Diabetes mellitus Typ 2 – Klassifikation

Klassifikation des Typ-2-Diabetes

  • Kann sich erstrecken von einer vorwiegenden Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel bis zu einem weitgehenden sekretorischen Defekt mit Insulinresistenz
  • Ist häufig assoziiert mit anderen Erkrankungen (Adipositas, Atherosklerose ( Arteriosklerose, Arterienverkalkung), chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Depression, Fettleber, Hypertonie (Bluthochdruck), Lipidstoffwechselstörungen)

Eine ätiologisch (ursächlich) ausgerichtete Klassifikation entsprechend den Empfehlungen der American Diabetes Association (ADA) und der WHO zeigt die nachfolgende Tabelle. 

Klassifikation des Diabetes mellitus

I. Typ-1-Diabetes mellitus – absoluter Insulinmangel durch Destruktion (Zerstörung) der ß-Zellen (Ort der Insulinproduktion):

  • Typ 1a: immunologisch vermittelte Form
    Sonderform: LADA (latent autoimmune diabetes (with onset) in adults) – Typ-1-Diabetes mit Manifestation im Erwachsenenalter (> 25 Jahre); der Insulinmangel bildet sich relativ langsam aus. Keine Insulinpflichtigkeit in den ersten 6 Monaten, Nachweis von GAD-Ak (Glutaminsäure-Decarboxylase; engl.: glutamic-acid-decarboxylase = GAD; einem ß-zellspezifischen Enzym).
  • Typ 1b: idiopathische Form/Krankheit, die ohne eine fassbare Ursache entsteht (in Europa selten)

II. Typ-2-Diabetes mellitus – 4 Faktoren in unterschiedlichem Ausprägungsmaß liegen hier zugrunde:

  • Insulinresistenz (verminderte oder aufgehobene Wirkung des Hormons Insulin)
  • sekretorischer ("Absonderung betreffend") Defekt der ß-Zellen
  • sekretorischer Defekt der A-Zellen (Hyperglukagonismus/vermehrte Ausschüttung von Glukagon → Blutzuckerspiegel ↑)
  • progrediente Apoptose (programmierter Zelltod) der ß-Zellen

III. Andere spezifische Diabetesformen mit bekannter Ursache

  • A. Genetische Defekte der β-Zellfunktion (autosomal-dominanter Erbgang) – "Maturity-onset Diabetes of the Young" (MODY) ohne Auto-Ak-Nachweis und ohne Adipositas. Manifestation vor dem 25. Lebensjahr. Ca 1 % aller Diabetiker. Es sind derzeit 11 Formen bekannt, von denen die nachfolgenden vier häufigsten Formen für ca. 90 % aller MODY-Fälle verantwortlich sind (alle anderen Formen des MODY-Diabetes kommen ≤ 1 % vor und werden daher hier nicht aufgeführt):

    MODY-Form 
    Gen Abkürzung
    Chromosom PPh
    Anmerkungen
    MODY 1        (ca. 3 %) Hepatocyte nuclear factor 4 alpha HNF-4alpha
    20q
    Reduzierte Insulinsekretion, verminderte Glykogensynthese
    Niedrige Triglyceride (Blutfette)
    MODY 2
    (ca. 15 %)
    Glukokinase
    GK             
    7p
    Reduzierte Insulinsekretion Milder Verlauf, meist ohne Spätkomplikationen
    MODY 3
    (ca. 70 %)
    Hepatocyte nuclear factor 1 alpha HNF-1alpha 12q
    Reduzierte Insulinsekretion Renale ("nierenbedingte") Glukosurie (vermehrte Ausscheidung von Glucose (Traubenzucker) im Urin)
    MODY 5
    (ca. 3 %)
    Hepatocyte nuclear factor 1 beta HNF-1beta  17q
    Reduzierte Insulinsekretion Nierenzysten, Malformationen der Genitale (Fehlbildungen des Geschlechts)
  • B. Genetische Defekte der Insulinwirkung
  • C. Erkrankungen des exokrinen Pankreas/Erkrankung der Bauchspeicheldrüse bezeichnet, die mit einer ungenügenden Produktion von Verdauungsenzymen einhergeht (chronische Pankreatitis/chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung): ein sekundär durch einen Pankreastumor entstehender Diabetes mellitus wird auch Typ-3c-Diabetes genannt
  • D. Endokrinopathien/Krankheitsbilder, die durch eine gestörte Funktion der Hormondrüsen oder die fehlerhafte Wirkung der Hormone ausgelöst werden (Akromegalie, Aldosteronom, Cushing-Syndrom, Glucagonom, Hyperthyreose, Phäochromozytom, Somatostatinom)
  • E. Medikamentös induziert (z. B. Glucocorticoide, Schilddrüsenhormone, Betaadrenergika, Thiazide, hormonelle Kontrazeptiva); siehe auch unter "Diabetogene Wirkung durch Medikamente"
  • F. Infektionen (z. B. kongenitale Rötelninfektion, CMV-Infektion)
  • G. Seltene immunologisch bedingte Formen (z. B. Anti-Insulin-Rezeptor-Antikörper)
  • H. Genetische Syndrome, die gelegentlich mit Diabetes vergesellschaftet sind (z. B. Down-, Klinefelter-, Turner-Syndrom)

IV. Gestationsdiabetes (GDM)

Vorschlag für eine neue Diabetes-Typ 2-Klassifikation

Die Autoren um Professor Leif Groop vom Lund University Diabetes Center in Schweden schlagen anhand von:

Diagnose-Alter, BMI (Body-Mass-Index), HbA1c, Beta-Zellfunktion (HOMA 2B: Beurteilung der Betazellfunktion basierend auf der C-Peptid-Konzentration), Insulinresistenz (HOMA2-IR: Beurteilung der Insulinsensibilität) und Autoantikörpern (Glutamatdecarboxylase-Antikörper (GAD-Antikörper; Identifizierung von Patienten mit Autoimmundiabetes) eine Unterteilung in fünf Formen bei Erwachsene vor [1]:

Cluster [1] Beschreibung Klinische Symptomatik/Labor Altersgruppe Betazell-Funktion Häufigkeit Therapie [2]
1 Schwerer Autoimmun-Diabetes (engl. "severe autoimmune diabetes" (SAID); im Wesentlichen LADA-Diabetes: latent insulinpflichtiger Diabetes mellitus im Erwachsenenalter)
  • GAD-Antikörper positiv
Manifestation im jüngeren Erwachsenenalter zerstörte
Beta-Zellen 
(= keine Insulinproduktion)
6-15 %
22 % [3]
Patienten brauchen frühem Verlauf eine Insulintherapie
2 Schwerer Insulinmangel (engl "severe insulin-deficient diabetes " (SIDD): ähnlich wie Cluster 1)
  • hoher HbA1c-Wert zu Beginn der Erkrankung
  • keine Autoantikörper
  • entwickeln häufiger eine Retinopathie
  • höchstes Risiko einer diabetischen Nephropathie [3]
Betroffene sind meist jung und schlank deutlicher Insulinmangel 9-20 %
3 % [3]
Patienten benötigen oft relativ früh Insulin
3 Schwere Insulinresistenz (engl. "severe insulin-resitant diabetes", SIRD)
  • Betroffene sind meist stark übergewichtig, der Stoffwechsel ist aber weniger gestört als bei Patienten im Cluster 3
  • höchstes Risiko einer nichtalkoholischen Fettleber [3]
  • hohes Nephropathie-Risiko
 

deutliche Insulinresistenz 
zum Diagnosezeitpunkt

11-17 %
11 % [3]
 
4 Milder Diabetes in Kombination mit Adipositas (engl. "mild obesity-related diabetes", MOD)
  • Betroffene sind meist stark übergewichtig
  • Patienten haben oft einen milden Diabetesverlauf
  Stoffwechsel ist weniger gestört als bei Patienten im Cluster 3 18-23 %
29 % [3]
 
5 Milder Diabetes älterer Patienten (engl. "mild age-related diabetes, MARD)
  • Symptome beginnen im Vergleich zu den anderen Clustern in einem höheren Alter
  • Patienten haben oft einen milden Diabetesverlauf
ältere Patienten   39-47 %
35 % [3]
 

Laut den Forschern waren alle fünf Formen genetisch verschieden, sodass es sich eher um unterschiedliche Typen als um Krankheitsstadien handelt.

Des Weiteren wiesen die Autoren darauf hin, dass viele Cluster 1+2 Patienten bei Manifestation kein Insulin erhielten.

Die Subtypisierung basiert auf einer Clusteranalyse unter Einbeziehung verschiedener Parameter wie Alter bei Diagnosestellung, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), Nachweis von GAD-Antikörpern (Marker für Autoimmunität), sowie Nüchtern-Plasmaglukose, HbA1c und Nüchtern-C-Peptid (Marker der Insulinproduktion). Zudem werden daraus Indizes für die Betazellfunktion (HOMA2-B) und die Insulinresistenz (HOMA2-IR) berechnet.

Die Einteilung in fünf Subtypen wurde mittlerweile in zahlreichen internationalen Kohorten bestätigt. Diese Subtypen zeigen klare Zusammenhänge mit spezifischen Diabetes-Komplikationen. Zum Beispiel entwickeln Personen mit dem SIRD-Subtyp besonders häufig und frühzeitig eine diabetische Nephropathie.

Drei Subtypen von Prädiabetes

Mit Parametern wie Blutzucker, Leberfett, Körperfettverteilung, Blutlipide (Blutfette) und genetisches Risiko ließen sich sechs Prädiabetes-Subtypen (Cluster) identifizieren – davon sind drei Subtypen des Prädiabetes gefährlich [4]:

  • Cluster 3: niedrige Insulinsekretion und hohes genetisches Risiko → hohes Diabetesrisiko, hohes kardiovaskuläres Risiko (Herz-Kreislauf-Risiko), Nephropathierisiko (Risiko von Nierenerkrankung)
  • Cluster 5: hohes Leberfett und Insulinresistenz → hohes Diabetesrisiko, hohes kardiovaskuläres Risiko, hohes Nephropathierisiko, höhere Mortalität (Sterberate) (Risiko wächst mit Alter und BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index))
  • Cluster 6: hohes viszerales Fett (Bauchfett) und hohes renales Sinusfett (vermehrter Fettgehalt im Bereich der Nierenbucht) → relativ niedriges Diabetesrisiko (vermehrte Konversion zu Diabetes erst nach zehn Jahren), hohes Nephropathierisiko, höhere Mortalität

Fazit: Bei diesen drei Subtypen sollte man sofort aktiv werden.

Literatur

  1. Ahlqvist E et al.: Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes: a data-driven cluster analysis of six variables. Lancet Diabetes & Endocrinology Published: 01 March 2018 doi: https://doi.org/10.1016/S2213-8587(18)30051-2 
  2. Ahlqvist E, Storm P, Käräjämäki A et al (2018) Clustering of adult-onset diabetes into novel subgroups guides therapy and improves 5. prediction of outcome. Lancet Diabetes Endocrinol 2018 May;6(5):361-369. doi: 10.1016/S2213-8587(18)30051-2. Epub 2018 Mar 5.
  3. Zaharia OP et al.: Risk of diabetes-associated diseases in subgroups of patients with recent-onset diabetes: a 5-year follow-up study. The Lancet Diabetes & Endocrinology. doi: https://doi.org/10.1016/S2213-8587(19)30187-1
  4. Wagner R et al.: Pathophysiology-based subphenotyping of individuals at elevated risk for type 2 diabetes Nat Med 2021;27:49-57 https://doi.org/10.1038/s41591-020-1116-9