Diabetischer Fuß – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Der diabetische Fuß ist eine komplexe Folgeerkrankung des Diabetes mellitus, die durch ein Zusammenspiel mehrerer pathophysiologischer Mechanismen entsteht, insbesondere Ischämie (Minderdurchblutung), Neuropathie (Nervenschäden) und Infektionen. Diese Mechanismen führen zu strukturellen und funktionellen Veränderungen des Fußes, die das Risiko für Geschwüre und Gewebeverlust erhöhen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Hyperglykämie und Wundheilungsstörung
    • Die chronisch erhöhte Blutzuckerkonzentration bei Diabetes mellitus führt zu einer Störung der Wundheilungskaskade. Dies hemmt die Bildung von Granulationsgewebe und die Epithelisierung, was die Heilung bestehender Läsionen beeinträchtigt und das Risiko für neue Wunden erhöht.
  • Neuropathie
    • Sensomotorische Neuropathie: Nervenschäden führen zu einem Verlust des Schmerzempfindens und der Druckwahrnehmung, was dazu führt, dass Betroffene kleinere Verletzungen oder Druckstellen nicht rechtzeitig wahrnehmen. Dies führt zu unbemerkten Geschwüren, die sich ohne Behandlung verschlimmern können.
    • Autonome Neuropathie: Die autonome Nervenschädigung führt zu einer verminderten Schweißproduktion und damit zu trockener Haut, die leichter Risse und Geschwüre bildet.
    • Motorische Neuropathie: Schwächen in den Fußmuskeln verändern die Biomechanik des Fußes, was zu Fehlstellungen und Druckstellen führt, die das Risiko für Hautschädigungen erhöhen.
  • Ischämie
    • Durch die diabetische Angiopathie (Gefäßveränderungen) kommt es zu einer Minderdurchblutung in den unteren Extremitäten, insbesondere bei langjährigem Diabetes. Diese Ischämie trägt dazu bei, dass das Gewebe unzureichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, was die Heilung von Verletzungen erschwert und das Risiko für Nekrosen und Ulzera erhöht.
    • Ca. 35 % der Fälle zeigen eine Kombination aus neuropathischen und ischämischen Läsionen, die das Risiko für Infektionen und Ulzera weiter erhöhen.
  • Infektion
    • Bei offenen Wunden oder Ulzera kann es schnell zu Infektionen kommen, die bei bestehender Hyperglykämie schneller fortschreiten und schwerer kontrollierbar sind. Das diabetische Milieu begünstigt das Wachstum von Bakterien und das Fortschreiten von Infektionen in tiefere Gewebeschichten.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Gewebe- und Hautschädigung: Die Minderdurchblutung und neuropathische Veränderungen führen zu wiederkehrenden Verletzungen und Geschwüren.
  • Verzögerte Heilung und chronische Ulzera: Durch die unzureichende Wundheilungskapazität bei diabetischer Stoffwechsellage bleiben Geschwüre oft bestehen und neigen zu sekundären bakteriellen Infektionen.
  • Infektionen: Begleitinfektionen der Haut und des tieferen Gewebes können bis zur Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) führen und das Risiko einer Amputation erhöhen.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Schmerzlose Geschwüre und Druckstellen, insbesondere an den Fußsohlen und Zehen
  • Trockene, rissige Haut und Veränderungen der Fußform (z. B. Hammerzehen durch motorische Neuropathie)

Fortgeschrittene Symptome

  • Nekrosen und chronische Wunden, die nicht abheilen
  • Infektionen und Fieber, bei fortgeschrittener Infektion oft mit systemischen Symptomen wie Erschöpfung und Übelkeit
  • Schwere Durchblutungsstörungen mit kalten, blassen Extremitäten

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Der diabetische Fuß entsteht durch das Zusammenwirken von Neuropathie, Ischämie und Infektionen bei einem hyperglykämischen Milieu. Etwa 50 % der Fälle sind durch neuropathische Läsionen, 35 % durch eine Kombination von Neuropathie und Ischämie und 15 % durch reine ischämische Läsionen bedingt. Eine frühzeitige und regelmäßige Kontrolle der Füße sowie die Optimierung der Blutzuckereinstellung sind entscheidend, um Komplikationen wie chronische Ulzera und Infektionen zu verhindern und Amputationen vorzubeugen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Sozioökonomische Faktoren
    • niedriger sozialer Status/niedriger Bildungsstand
    • schlechter Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ungeeignetes Schuhwerk (Druckstellen)
  • Barfußgehen
  • Gegenstände in den Schuhen
  • Fehlende/unzureichende Schulung
  • Fehlende Compliance

Krankheitsbedingte Ursachen

Augen und Augenanhangsgebilde (H00-H59)

  • Eingeschränktes Sehvermögen, nicht näher bezeichnet

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), vor allem bei schlechter Blutzuckereinstellung → Hyperglykämie (Überzuckerung)
  • Vorangehende Ulzerationen (Geschwürbildungen)

Haut und Unterhaut (L00-L99)

  • Hornhautschwielen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) – ca. 50 % der Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom haben eine periphere Arteriosklerose
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – fortschreitende Verengung bzw. Verschluss der die Arme/ (häufiger) Beine versorgenden Arterien, meist aufgrund von Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Onychomykose (Nagelpilz) am Fuß

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Eingeschränkte Gelenkmobilität, nicht näher bezeichnet
  • Fußdeformitäten, nicht näher bezeichnet
  • Knochenvorsprünge, nicht näher bezeichnet

Nervensystem (G00-G99)

  • Diabetische Polyneuropathie (DPN) ‒ Nervenschädigung, die durch Diabetes mellitus bedingt ist

Weitere Ursachen

  • Sturz/Unfall