Adrenogenitales Syndrom (AGS) – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf ein adrenogenitales Syndrom (AGS) hinweisen:

Die Ausprägung und Schwere der Symptome ist davon abhängig, welches der Enzyme defekt ist und inwieweit noch eine Restaktivität des betroffenen Enzyms vorhanden ist sowie vom Geschlecht des Betroffenen.

Hauptsymptome bei 21-Hydroxylase-Mangel

  • Folgen der Hyperandrogenämie (vermehrte Produktion von Androgenen (männliche Geschlechtshormone))
    • Mädchen:
      • Pseudohermaphroditismus femininus – der Genotyp (XX) ist weiblich, die Mädchen sehen aber männlich aus
        • schon bei der Geburt auffälliges intersexuelles Genital (Klitorishypertrophie (Vergrößerung der Klitoris) bei normalen weiblichen inneren Genitalen (Uterus/Gebärmutter und Ovarien/Eierstöcke))
        • zunehmende Virilisierung (Vermännlichung)
        • männliches Behaarungsmuster (Oberlippenbart, Haare auf der Brust)
        • vorzeitige Schambehaarung
        • fehlende Brustentwicklung
        • primäre Amenorrhoe (keine Menstruationsblutung seit mehr als drei Monaten bei bereits etabliertem Zyklus)
    • Jungen:
      • Pseudopubertas praecox (Form einer vorzeitigen Geschlechtsreife beim juvenilen (jugendlichen) Typ)
        • der Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion, d. h. kleine Hoden) steht im Gegensatz zur verstärkten Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Schamhaar und Penis wachsen)
    • Beide Geschlechter:
      • unbehandelt tritt ein kindlicher Hochwuchs (durch eine beschleunigte Knochenreifung) sowie ein Kleinwuchs im Erwachsenenalter auf (durch vorzeitigen Schluss der Epiphysenfugen)
      • Im Erwachsenenalter leiden die Betroffenen häufig unter Übergewicht, Stoffwechselveränderungen und Störungen der Fertilität (Fruchtbarkeit).
  • Hypocortisolismus (Mangel an Cortisol)
    • Anorexie (Appetitlosigkeit)
    • Erschöpfung, Müdigkeit
    • Gereiztheit
    • Gewichtsverlust
    • Hypercalcämie (Calciumüberschuss)
    • Hypoglykämie (Unterzuckerung)
    • Vertigo (Schwindel)

Die Restaktivität der 21-Hydroxylase bestimmt die Verlaufsform:

  • Klassisches adrenogenitales Syndrom mit Salzverlustsyndrom ("salt-wasting"-AGS; 75 % der Fälle) – das Enzym ist komplett ausgefallen
    • tritt bereits im Säuglingsalter auf
    • fehlende mineralcorticoide Wirkung des unzureichend gebildeten Aldosterons; Aldosteron ist ein Mineralocorticoid, welches ebenfalls in der Nebennierenrinde produziert wird. Es stellt ein wichtiges Glied im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) dar, welches den Blutdruck und den Salzhaushalt mit reguliert. Durch den Hypoaldosteronismus (Mangel an Aldosteron) kommt es zu Störungen im Salzhaushalt mit Flüssigkeitsverlust ("Salzverlustsyndrom").
      • Elektrolytstörung (Natrium ↓ , Kalium ↑)
      • Emesis (Erbrechen), Diarrhoe (Durchfälle), Exsikkose (Austrocknung), Trinkschwäche, Apathie (Teilnahmslosigkeit), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Hyponatriämie (Natriummangel), Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss), metabolische Azidose/stoffwechselbedingte Übersäuerung)
      • Cortisolmangel und Hyperandrogenämie
  • Klassisches adrenogenitales Syndrom ohne Salzverlustsyndrom ("simple virilizer"-AGS; 25 % der Fälle) – Restaktivität der 21-Hydroxylase von 1-2 %
    • tritt bereits im Säuglingsalter auf
    • Cortisolmangel und Hyperandrogenämie
  • Nicht-klassisches adrenogenitales Syndrom ("late-onset"-AGS) – Restaktivität der 21-Hydroxylase von 20-60 %; wird häufig erst im Jugend- oder gar Erwachsenenalter erkannt; milde Symptomatik
    • keine vorgeburtliche Vermännlichung; manifestiert sich meist erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter
    • kein Salzverlust
    • keine Nebenniereninsuffizienz (Nebennierenschwäche)
    • Wachstumsstörungen
    • Knochenalter-Akzeleration
    • vorzeitige Schambehaarung (Pubarche)
    • Pseudopubertas praecox (PPP) – Form der vorzeitigen Geschlechtsentwicklung (Pubertas praecox), bei der eine Überproduktion von Geschlechtshormonen vorliegt, ohne dass eine Erhöhung der Regulationshormone (Gonadotropin) nachweisbar ist
    •  bei Mädchen: Hirsutismus (vermehrte Terminalbehaarung (Langhaare) der Frau, gemäß dem männlichen Verteilungsmuster (androgenabhängig)), fettige Haut, Akne, tiefe Stimme, Zyklusstörungen
    • Störung der Fertilität (Fruchtbarkeit)
    • Beide Geschlechter: relativer Kleinwuchs

Hauptsymptome bei 11β-Hydroxylase-Mangel

  • Es kommt zu einer vermehrten Produktion des mineralcorticoidwirkenden Desoxycorticosteron (DOC) mit Mineralcorticoid-Exzess:
    • Hypertonie (Bluthochdruck)
    • Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss)
  • beim weiblichen Geschlecht: Virilisierung (Vermännlichung)

Hauptsymptome bei 17α-Hydroxylase-Mangel

  • Es kommt zu einer vermehrten Produktion des mineralcorticoidwirkenden Desoxycorticosteron (DOC) mit Mineralcorticoid-Exzess:
    • Hypertonie
    • Hyperkaliämie
    • Hyponatriämie (Natriummangel) 
    • metabolische Alkalose (Stoffwechselstörung, die sich durch eine Bicarbonaterhöhung oder durch den Verlust von Wasserstoff-Ionen auszeichnet)
  • beim weiblichen Geschlecht: primäre Amenorrhoe (Ausbleiben der ersten Regelblutung)
  • beim männlichen Geschlecht: Feminisierung (Ausbildung der männlichen Geschlechtsmerkmale fehlt)
  • fehlende Pubertätsentwicklung bei beiden Geschlechtern