Diabetische Nephropathie – Einleitung

Die diabetische Nephropathie (DBN), auch als diabetische Nierenerkrankung bezeichnet (lat. Nephropathia diabetica), ist eine chronische, progrediente Erkrankung der Nieren, die als Folge eines langjährigen Diabetes mellitus auftritt. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine Mikroangiopathie, bei der die kleinen Blutgefäße (Kapillaren) der Nieren geschädigt werden, was letztlich zu einer verminderten Nierenfunktion bis zum terminalen Nierenversagen führt.

Synonyme und ICD-10: diabetesassoziierte Nephropathie, diabetische Glomerulonephritis; diabetische Glomerulosklerose; interkapilläre Glomerulonephritis; Kimmelstiel-Wilson-Syndrom; Morbus Kimmelstiel-Wilson; Nephropathie, diabetische; ICD-10-GM E14.20: Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus mit Nierenkomplikationen; nicht als entgleist bezeichnet

Die diabetische Nephropathie ist in den industrialisierten Ländern die häufigste Ursache der terminalen Niereninsuffizienz (Nierenversagen).

Anatomie und Funktionen

Die Nieren bestehen aus einer Vielzahl von Nephronen, den funktionellen Einheiten, die das Blut filtern, Urin produzieren und den Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt des Körpers regulieren. In der diabetischen Nephropathie kommt es zur Schädigung der glomerulären Basalmembran und der Mesangiumzellen, was zu einer Glomerulosklerose (Verhärtung der Glomeruli) und einer fortschreitenden Funktionsstörung führt.

Charakteristische Laborbefunde

  • Mikroalbuminurie: Frühes Anzeichen, bei dem geringe Mengen von Albumin im Urin nachgewiesen werden (30-300 mg/24 h).
  • Makroalbuminurie: Späteres Stadium, bei dem größere Mengen von Albumin im Urin vorhanden sind (> 300 mg/24 h).
  • Erhöhte Serumkreatininwerte: Indikator für eine abnehmende glomeruläre Filtrationsrate (GFR).
  • Reduzierte glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Fortschreitender Verlust der Nierenfunktion.
  • Hyperkaliämie: Erhöhter Kaliumspiegel im Blut, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien.
  • Hypoalbuminämie: Reduzierter Albuminspiegel im Blut aufgrund des Albuminverlusts über den Urin.
  • Anämie (Blutarmut): Häufig durch eine reduzierte Erythropoetinproduktion in geschädigten Nieren bedingt.

Formen der Erkrankung

Die diabetische Nephropathie wird in verschiedene Stadien unterteilt, die den Schweregrad der Nierenschädigung widerspiegeln:

  1. Stadium 1 (Hyperfiltration): Erhöhte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ohne nachweisbare Nierenschädigung.
  2. Stadium 2 (Normoalbuminurie): Normale GFR, aber Mikroangiopathie nachweisbar.
  3. Stadium 3 (Mikroalbuminurie): Erste Anzeichen von Albumin im Urin, GFR noch normal oder leicht vermindert.
  4. Stadium 4 (Makroalbuminurie/Proteinurie): Erhöhte Albuminausscheidung, GFR nimmt ab.
  5. Stadium 5 (Niereninsuffizienz): Schwere Einschränkung der Nierenfunktion hin zum terminalen Nierenversagen.

Ursachen

Die diabetische Nephropathie wird primär durch langjährig schlecht eingestellten Diabetes mellitus verursacht. Hohe Blutzuckerwerte führen zu einer Glykolisierung der Proteine in den glomerulären Kapillaren, was zu einer Verdickung der glomerulären Basalmembran und einer Vermehrung des Mesangiums führt. Weitere Risikofaktoren sind:

  • Genetische Prädisposition: Familiengeschichte von Nierenerkrankungen.
  • Hypertonie (Bluthochdruck): Verstärkt die Progression (Fortschreiten) der Nierenschädigung.
  • Dyslipidämie: Erhöhte Blutfettwerte tragen zur Glomerulosklerose bei.
  • Rauchen: Verstärkt vaskuläre Schäden (Gefäßschäden).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Häufigkeitsgipfel
: Am häufigsten zwischen 50 und 70 Jahren.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit)

  • Bei Typ-1-Diabetikern ca. 30 %, bei Typ-2-Diabetikern ca. 20 % innerhalb von 15-30 Jahren.
  • Mikroalbuminurie in Deutschland: 17-34 % [1].
  • Diabetische Nephropathie in Deutschland: 7-15 % bei einer mittleren Diabetesdauer von 8-19 Jahren [1].

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Frühe Erkennung: Mikroalbuminurie ist das erste klinische Zeichen. Bei frühzeitiger Erkennung kann die Progression durch strikte Blutzuckerkontrolle und Blutdrucksenkung verlangsamt werden.
  • Progression: Ohne Behandlung kommt es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion, zunächst mit Makroalbuminurie (s. o.), später mit sinkender GFR (s. o.) und schließlich Niereninsuffizienz (Nierenschwäche).

Prognose

  • Günstiger Verlauf: Bei frühzeitiger Diagnose und optimaler Therapie kann das Fortschreiten verlangsamt oder aufgehalten werden.
  • Ungünstiger Verlauf: Unbehandelt führt die diabetische Nephropathie in der Regel innerhalb von 5-10 Jahren zum terminalen Nierenversagen, das eine Dialyse oder Nierentransplantation erfordert.
  • Begleiterkrankungen: Häufig bestehen zusätzliche diabetische Folgeerkrankungen wie Retinopathie (Netzhauterkrankung des Auges) oder Neuropathie (Erkrankungen der peripheren Nerven).

Literatur

  1. Heller T, Blum M, Spraul M et al.: Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus: Prävalenzen in der Bundesrepublik Deutschland. Dtsch Med Wochenschr 2014 Apr;139(15):786-91. doi: 10.1055/s-0034-1369889. Epub 2014 Apr 1.

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter. (AWMF-Registernummer: nvl-001d - wird überarbeitet), September 2015 Kurzfassung Langfassung
  2. KDIGO-Leitlinie zur diabetischen Nephropathie: Clinical Practice Guideline for Diabetes Management in Chronic Kidney Disease. KDIGO Novermber 2022