018 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes. (AWMF-Registernummer: nvl-001), März 2021 Langfassung