Diabetes mellitus Typ 1 – Prävention

Bei Kleinkinder, die gegen Rotaviren geimpft worden, erkrankten seltener an Typ-1-Diabetes: bei den jünger als 4 Jahre alten Kindern sank die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) des Typ-1-Diabetes signifikant um 14 % [5].

Zur Prävention des Diabetes mellitus Typ 1 muss des Weiteren auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Nitrosamine
    • Gepökelte sowie nitrat- und nitritreiche Lebensmittel
      Nitrat ist eine potenziell toxische Verbindung: Nitrat wird im Körper durch Bakterien (Speichel/Magen) zu Nitrit reduziert. Nitrit ist ein reaktives Oxidans, das bevorzugt mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin reagiert und diesen in Methämoglobin umwandelt. Des Weiteren bilden Nitrite (unter anderem auch enthalten in gepökelten Wurst- und Fleischwaren sowie gereiftem Käse) mit sekundären Aminen (enthalten in Fleisch- und Wursterzeugnissen, Käse und Fisch) Nitrosamine, die genotoxisch und mutagen wirken. Sie begünstigen die Entstehung von Speiseröhren-, Magen-,  Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs.

      Die tägliche Aufnahme von Nitrat erfolgt in der Regel zu circa 70 % durch den Verzehr von Gemüse (Feld- und Kopfsalat, Grün-, Weiß- und Chinakohl, Kohlrabi, Spinat, Radieschen, Rettich, Rote Bete), 20 % aus Trinkwasser (Stickstoffdünger) und 10 % aus Fleisch und Fleischwaren sowie Fisch.
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Frühe glutenhaltige Beikost (< 3-5 Monate) – die spätere Einführung von Gluten ist mit einer Risikoreduktion für Diabetes mellitus Typ 1 vergesellschaftet [18]
    • In einer Studie mit Kindern, die eine genetische Prädisposition (familiäre Vorbelastung) für Typ-1-Diabetes oder einen Verwandten ersten Grades mit Typ-1-Diabetes hatten, wurde die Beziehung zwischen dem Zeitpunkt der erstmaligen Getreidegabe in der Beikost und der Entwicklung einer Inselzellautoimmunität untersucht. Die Kinder, die bereits vor dem 4. Lebensmonat getreidehaltige Beikost erhielten, hatten ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Inselzellautoimmunität [15].
    • In einer anderen Studie (BABYDIAB-Studie) erhielten Kinder, von denen ein Elternteil an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt war, schon vor dem 3. Lebensmonat glutenhaltiges Getreide. Sie wiesen ebenfalls ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Inselzellautoimmunität als Kinder, die zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat glutenhaltiges Getreide gefüttert bekamen, auf [16].
    • Beachte: Das Auftreten multipler Insel-Antikörper vor dem 2. Lebensjahr geht in annähernd 100 % der Fälle mit einer Diabetesmanifestation vor der Pubertät einher [17].
  • Hoher Konsum von Kuhmilchprodukten in der Kindheit oder eine erhöhte Aufnahme von Kuhmilcheiweiß ist mit einem erhöhten Risiko für eine Insellzellautoimmunität verbunden [12, 18]. Eine mögliche Erklärung ist, dass Kuhmilchproteine Aminosäuren enthalten, die unverdaut in das Kreislaufsystem gelangen und eine Autoimmunreaktion auslösen können [13].
  • Gewichtszunahme von der Geburt bis zum Alter von zwölf Monaten: Kinder, die später an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankten, wogen mit zwölf Monaten im Mittel 240 g (Norwegian Mother and Child Cohort Study, MoBa) bzw. 270 g (Danish National Birth Cohort, DNBC) mehr als Kinder ohne Diabeteserkrankung [3]
  • Adipositas in Kindesalter: Mendelsche Randomisierungsanalyse: Adipositas-Allele sind bei Personen mit Typ-1-Diabetes in der Kindheit weitaus häufiger anzutreffen als in der Kontrollgruppe (Risiko für einen Typ-1-Diabetes um 2,7-fach gesteigert und pro BMI-Standardabweichung vom Normalgewicht um etwa ein Drittel) [7]

Operationen

  • Kinder, die per Sectio caesarea (Kaiserschnitt) zur Welt kamen, haben laut der BABYDIAB-Studie ein mehr als doppelt so hohes Typ-1-Diabetes-Risiko als Kinder, die spontan entbunden wurden [1].

Umweltbelastung Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Hohe Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung führt zu einer früheren Manifestation von Diabetes mellitus Typ 1 bei Kleinkindern [2]
  • Nitrosamine (krebserregende Stoffe)

Weitere Informationen

  • Gemäß einer prospektiven TEDDY-Studie (The Environmenal Determinants of Diabetes in the Young) könnten Probiotika bei Kindern mit einem hohen Risiko für Typ-1-Diabetes und Anwendung schon im ersten Lebensmonat einen protektiven Effekt haben. Der Effekt war am stärksten ausgeprägt bei Kindern mit dem HLA-Genotyp DR3/4, der auch mit dem höchsten Erkrankungsrisiko einhergeht. Das Risiko einer Inselautoimmunität wurde für dieses Kollektiv durch die Probiotika-Supplementierung um 60 % reduziert (HR 0,40) [4].

Präventionsfaktoren

  • Genetische Faktoren:
    • Genetische Risikoreduktion abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gen: HLA-DQA1
        • SNP:  rs9272346 im Gen HLA-DQA1
          • Allel-Konstellation: AG (0,3-fach)
          • Allel-Konstellation: GG (0,08-fach)
  • Typ-1-Diabetes bei Patienten mit erblicher Vorbelastung und beginnender Dysglykämie (Nüchternblutzucker ↑ und pathologischer oraler Glukosetoleranz-Test (oGTT); Stadium II der Erkrankung): CD3-Antikörper Teplizumab, der T-Zellen vom Angriff auf die Beta-Zellen des Pankreas abhält, hat den Beginn eines Typ-1-Diabetes um mehrere Jahre hinausgezögert: Nach einer medianen Beobachtungszeit von 2 Jahren (745 Tagen) waren in der Teplizumab-Gruppe 19 Teilnehmer (43 %) und in der Placebo-Gruppe 23 Teilnehmer (72 %) an Diabetes mellitus erkrankt [6].
  • Kurze Stilldauer (< 6-12 Monate) sowie Nichtstillen sind mit einem erhöhten Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 1 verbunden [8, 9, 10, 18].
    • Beim Stillen werden mütterliche Antigene auf den Säugling übertragen und so dessen Mikrobiom verbessert [11].
    • Stillen könnte das Risiko indirekt verringern, da folglich die Einführung von Nahrungsmitteln wie Kuhmilch- oder Weizenprotein, die eine Autoimmunreaktion auslösen können, verzögert wird. In den ersten Lebensmonaten ist die Permeabilität (Durchlässigkeit) des Darms für Makromoleküle erhöht, sodass es zu einer Sensibilisierung gegen Nahrungsbestandteile kommen kann. Eine erhöhte Darmpermeabilität wurde auch bei Typ-1-Diabetes beobachtet [14].

Eine Sekundärprävention des Diabetes mellitus Typ 1 ist nicht möglich, da die Zellen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) nicht wieder funktionsfähig werden, wenn sie einmal zerstört worden sind.

Literatur

  1. Bonifacio E, Warncke K, Winkler C, Wallner M, Ziegler AG: Cesarean Section and Interferon-Induced Helicase Gene Polymorphisms Combine to Increase Childhood Typ1 Diabetes Risk. Diabetes. 2011 Dec;60(12):3300-6. doi: 10.2337/db11-0729.
  2. Beyerlein A, Krasmann M, Thiering E, Kusian D, Markevych I, D'Orlando O, Warncke K, Jochner S, Heinrich J, Ziegler AG: Ambient Air Pollution and Early Manifestation of Type 1 Diabetes. Epidemiology. 2015 May;26(3):e31-2. doi: 10.1097/EDE.0000000000000254.
  3. Magnus M C et al.: Infant Growth and Risk of Childhood-Onset Type 1 Diabetes in Children From 2 Scandianavian Birth Cohorts. JAMA Pediatrics 2015; online 7. Dezember 2015; doi:10.1001/jamapediatrics.2015.3759
  4. Uusitalo U et al.: Association of Early Exposure of Probiotics and Islet Autoimmunity in the TEDDY Study. JAMA Pediatr. 2016;170(1):20-28. doi:10.1001/jamapediatrics.2015.2757.
  5. Perrett KP et al.: Association of Rotavirus Vaccination With the Incidence of Type 1 Diabetes in Children JAMA Pediatr. 2019 Jan 22. doi: 10.1001/jamapediatrics.2018.4578.
  6. Sims EK et al.: Teplizumab improves and stabilizes beta cell function in antibody-positive high-risk individuals. Science Translational Medicine 2021;13:583, eabc8980 doi: 10.1126/scitranslmed.abc8980
  7. Censin JC et al.: Childhood adiposity and risk of type 1 diabetes: A Mendelian randomization study. PLoS Med 14(8): e1002362, https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002362
  8. Cardwell CR, Stene LC, Ludvigsson J, Rosenbauer J, Cinek O, Svensson J: Breast-feeding and childhood-onset type 1 diabetes: a pooled analysis of individual participant data from 43 observational studies. Diabetes Care. 2012 Nov 1; 35 (11): 2215-2225. doi: 10.2337/dc12-0438.
  9. Garcia-Larsen V, Ierodiakonou D, Jarrold K, Cunha S, Chivinge J, Robinson Z: Diet during pregnancy and infancy and risk of allergic or autoimmune disease: a systematic review and meta-analysis. Basu S, editor. PLOS Med. 2018 Feb 28; 15 (2). doi: 10.1371/journal.pmed.1002507.
  10. Güngör D, Nadaud P, LaPergola CC, Dreibelbis C, Wong YP, Terry N: Infant milk-feeding practices and cardiovascular disease outcomes in offspring: a systematic review. Am J Clin Nutr. 2019 Mar 1; 109 (Supplement_1): 800S-816S. doi: 10.1093/ajcn/nqy332.
  11. Vieira Borba V, Sharif K, Shoenfeld Y: Breastfeeding and autoimmunity: Programing health from the beginning. Am J Reprod Immunol. 2018; 79 (1): 1-11.
  12. Ludvigsson J: The jury is still out on possible links between cows’ milk and type 1 diabetes. Acta Paediatr 2020 Feb 5; 109 (2): 231-232. doi: 10.1111/aji.12778. Epub 2017 Oct 30.
  13. Vojdani A, Gushgari LR, Vojdani E: Interaction between food antigens and the immune system: association with autoimmune disorders. Autoimmun Rev. 2020; 19 (3). doi: 10.1016/j.autrev.2020.102459.
  14. Vaarala O: The gut immune system and type 1 diabetes. Ann N Y Acad Sci 2002; 958: 39-46. doi: 10.1111/j.1749-6632.2002.tb02945.x.
  15. Norris JM, Barriga K, Klingensmith G et al.: Timing of initial cereal exposure in infancy and risk of islet autoimmunity. JAMA 2003; 290: 1713-20. doi: 10.1001/jama.290.13.1713.
  16. Ziegler AG, Schmid S, Huber D, Hummel M, Bonifacio E: Early infant feeding and risk of developing type 1 diabetes-associated autoantibodies. JAMA 2003; 290: 1721-8. doi: 10.1001/jama.290.13.1721.
  17. Hummel M, Bonifacio E, Schmid S, Walter M, Knopff A, Ziegler AG: Early appearance of islet autoantibodies predicts childhood type 1 diabets in offspring of diabetic parents. Ann Intern Med 2004; 140: 882-6. doi: 10.7326/0003-4819-140-11-200406010-00009.
  18. Lampousi AM, Carlsson S, Löfvenborg JE: Dietary factors and risk of islet autoimmunity and type 1 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Meta-Analysis. EBioMedicine. 2021 Oct; 72: 103633. doi: 10.1016/j.ebiom.2021.103633. doi: 10.1016/j.ebiom.2021.103633.