Diabetes mellitus Typ 2 – Medikamentöse Therapie

Therapieziel und Therapieempfehlungen

  • Individuell abzustimmender HbA1c-Zielkorridor von 6,5-7,5 % (48-58 mmol/mol)
  • HbA1c-Zeilwert nahe 6,5 %, nur wenn dieser durch Lebensstiländerungen und/oder Metformin zu erreichen ist! (DEGAM)
    • Individuelle Ziel sollte im unteren Bereich des HbA1c-Zielkorridors bzw. ggf. sogar darunter liegen:
      • kurze Diabetesdauer; bislang moderat erhöhte HbA1c-Werte; keine kardiovaskulären Schäden und/oder
      • Ziel erreichbar ohne Nebenwirkungen (Hypoglykämien/Unterzuckerungen, Gewichtszunahme)
    • Individuelle Ziel sollte eher im oberen Bereich des HbA1c-Zielkorridors bzw. ggf. sogar darüber liegen:
      • langjährig schlecht eingestellter Diabetes und/oder
      • bereits bestehende kardiovaskuläre Schäden/Vorerkrankungen sowie schwierige Einstellbarkeit (mit erhöhtem Risiko für Hypoglykämien/Unterzuckerungen) oder
      • Komorbiditäten (Begleiterkrankungen), Lebenserwartung oder Begleitumstände, die Aufwand und Risiko im Vergleich zum Nutzen es niedrigen HbA1c-Ziels nicht rechtfertigen
    • American College of Physicians (ACP): Bei den meisten Patienten sollte ein HbA1c-Wert von 7-8 % angestrebt werden [32].
  • Senkung des Nüchternglucose (Nüchternblutzucker)-Serumspiegels zwischen 100-125 mg/dl (5,6-6,9 mmol/L)
  • Senkung des postprandialen ("nach einer Mahlzeit") Glucose-Serumspiegels 180 mg/dl (10,0 mmol/l) (2 h pp.)
  • Therapie einer bestehenden Hyper- und Dyslipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung):
    • Gesamtcholesterin < 180 mg/dl (< 4,7 mmol(L) [s. u. Hypercholesterinämie/Medikamentöse Therapie: Lipidzielwerte und lipidsenkende Therapie bei Patienten mit Diabetes mellitus]
    • LDL < 100 mg/dl (< 2,6 mmol/L); bei KHK < 70 mg/dl (< 1,8 mmol/L)
      • Beachte: Statine können die Wirksamkeit des körpereigenen Insulins herabsetzen und den Blutzucker ansteigen lassen.
    • HDL
      • Männer: > 40 mg/dl (> 1,1 mmol/L)
      • Frauen: > 50 mg/dl (> 1,3 mmol/L)
    • Triglyceride < 150 mg/dl (< 1,7 mmol/L)
  • Therapie einer Hypertonie gemäß ESH/ESC-Leitlinie (European Society of Hypertension (ESH)/European Society of Cardiology (ESC); Barcelona, 2018):
    • Blutdruck von ≤ 140/90 mmHg; systolischer Blutdruck in Abhängigkeit vom Lebensalter:
      • Lebensalter 18-65: 130-120 mmHg
      • Lebensalter > 65-79: 140-120 mmHg
      • Lebensalter ≥ 80: 140-130 mmHg
    • Diastolischer Blutdruck: primäre Therapieziel von < 90 mmHg; unabhängig von Alter und der Begleitmorbidität anstreben eines Blutdruckzielbereich von 80-70 mmHg 
    • Blutdruckgrenze: 120/70 mmHg
  • Ggf. Therapie einer Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut; Gicht)
  • Ggf Therapie einer Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss)
  • Gewichtsreduktion auf Normalgewicht – Durch eine nachhaltige Gewichtsreduktion wird die Insulinresistenz vermindert, wodurch der Bedarf an Antidiabetika, auch Insulin, sinkt. 
  • Steigerung der körperlichen Aktivität (ca. 150 min/Woche)
  • Nikotinverzicht
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

***Die Auswertung des schwedischen Diabetesregisters von 187.106 Typ-2-Diabetikern stellt die geltende Empfehlungen infrage: Ein Blutdruck von 110 bis 119 mmHg führte seltener zu einem nicht-tödlichen akuten Myokardinfarkt (- 24 %), seltener zu einem Herzinfarkt (-15 %), seltener zu nicht-tödlichen kardiovaskulären Erkrankungen (-18 %) und zu irgendeiner kardiovaskulären Erkrankung (-18 %) und seltener zu einer nicht-tödlichen koronaren Herzkrankheit (-12 %).
Eine J-Kurve zeigte sich jedoch bei den Endpunkten Myokardinfarkt und Gesamtmortalität: Patienten erkrankten bei Blutdruckwerten von 110 bis 119 mmHg zu 20 % häufiger an einer Herzinsuffizienz und das Mortalitätsrisiko war um 28 % erhöht [24].

Beachte!

  • SGLT2-Hemmer
    • Medikamentös bislang unbehandelte Patienten mit hohem bis sehr hohem kardiovaskulären Risiko sollten unabhängig vom HbA1c-Wert mit einem SGLT2-Inhibitor oder einem GLP-1-Rezeptorantagonisten (Liraglutid, Semaglutid, Dulaglutid) behandelt werden.
    • Typ-2-Diabetiker mit bestehender klinisch relevanter Atherosklerose sollen (bei HbA1c >7) bereits primär mit einer Kombination aus Metformin und entweder einem GLP-1-Rezeptorantagonisten oder einem SGLT2-Inhibitor behandelt werden.
    • SGLT-2-Hemmer sind Sulfonylharnstoffen und DPP-4-Blockern bei der glykämischen Kontrolle überlegen [55].
    • Guidelines der European Society of Cardiology: SGLT2-Hemmer werden als First-Line-Behandlung für Patienten mit Typ 2-Diabetes mellitus empfohlen, bei denen eine relevante arteriosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung vorliegt und die entweder keine blutzuckersenkenden Medikamente bekommen oder mit Metformin behandelt werden.
  • Eine behandlungs-induzierte Neuropathie (Erkrankungen des peripheren Nervensystems) entwickeln Diabetiker infolge einer Behandlung des Diabetes (engl. „Treatment-induced Neuropathy in Diabetes“, TIND), mit einer akut einsetzenden Neuropathie oder Symptomen einer Schädigung des autonomen Nervensystems, wenn der HbA1c innerhalb von drei Monaten schnell über 2 Prozent gesenkt wurde (62 % versus 4,3 %, wenn der HbA1c weniger als 2 % innerhalb von 3 Monaten abgenommen hatte) Je schneller und je größer die Reduktion des HbA1c, umso größer war auch das Risiko für eine Diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung) und eine Mikroalbuminurie (Warnzeichen einer Nierenerkrankung) [10, 11].
  • Patienten mit einem MODY-Diabetes benötigen im Regelfall kein Insulin, sondern werden mit diätetischen Maßnahmen und Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe) behandelt.
  • Patienten mit einem latenten autoimmunen Diabetes im Erwachsenenalter (LADA) werden weitgehend wie Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 behandelt, brauchen aber meist früher Insulin als Typ-2-Diabetiker ohne Antikörper.
  • Eine kurzzeitige intensivierte Insulintherapie (engl. short-term intensive insulin therapy, SIIT) kann bei Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes die Betazellfunktion durch Reduktion der Glucosetoxizität wiederherstellen und damit ebenfalls die Insulinsensitivität wiederherstellen. Die Insulintherapie wurde über 14 Tage entweder mit Insulin lispro oder Insulin aspart über eine Insulinpumpe durchgeführt. Ziel der SIIT war eine Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) < 6,0 mmol/L (108 mg/dl) und ein 2-Stunden-Wert < 8 mmol/L (144 mg/dl): nach einem Jahr hatten 56 Patienten (58,9 %) eine normale Stoffwechsellage [36].
    Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, wenn der HbA1c-Wert hoch ist, geben die Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetesgesellschaft eine Empfehlung für eine initiale Insulintherapie  [37].
  • Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes (Stand: 2020): Typ-2-Diabetiker mit bestehender klinisch relevanter Atherosklerose sollen (bei HbA1c > 7) bereits primär mit einer Kombination aus Metformin und entweder einem GLP-1-Rezeptoragonisten oder einem SGLT2-Blocker behandelt werden.

Therapieempfehlungen gemäß Stufenplan

Beginn der Therapie mit Stufe 1. Sollte nach drei bis sechs Monaten der Ziel-HbA1c nicht erreicht worden sein, werden die Maßnahmen der nächsten Stufe durchgeführt.

Stufe      
Maßnahmen   
1 Schulung, Ernährungsberatung, Bewegung
2 Metformin [KI bei Kreatinin-Clearance: < 30 mL/min; bzw. Unverträglichkeit] 
Bei Metformin-KI:
  • DPP-4-Inhibitor
  • Insulin (häufig Verzögerungsinsulin)
  • SGLT-2-Inhibitor
  • Sulfonylharnstoff/Glinide
  • Glukosidasehemmer
  • Pioglitazon
3
Kombination aus Metformin und Insulin/Glibenclamid/DPP-4-Inhibitor; ggf. GLP-1-Rezeptoragonist, SGLT-2-Inhibitor, Pioglitazon
4   
Intensivierung der Insulintherapie
Bei Adipositas + Metformin

Hinweise zum Vorgehen:

  • Ablauf, der nachfolgend beschriebenen Stufen, ist abhängig vom individuellen HbA1c-Ziel und der Nichterreichbarkeit des Ziels nach 3 bis 6 Monaten.
  • Monotherapie: übersteigt der HBa1c-Wert den Zielkorridor → Zweifachkombination mit einem weiteren Antidiabetikum (nach DDG/DGIM):
    • DPP-4-Inhibitor
    • GLP-1-Rezeptoragonist (GLP-1 RA)
    • Glukosidasehemmer
    • Insulin (häufig Verzögerungsinsulin)
    • Gliflozine (SGLT-2-Inhibitoren/SGLT2-Hemmer; SGLT-2-Blocker)
      Beachte: Je geringer die Nierenfunktion, desto geringer ist die Wirkung von SGLT-2-Inhibitoren.
    • Sulfonylharnstoff/Glinid [die Kombination von Metformin und Sulfonlyharnstoffen (Glibenclamid) kann möglicherweise die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen]
    • Pioglitazon
  • Zweifachkombination: übersteigt der HBa1c-Wert den Zielkorridor → Dreifachkombination oder Insulintherapie* mit maximal einem Antidiabetikum (nach DDG/DGIM): intensive Insulin- und Kombinationstherapie (nach DDG/DGIM):
    Zusätzlich zu oralen Antidiabetika (insbesondere Metformin; evtl. DPP-4-Inhibitor, SGLT-2-Inhibitor):
    • Verzögerungsinsulin oder
    • Verzögerungsinsulin + GLP-1-Rezeptoragonist oder
    • präprandial kurzwirkends Insulin (SIT) oder
    • konventionelle Insulintherapie (CT) oder
    • intensivierte Insulintherapie (ICT, CSII)

*Insulin wird selten als Firstline-Therapie genutzt. In solchen Fällen liegt meistens folgender Sachverhalt vor: hohes Alter, HbA1c ≥ 10 %, neurologische und renale Gefäßkomplikationen, Multimorbidität (Mehrfacherkrankung) und Polypharmazie (> 6 verordnete Medikamente).

„Management der Hyperglykämie bei Typ-2-Diabetes“ gemäß der Konsensus-Leitlinie von ADA* und EASD** [s. u. Leitlinien: 4]

Maßnahmen   
Schulung, Ernährungsberatung, Bewegung
  • Metformin [(Mittel der ersten Wahl)
  • Eskalation der Behandlung, wenn der Patient zusätzlich an atherosklerotisch kardiovaskulären Erkrankungen (ASCVD), chronischer Nierenkrankheit und/oder Herzinsuffizienz leidet.
    • ASCVD → GLP-1-Agonist (GLP-1-Rezeptoragonist) oder ein SGLT2-Inhibitor (SGLT2-Hemmer)
    • Chronische Nierenkrankheit und/oder Herzinsuffizienz: SGLT2-Inhibitor

 Beachte:

  • Falls ein Patient mit ASCVD oder Nierenkrankheit bereits sein HbA1c-Ziel ohne GLP-1-Agonisten oder SGLT2-Hemmer erreicht, sollte bei Mehrfachtherapie ein Wechsel auf eine dieser Substanzen erfolgen.
  • Bei einer Monotherapie sollte das individuelle HbA1c-Ziel hinterfragt und evtl. zusätzlich gesenkt werden oder es ist alle drei Monate zu überprüfen. In beiden Fällen wäre dann ggf. eines der oben genannten Antidiabetika hinzuzufügen
  • Für Patienten ohne die drei erwähnten Folgekrankheiten wird gemäß den vorliegenden Präferenzen empfohlen.
    • Präferenz für Hypoglykämievermeidung: DPP4-Hemmer, Glitazone, GLP-1-Agonisten oder SGLT2-Hemmer
    • Präferenz für Gewichtsreduktion: SGLT2-Hemmer oder GLP-1-Agonisten
    • Präferenz für niedrige Kosten: Sulfonylharnstoffe oder Glitazone. 
      Verordnung in der niedrigsten effektiven Dosis und Vornahme einer entsprechenden Schulung, um unerwünschte Wirkungen wie Hypoglykämien und Gewichtszunahme zu minimieren.

Beachte: Falls eine Injektionstherapie erwogen wird, wird präferentiell ein GLP-1-Agonist empfohlen

*American Diabetes Association (ADA) 
**European Association for the Study of Diabetes (EASD)

Antidiabetika und Alter

Folgende Antidiabetika können im Alter verwendet werden:

  • Metformin (Therapie der ersten Wahl)
  • DPP4-Hemmer; Vorteile: Vorteile bei Therapieadhärenz, Hypoglykämiegefahr, Körpergewicht und bei höhergradiger Niereninsuffizienz
  • GLP-1-Analoga (GLP-1-Rezeptoragonist); Vorteile: geringes Hypoglykämierisiko, Gewichtsabnahme; Liraglutid: verminderte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität
  • Gliflozine (SGLT-2-Inhibitoren; SGLT-2-Blocker)

Weitere Hinweise

  • Bei Typ-2-Diabetikern mit zusätzlicher chronischer Nierenkrankheit, eingeschränkter Leberfunktion oder Herzinsuffizienz ist die Therapie mit Metformin mit einer reduzierten Gesamtsterblichkeit assoziiert (22 % niedrigeres Mortalitätsrisiko im Vergleich zu denjenigen Patienten, die kein Metformin einnahmen) [29].

Wirkstoffe (Hauptindikation)

Biguanide

  • Biguanide: Metformin [Therapie der ersten Wahl!]
  • Beachte: Der Wechsel zu einem Sulfonylharnstoff ist für Patienten mit Typ-2-Diabetes, die unter der Therapie mit Metformin keine ausreichende Kontrolle des Blutzuckers erreichen, mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (Myokardinfarkt (13,2 versus 5,0 pro 1.000 Personenjahre), Apoplex) verbunden; weniger riskant als eine alleinige Sulfonylharnstoff-Behandlung ist eine Kombination des Sulfonylharnstoffs mit Metformin [38].

Sulfonylharnstoffe 

Zielgruppen: Kombinationspartner für Metformin bzw. bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten von Metformin 

  • Sulfonylharnstoffe
    • Hypoglykämie bei Einnahme von Sulfonylharnstoffen und Antibiotika (Ciprofloxacin, Clarithromycin, Levofloxacin, Trimethoprim/Sulfamethazol) [8]
    • Cave! Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (insbesondere Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Apoplex (Schlaganfall)) liegt unter der Therapie mit Sulfonylharnstoffen um 21 Prozent höher als bei einer Metformintherapie! [2]. 
    • Eine Metaanalyse von 20 Kohorten- und Beobachtungsstudien mit mehreren 100.000 Patienten zeigte eine Verdopplung der Gesamtmortalität (Gesamtsterblichkeit) von Patienten, die Sulfonylharnstoffe einnahmen [16].
    • Zwischen Linagliptin (DPP4-Hemmer) und dem Sulfonylharnstoffe Glimepirid besteht kein relevanter Unterschied bezüglich der kardiovaskulären Sicherheit: der primäre kombinierte Studienendpunkt (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder Schlaganfall) trat in beiden Gruppen nahezu genauso häufig auf (Linagliptin n = 356, Glimepirid n = 363) was einer Hazard Ratio von 0,98 (95,47 % CI 0,84-1,14) entspricht [43].
    Beachte: "Sulfonylharnstoffe und eine zu strenge Blutzuckereinstellung sollten bei älteren, gebrechlichen Typ-2-Diabetikern mit rheumatoider Arthritis wegen des hohen Hypoglykämierisikos vermieden werden." [41]

Glinide

Zielgruppen: Glinide (Sulfonamideharnstoffanaloga) haben Vorteile gegenüber Sulfonylharnstoffen bei unregelmäßiger bzw. unzuverlässiger Nahrungsaufnahme sowie bei Niereninsuffizienz; des Weiteren höhere Flexibilität als Sulfonylharnstoffe wg. des schnelleren Wirkungsbeginns und kürzerer Wirkdauer

  • Gliflozine (SGLT-2-Inhibitoren; SGLT-2-Blocker) Zielgruppen: mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie (Unterzuckerung)-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblemen
  • Glitazone (Thiazolidindione); Zielgruppen: höhergradige Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) oder Kombinationspartner bei besonders Hypoglykämie-gefährdeten Patienten
    • SGLT-2-Inhibitoren reduzieren das Auftreten und die Progression einer Nephropathie. Des Weiteren liegt eine gute Evidenz für Diabetespatienten vor, die eine Herzinsuffizienz/Herzschwäche (EF < 45 %) oder Niereninsuffizienz/Nierenschwäche (eGFR 30-60, Mikro- oder Makroalbuminurie) haben.

Glitazone (Thiazolidindione)

Zielgruppen: höhergradige Niereninsuffizienz oder Kombinationspartner bei besonders Hypoglykämie-gefährdeten Patienten

Alpha-Glucosidase-Hemmer

Zielgruppen: früh eingestellter Typ-2-Diabetes oder Kombinationspartner

  • Alpha-Glucosidase-Hemmer; Zielgruppen: früh eingestellter Typ-2-Diabetes oder Kombinationspartner

Inkretinmimetika (GLP-1-Rezeptoragonisten) (GLP-1-RA)

Zielgruppen: mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblemen

  • Inkretinmimetika (GLP-1-Rezeptoragonisten; GLP-1-RA); Zielgruppen: mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblemen
    • Die LEADER-Studie mit 9.340 Hochrisiko-Patienten mit Typ-2-Diabetes zeigte, dass die Therapie mit Liraglutid im medianen Studienzeitraum von 3,8 Jahren die Inzidenzrate für die kombinierten Ereignisse kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und nicht-tödlicher Apoplex (Schlaganfall) von 14,9 (Placebo) auf 13 Prozent reduzierteEntscheidend dafür war dabei die signifikante Abnahme der kardiovaskulären Mortalität (Sterblichkeit) von 6 (Placebo) auf 4,7 Prozent (relative Risikoreduktion: 22 Prozent) [26].
    • In einer maßgeblichen Endpunktstudie hat Liraglutid das Auftreten einer permanenten Makroproteinämie (> 300 mg Albumin/d) verzögert [30].
    • Eine „Real-World“-Datenanalyse bei adipösen Diabetikern zeigte, das Liraglutid die Blutglucose und das Körpergewicht stärker senkten als Basalinsulin. Nach zwölf Monaten war das Körpergewicht in der Liraglutid-Gruppe um 6,0 kg im Vergleich zu 1,6 kg in der Insulin-Gruppe gesunken [42].
    • Von drei neueren Antidiabetika GLP-1-Agonisten, DPP-4-Hemmer und SGLT-2-Hemmer senken die SGLT-2-Hemmer das Mortalitätsrisikos (Sterblichkeitsrisiko) um 12 % und stehen damit an zweiter Stelle [33].
    • Tirzepatid
      • Kann als Add-on den Stoffwechsel insulinbehandelter Typ-2-Diabetiker deutlich verbessern [50].
      • Für Tirzepatid konnte in einer Phase-III-Studie nachgewiesen werden, dass der Wirkstoff Semaglutid in seiner Wirkung übertrifft: Tirzepatid reduzierte den HbA1c-Wert um 2,01 % bei 5 mg Tirzepatid, um 2,24 % bei 10 mg und um 2,30 % bei der höchsten Dosierung von 15 mg. Unter Semaglutid resultierte hingegen eine HbA1c-Reduktion um 1,86 % [48].
      • Orale Therapie Insulin glargin versus Twinkretin Tirzepatid (wöchentliche Injektionen): Innerhalb 52 Wochen wurde der HbA1c mit Tirzepatid dosisabhängig um 2,24 bis 2,58 Prozentpunkte gesenkt, mit Glargin waren es 1,44 Prozentpunkte [49].
      • Phase-III-Studie SURMOUNT-I: Abnahme des Körpergewichts unter Tirzepatid um im Schnitt 12,4 Prozent und bei knapp einem Drittel der Teilnehmer Reduktion um 20 Prozent oder mehr [52].
      • Seit September 2022 zugelassen
    • GLP-1-RA gehen mit einem um 37 % erhöhten Risiko für (gutartige) Erkrankung der Gallenblase oder der Gallenwege einher [51].
    • Semaglutid: 
      • Die orale Formulierung des GLP-1-Agonisten Semaglutid hat bei Typ-II-Diabetikern mit hohem kardiovaskulären Risiko die Mortalitätsrate sowie die Rate kardiovaskulärer Todesfälle nahezu halbiert. Beim primären kombinierten Studienendpunkt – kardiovaskulärer (Herz-Kreislauf-bedingter) Tod, Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Apoplex (Schlaganfall) – wurde nur eine nicht-signifikante Risikoreduktion um 21 Prozent erreicht [44].
      • Nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (NAION) (10 auf 100.000); klinisches Bild: schmerzlose Verschlech­te­rung der Sehkraft auf einem Auge, von dem sich mit der Zeit einige Patienten erholen, bei anderen kommt es zur Erblindung; weitere Risiko­fak­toren: Diabetes mellitus, Hypertonie (Bluthochdruck) und hohe Cholesterinwerte [56].
      • FLOW-Studie: Durch Semaglutid wurde bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung das Risiko für einen renalen Endpunkt um 24 % gesenkt. Der renale Endpunkt war definiert als: Nierenendpunkt, bestehend aus ≥ 50 Prozent Abfall der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR), eGFR < 15 ml/min/1,73 m2, Beginn einer Nierenersatztherapie, renaler Tod und kardiovaskulärer Tod [64].

Dipeptidyl-Peptidase 4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren; DPP-4-Hemmer; Gliptine)

Zielgruppen: mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblemen

  • Gliptine (DPP4-Hemmer) wirken insulinotrop, aber sie entfalten diesen Effekt nur, wenn die Blutglucose erhöht ist, sodass dadurch schwere Hypoglykämien fast völlig vermieden werden.
    • DPP-4-Hemmer können möglicherweise schwere Gelenkschmerzen verursachen (Quelle: FDA) [18]
    • Alogliptin: FDA warnt vor Herzinsuffizienz-Risiko (Risiko einer Herzschwäche) [24]; Alogliptin ist auch bei akutem Koronarsysdrom sicher [19]
    • Cave: Kombinationstherapie von DPP-4-Inhibitoren und Sulfonylharnstoffen führt zu ein um 52 % erhöhtes Risiko für Hypoglykämie [25]
    • EMA warnt vor möglichen Zehen-Amputationen nach Einnahme des SGLT2-Inhibitors Canangliflozin [28].
      Die US-Arzneimittelbehörde FDA kommt in einer neuen Bewertung des Antidiabetikums zum Ergebnis, dass das Amputationsrisiko unter der Behandlung mit Canagliflozin doch nicht so hoch ist wie bisher angenommen [47].

Gliflozine (SGLT-2-Inhibitoren/SGLT2-Hemmer; SGLT-2-Blocker; SGLT-2-Hemmer)

Zielgruppen: mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblemen

  • Gliflozine (SGLT-2-Inhibitoren; SGLT-2-Blocker; SGLT-2-Hemmer)
    • Sitagliptin plus Metformin: Anhaltspunkte für einen teils nicht quantifizierbaren, teils beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber Sulfonylharnstoffen (IQWiG, 2016)
    • Dapagliflozin: Bei chronischer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) wurden gemäß der DAPA-HF-Studie die Klinikeinweisungen wegen sich verschlechternder Herzinsuffizienz und die kardiovaskuläre Mortalität (herz- und gefäßbedingte Sterberate) signifikant reduziert; gleiches gilt auch für Patienten ohne Diabetes mellitus [45].
    • Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz profitieren deutlich von Dapagliflozin [46].
    • Antidiabetika-Gruppe der SGLT-2-Hemmer senkt auch Blutharnstoffwerte.
    • Unter Dapagliflozin traten Blasenkarzinome bei 0,16 % der Patienten auf im Vergleich zu 0,03 % bei den Kontrollen. Mammakarzinom (Brustkrebs) wurde bei 0,4 % der Dapagliflozin-Patienten diagnostiziert gegenüber 0,22 % bei den Kontrollen [12, 13].
    • US-Arzneibehörde warnt vor dem möglichen Auftreten einer schweren Ketoazidose (schwere Stoffwechselentgleisung) unter der Therapie mit SGLT2-Inhibitoren wie Canagliflozin, Dapagliflozin und Empagliflozin [15]
    • AkdÄ Drug Safety Mail | 07–2017|: Information des BfArM zu SGLT-2-Inhibitoren: möglicherweise erhöhtes Risiko für Amputationen der unteren Extremitäten
    • FDA warnt vor Fournier-Gangrän (nekrotisierende Fasziitis (lat. Fasciitis necroticans) des Perineums; durch Bakterien ausgelöste, sehr heftig (foudroyant) verlaufende Infektionskrankheit der Unterhaut und Faszien) durch SGLT2-Inhibitoren [39].
    • Beachte: Dapagliflozin 5 mg ist seit dem 25.10.2021 nicht mehr zur Behandlung des Typ-1-Diabetes mellitus (T1DM) zugelassen und darf nicht mehr bei diesen Patienten angewendet werden.
    • Empagliflozin hat in einer Studie die kardiovaskuläre Mortalität (Herz-Kreislauf)-bedingte Sterblichkeit) bei Hochrisiko-Patienten mit Typ-2-Diabetes reduziert: kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Apoplex/Schlaganfall (primärer kombinierter Endpunkt) wurde durch eine additive Behandlung mit Empagliflozin signifikant reduziert, d. h. um 14 % im Vergleich zu Placebo (10,5 versus 12,1 %) [20]
      Des Weiteren hat Empagliflozin bei kardiovaskulär erkrankten Diabetikern auch das Herzinsuffizienz (Herzschwäche)-Risiko reduziert und dieses unabhängig davon, ob bereits eine Herzinsuffizienz vorliegt [21].
    • Für Menschen mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulärer Vorerkrankung bescheinigt der GBA (Gemeinsame Bundesausschuss) für Empagliflozin einen beträchtlichen Zusatznutzen. Grundlage ist die EMPA-REG OUT-COME-Studie [22].
    • Von drei neueren Antidiabetika GLP-1-Agonisten, DPP-4-Hemmer und SGLT-2-Hemmer senken die SGLT-2-Hemmer das Mortalitätsrisiko um 20 % und stehen damit an erster Stelle [33].
    • Empagliflozin und Canagliflozin wirken nephroprotektiv [34, 35].

Hinweis: Die kombinierte Behandlung eines Typ-2-Diabetes mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) und einem SGLT-2-Inihibitor (SGLT2i) schützt besser im Vergleich zu den Einzeltherapien auf kardiale und renale Komplikationen [54].

Nierenfunktionsabhängige* und -unabhängige Antidiabetika

 Gruppe Nierenfunktionsabhängig
Nierenfunktionsunabhängig
 Antidiabetika

 Gliquidon*
 Gliclacid*
 Glibenclamid* 
 Glimeprid* (Hydroxymetabolit)
 Sitagliptin
 Metformin**
 Repaglinid
 Rosiglitazon

 Nateglinid***
 Pioglitazon
 Saxagliptin****

* Ab CKD-Stadium 4 bis 5 sind Sulfonylharnstoffe kontraindiziert
**Kreatinin-Clearance < 60 mL/min; bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz Stadium I bis II nach CKD ist unter Metformin-Therapie ein Kontrolle der Retentionsparameter (min. zwei- bis viermal jährlich) erforderlich!
***Dosisanpassung bei CKD-Stadium 4 bis 5
****Saxagliptin kann bis CKD-Stadium 5 eingesetzt werden

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist häufig eine Insulintherapie einzusetzen.

Adjuvante Therapie

  • Dehydroepiandrosteron (DHEA) – zur Prävention des oxidativen Stresses und der Bildung von "Advanced glycation endproducts" (AGE). AGEs sind fortgeschrittene Glykierungs-Endprodukte; diese sind das Ergebnis einer nicht-enzymatischen Reaktion von Kohlenhydraten mit Proteinen.
    Die Einnahme von 50 mg DHEA führte zu vermindertem oxidativen Stress (gemessen wurden erniedrigte Spiegel von reaktiven oxidativen Spezies (ROS), erhöhte Spiegel von Glutathion und Vitamin E; der Pentosidin-Serumspiegel waren um die Hälfte gesenkt, was auf eine Reduzierung der AGEs hinweist. Diese Ergebnisse stellen sich in der Gesamtheit dar, im Vergleich zur Placebo-Gruppe). Dieses weist darauf hin, dass die zellulären Schäden, die durch eine Hyperglykämie induziert werden, möglicherweise durch eine DHEAS-Therapie vermindert werden können [3].
  • Die Andropause-Therapie im Rahmen der Diabetes-Therapie des Mannes ist eine wichtige supportive Maßnahme.
    Testosteron ist ein wichtiger Modulator der Insulinsensibilität: Testosteron erhöht die Insulinsensibilität!
    Die Testosteron-Substitution, von Männern mit erniedrigten Testosteron-Serumspiegeln und Diabetes mellitus Typ 2, führt zu:
    Abnahme des Nüchtern-Insulin-Serumspiegels
    • Abnahme des Glucose-Serumspiegels
    • Abnahme des HbA1c
    • Insulintherapie

Insulintherapie

In einer frühen Phase des Diabetes mellitus Typ 2 muss die Betazelle mit einer steigenden Insulinsekretion gegen eine zunehmende Insulinresistenz des Körpers gegen arbeiten. In einer späten Phase nimmt die Insulinsekretion Leistung kontinuierlich ab.

Der Beginn einer notwendigen Insulintherapie sollte deshalb nicht hinausgezögert werden.

Beginn der Insulintherapie beim Typ 2-Patienten:

  • im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung
  • unzureichende Stoffwechselführung unter oraler Antidiabetika
  • akuten Stoffwechselentgleisungen (s. u.)

Dabei kommt in erster Linie eine Kombination aus Basalinsulin und Metformin in Betracht. Beachten Sie folgendes Studienergebnis: Bezogen auf Personenjahre waren die Gesamt-Mortalitätsraten unter Insulin-Sulfonylharnstoff-Kombination um das Drei- bis Fünffache gegenüber der Insulin-Metformin-Gruppe erhöht [9].

Die Kombination von Basalinsulin plus GLP-1-RA ist vorteilhafter als Insulin allein: dadurch ist die Variabilität der Blutzuckerwerte als auch das Risiko für Hypoglykämien reduziert [40].

Pharmakokinetik gängiger Insulinanaloga

Wirkstoff Wirkbeginn Wirkmaximum Wirkdauer Indikation Besonderheiten
Kurzwirksame Insuline
Normalinsulin 15-30 min 2 h 5-7 h ICT, PT,
i.v.-Therapie
< 30 min Spritz-Ess-Abstand
Aspartat 12-8 min 30-90 min  3-5 h ICT Kein Spritz-Ess-Abstand
Lispro 15-30 min 30-90 min  3-5 h
Glulisin 12-30 min 30-90 min  3-5 h
Fast Aspart 5-8 min 30-90 min  3-5 h
Verzögerungsinsulin* – langwirkende Insulinanaloga
Intermediärinsulin 45-90 min 4-10 h Max 24 h Typ 2-Therapie 30-60 min Spritz-Ess-Abstand
Langzeitinsulin
(Zinksupension)
2-4 h 7-20 h 28-36 h ICT 30-60 min Spritz-Ess-Abstand
Glargin 1-2 h  - 20-26 h ICT 30-60 min Spritz-Ess-Abstand
Detemir 1-2 h 6-8 h bis zu 24 h
Degludec** 30-90 min  - > 42 h
Glargin U 300 1-2 h  - bis zu 36 h
Kombinationsinsuline
  Je nach genauer Zusammensetzung
von Normal- und Verzögerungsinsulin
CT < 30 min Spritz-Ess-Abstand

*Synonyme: Basalinsulin, Basisinsulin, Depot-Insulin, Intermediärinsulin, Langzeitinsulin

**Insulin degludec: auch in der Schwangerschaft zugelassen; unterscheidet sich nicht von anderen Basalinsulinen hinsichtlich des Schwangerschaftsausgangs.

Wocheninsulin: Neuzulassung von Insulin icodec [57-63]

Ein umfassendes Phase-3a-Studienprogramm mit sechs klinischen Studien hat zur Zulassung des ersten Wocheninsulins, Insulin icodec (Awiqli®), durch die Europäische Kommission geführt. Dieses Insulin deckt den Basalinsulinbedarf einer gesamten Woche mit nur einer subkutanen Injektion ab und ist für die Behandlung von Erwachsenen mit Diabetes mellitus zugelassen.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • Blutzuckerkontrolle: Alle Studien erreichten den primären Endpunkt der Nicht-Unterlegenheit in der Blutzuckerkontrolle im Vergleich zu herkömmlichen Basalinsulinen, gemessen an der Veränderung des HbA1c-Wertes nach 26 bzw. 52 Wochen.
  • HbA1c-Reduktion: Bei insulin-naiven Menschen mit Typ 2 Diabetes wurde eine signifikante Reduktion des HbA1c-Wertes von -1,55 % im Vergleich zu -1,35 % unter Insulin glargin 100 E/ml nach 12 Monaten festgestellt (p = 0,02).
  • HbA1c-Ziel-Erreichung: 10 % mehr insulin-naive Patientinnen und Patienten mit Typ 2 Diabetes erreichten einen HbA1c-Wert von < 7 % ohne klinisch relevante oder schwere Hypoglykämie nach 52 Wochen im Vergleich zu Insulin glargin 100 E/ml.
  • Glykämischer Zielbereich: Der Bereich von 3,9-10,0 mmol/l (70–180 mg/dl) wurde durchschnittlich länger unter Insulin icodec erreicht als unter Insulin glargin 100 E/ml (p < 0,001).
  • Therapiezufriedenheit: Die wöchentliche Injektion von Insulin icodec zeigte einen größeren Anstieg der Therapiezufriedenheit bei Menschen mit Typ 2 Diabetes als herkömmliches Basalinsulin.
  • Sicherheitsprofil: Es gab eine geringe Rate an klinisch relevanten oder schweren Hypoglykämien, mit weniger als einem Ereignis pro Patientenjahr.

Wichtige Fakten zu Insulin

  • Täglicher Insulinbedarf ca. 0,5-1,0 I.E./kg/die (durchschnittlich ≈ 40 I.E./d bei Insulinmangel)
  • 1 Broteinheit (BE) ≡ Menge eines Nahrungsmittels, die 12 g Kohlenhydrate enthält; 1 BE ≡ 2 I:E: Insulin: mittags 1 IE und abends 1,5 IE
    Berechnung der notwendigen Insulinmenge = Menge der Broteinheiten pro Mahlzeit multipliziert mit dem sogenannten BE-Faktor; BE-Faktor ≡ Insulinmenge, die der Patient benötigt, um eine Broteinheit ohne Blutzuckeranstieg abzubauen.
  • 1 I.E. Normalinsulin senkt den Blutzucker (Bz) um ≈ 30 mg %, bei niedrigem BZ etwas weniger, bei ketoazidotischer Entgleisung etwas mehr.
  • Dosisanpassung Insulinmenge: (aktueller Bz minus Zielwert (120 mg%)) dividiert durch 30, das Ergebnis multipliziert mal (Quotient: täglicher Insulinbedarf dividiert durch 40)
  • Cave: 1 ml Normalinsulin ≡ 40 I.E:/ml; Insulin für den Pen: 100 I.I./ml!

Hinweise zu neuen Langzeitinsulinen

  • Zukünftig gibt es ein Ultralangzeit-Insulin Icodec, das nur einmal wöchentlich subkutan injiziert werden muss. Dieses hat in zwei Phase-3-Studien den HbA1c-Wert von Typ 2-Diabetikern, die bisher noch kein Insulin erhielten, stärker gesenkt als die täglichen Basisinsuline Degludec oder Glargin U100 [53].

Insulintherapieschemata

  • Basalunterstützte orale Therapie (BOT)
    • Basalinsulin in Kombination mit oralen Antidiabetika
    • Ggf. mit GLP-1-Rezeptoragonisten
  • Supplementäre Insulintherapie mit präprandialen ("nach den Mahlzeiten") Injektionen ohne Basalinsulin (SIT)
    • Ggf. orale Antidiabetika beibehalten
  • Konventionelle Insulintherapie (CT)
    • Starres Injektionsschema: Gabe von Insulinmischung (meist 1/3 Normalinsulin, 2/3 Intermediärinsulin)
    • 2 x tgl. (morgens, abends) ≈ 2/3 der Gesamtmenge, 30 Min. vor Frühstück,≈ 1/3, 30 Min. vor Abendessen
      • Morgens: Normalinsulin (Abdeckung des Frühstück), Intermediärinsulin (für Basisbedarf + Mittagessen)
      • Abends: Normalinsulin (Abdeckung des Abendessens), Intermediärinsulin (Basisbedarf)
    • keine Flexibilität
    • Indikationen: ältere und unselbstständige Patienten (wg. schlechter Compliance)
  • Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT), Therapie der ersten Wahl
    • Basaler Insulinspiegel: Deckung des Basalbedarfes über Verzögerungsinsulin/Intermediärinsulin (Dosis wird individuell festgelegt; Gabe spätabends, evtl. zusätzlich frühmorgens)
    • Mahlzeitenbezogener Insulinbedarf: Mahlzeitenadaptiertes Spritzen von Altinsulin (je nach Appetit, Blutzucker, Zeit, körperlicher Belastung) durch gut geschulten Patienten
  • Intensivierte Insulintherapie:
    • mind. 3 Insulininjektionen pro Tag
    • Substitution wie folgt:
      • Basaler Insulinspiegel: basaler Insulinbedarf mit langwirkendem Basalinsulin/Verzögerungsinsulin (1 x /d)
      • Mahlzeitenbezogener Insulinbedarf: prandialer (mahlzeitenbezogener) Insulinbedarf mit kurzwirksamen "Bolusinsulin"
    • Durchführung mit: Insulinspritze, Insulinpens oder Insulinpumpen
    • flexible Insulingaben je nach Situation.
  • Insulinpumpentherapie (PT)
    • Basaler Insulinspiegel: Zufuhr einer kontinuierlichen Menge an Altinsulin s.c. als Basalbedarf
    • Mahlzeitenbezogener Insulinbedarf: Bolus Altinsulin zu Mahlzeiten; Anpassung der Dosis an dem aktuellen Blutzuckerspiegel und Energiegehalt der Nahrung
    • Indikationen: häufige Hypoglykämien (Unterzuckerungen), stark schwankende Blutzuckerwerte, schlecht einstellbarer Diabetes mellitus während der Schwangerschaft (Gestationsdiabetes), geplante Schwangerschaft bei Typ 1-Diabetikerinnen

Patientenempfehlung

  • Regelmäßiges Wechseln der Injektionsstelle vermeidet eine Lipodystrophie (Fettverteilungsstörung; Fettschwund).

Insulinallergie

  • In 95 % der Fälle mit Verdacht auf Insulinallergie ist keine allergische Komponente die Ursache der Symptome [4]
  • Maßnahmen bei Insulinallergie (modifiziert nach Jaquier et al. 2013) [5]
    • Schweregrad: leicht
      • Untersuchungen: Ausschließen schadhafter Nadeln; Reaktion auf Insulin bestätigen
      • Maßnahmen: ggf. Austausch der Nadeln und/oder des Insulinpräparates; bei Bedarf Antihistaminikum
    • Schweregrad: moderat
      • Untersuchungen (zusätzlich zu oben):
        • Gesamt IgE
        • Insulinspezifisches IgE
        • Latexspezifisches IgE
        • Glucose und C-Peptid (bei Bedarf)
      • Maßnahmen:
        • Regelmäßige Einnahme nicht sedierender Antihistaminika: Loratadin, Desloratadin, Cetirizin
        • Topische Steroide
        • Inhalierbare Beta-Agonisten bei Bronchospasmus
    • Schweregrad: schwer bzw. persistierend
      • Untersuchungen (zusätzlich zu oben):
        • Prick- oder intradermaler Hauttest
        • C1-Inhibitor
        • Komplementfaktoren
        • Ausschließen von viralen und bakteriellen Infektionen als Ursache der Urtikaria (Hepatitis B, CMV, EBV)
        • Ggf. Dermatologen / Rheumatologen / Immunologen / konsultieren
      • Maßnahmen:
        • H1- und H2-Antihistaminika (Loratadin + Ranitidin)
        • Typ-2-Diabetes: Insulin absetzen
        • Ggf. Insulin i.v. kurzzeitig
        • Insulinpumpentherapie mit oder ohne Hydrocortison
        • Hyposensibilisierung 
        • Systemische Steroide; Leukotrienrezeptorantagonist; Omalizumab (anti-IgE-monoklonale Antikörper); systemische Immunsuppression
        • Pankreastransplantation

Therapie des Typ-2-Diabetes im Krankenhaus

Behandlungsziele während eines Krankenhausaufenthaltes sind:

  • Einstellung des Blutzuckerspiegels auf moderate Zielwerte
  • strikte Vermeidung von Hypoglykämien (Unterzuckerung)
  • Einleitung einer langfristigen Diabetestherapie bzw. Optimierung einer bereits bestehenden Therapie

Bei kritisch kranken Patienten empfiehlt die Amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA): Initiierung einer Insulintherapie bei BZ-Werten > 180 mg/dL (BZ-Ziel: 140-180 mg/dL).
Bei klinisch stabilen Patienten: < 140 mg/dL präprandial und < 180 mg/dL postprandial. Individuell können auch bei fehlendem Hypoglykämierisiko niedrigere Zielwerte angestrebt werden.

Zentrale Empfehlungen zur Therapie des Diabetes mellitus im Krankenhaus [1]:

  • Bei hospitalisierten Patienten ist eine passagere Insulintherapie zu empfehlen
  • Metformin sollte spätestens 24 h, besser 48 h vor dem geplanten Eingriff oder vor Gabe von jodhaltigen Kontrastmittel abgesetzt werden
  • Bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung) ist eine moderate Blutzuckerabsenkung und Vermeidung von Hypoglykämien anzustreben
  • Bei der Einnahme von oralen Antidiabetika sind die Anwendungsbeschränkungen bei verminderter Nierenfunktion zu beachten (siehe dazu unten jeweils die HWZ).
  • Eine Basis-Bolus-Therapie ist in Hinblick auf die Qualität der Blutzuckereinstellung den einfachen Korrekturschemata vorzuziehen

Wirkstoffe (Hauptindikation) zur Behandlung einer Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss)

  • Siehe unter Hyperkaliämie/Medikamentöse Therapie

Wirkstoffe (Hauptindikation) zur Behandlung einer Hypertonie (Bluthochdruck)

  • Erstlinientherapie mittels RAAS-Blocker
  • Calciumkanalblocker- und/oder Thiaziddiuretikatherapie
  • Siehe dazu unter Hypertonie/Medikamentöse Therapie

Spezifische therapeutische Maßnahmen bei diabetischen Folgeerkrankungen

Siehe dazu unter den gleichnamigen Themen: 

  • Diabetischer Fuß
  • Diabetische Nephropathie (Nierenerkrankung)
  • Diabetische Polyneuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems)
  • Diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung)

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Herz und Gefäßen sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Chrom, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA); Omega-6-Fettsäure: Gamma-Linolensäure (GLA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Traubenkern- und Olivenpolyphenole)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), L-Carnitin, Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesium- und Kaliumcitrat), Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

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Leitlinien

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  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 057 - 016), Oktober 2015 Langfassung
  3. Davies MJ et al.: Management of hyperglycaemia in type 2 diabetes, 2018. A consensusreport by the American Diabetes Association (ADA) and the EuropeanAssociation for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia 2018 online 5. Oktober 2018 https://doi.org/10.1007/s00125-018-4729-5
  4. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Praxisempfehlungen. Suppl Oktober 2019, S103-S324
  5. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. (AWMF-Registernummer: nvl-001), Mai 2023 Langfassung