Rückbildungsgymnastik
Was ist mit dem Körper der Frau während der Schwangerschaft passiert? Warum ist eine Rückbildungsgymnastik wichtig?
Schwangerschaft und Geburt stellen erhebliche Veränderungen im Körper der Mutter dar, die sich nach der Geburt über mehrere Monate langsam zurückbilden. Aber was genau regeneriert sich alles?
Uterus (Gebärmutter): Nach der Geburt hat die Gebärmutter ein Eigengewicht von etwa 1.000 g. Durch die Nachwehen, die durch das Stillen verstärkt werden und bei Mehrgebärenden auch relativ schmerzhaft sein können, findet bereits in der ersten Woche nach der Geburt eine Reduktion des Gewichtes auf etwa 500 g statt. Nach sechs Wochen beträgt das Gewicht nur noch zwischen 60 und 100 g. Übrigens kann die Rückbildung der Gebärmutter durch die weichen, erschlafften Bauchdecken gut ertastet werden. Die obere Begrenzung der Gebärmutter, der sog. Fundus, ist direkt nach der Geburt 1-2 Querfinger unterhalb des Nabels, am ersten Tag nach der Geburt 1 Querfinger oberhalb des Nabels, am fünften Tag zwischen Nabel und Symphyse und zehn Tage nach der Geburt gerade noch oberhalb der Symphyse (Schambeinfuge) tastbar.
Cervix (Gebärmutterhals): Nach etwa ein bis zwei Wochen hat die Cervix wieder weitestgehend seine natürliche Form und ist so weit geschlossen, dass nur noch der Wochenfluss (Lochien von altgriechisch λόχος lóchos, deutsch Geburt') passieren kann.
Vagina (Scheide): Nach einer Spontangeburt bildet sich die geweitete Vagina innerhalb von sechs Wochen zurück auf Ausgangsgröße. Durch Beckenbodentraining (Beckenbodengymnastik) kann dies effizient unterstützt werden.
Bauchdecken: Durch das Wachstum des Kindes wird die Bauchmuskulatur stark gedehnt und verliert an Muskelkraft. Ein gezieltes Training zur Rückbildung des Bauches und der Kräftigung der Muskulatur sollte frühestens sechs Wochen nach der Entbindung durch gezielte Übungen unterstützt werden. Zu frühes Training kann zur sogenannten Rektusdiastase, einem Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskulatur führen, was einem Bauchwandbruch entspricht, der eventuell operativ behandelt werden muss.
Beckenboden: Die Muskulatur des Beckenbodens ist hormonell für eine starke Dehnung durch eine Spontangeburt vorbereitet. Beim Durchtritt des Kindes durch die Vagina und die Beckenbodenmuskulatur kommt es zur selbigen sowie zu mehr oder weniger ausgeprägten Mikroverletzungen der Muskulatur und des Bindegewebes. Manche Frauen leiden in den ersten Wochen und Monaten durch die Schwächung des Beckenbodens an einer leichten Inkontinenz. Beckenbodentraining ist hocheffektiv zur Wiederherstellung der Beckenbodenmuskulatur und der Beckenbodenfunktion. Es ist der größte Garant zur Prophylaxe oder zur Heilung einer Harninkontinenz sowie zur Rückbildung der erweiterten Scheide und zur Vorbeugung einer Senkung der Gebärmutter, der Scheide, der Blase und des Enddarms.
Übrigens können all diese Probleme auch bei einem Kaiserschnitt (Sectio caesarea) auftreten, weil die primären Veränderungen hormonell bedingt sind und sich spontan nach der Geburt oft nicht vollständig zurückbilden. Operative Entbindungen durch Vakuum oder Forceps (Zange) können zu massiven Verletzungen der Beckenbodenfunktion führen, sodass danach, wenn die Wundheilung vollständig abgeschlossen ist, dem Training der Beckenbodenmuskulatur ein besonderer Stellenwert zukommt.
Rückbildungsgymnastik – ab wann?
Die Rückbildung des Beckenbodens, d. h. der Beckenbodenmuskulatur, kann schon wenige Tage nach der Geburt unterstützt werden, sofern körperliche Fitness gegeben ist, keine Kreislaufprobleme und keine Operationen wie zum Beispiel Vakuum- oder Zangenentbindung, kein Dammschnitt (Episiotomie) vorliegen und nicht per Sectio caesarea entbunden wurde.
Da die Belastung der Geburt für die junge Mutter individuell sehr unterschiedlich sein kann, ist die Hebamme, die die Nachsorge durchführt, die beste Beraterin, wann und mit welchen Übungen begonnen werden kann.
Die Übungen können in den ersten Wochen kontinuierlich gesteigert werden. Nach etwa sechs Wochen ist die Rückbildung so weit fortgeschritten, dass der Körper stärker belastet werden und mit der eigentlichen Rückbildungsgymnastik begonnen werden kann. Sie beinhaltet spezifische Übungen zur Stärkung der Muskulatur des Beckenbodens, des Rückens und der Bauchmuskulatur. Erst ab diesem Zeitpunkt sollte mit dem Training der Bauchmuskulatur begonnen werden. Voraussetzung ist, dass sich die gerade Bauchmuskulatur wieder geschlossen hat. Ansonsten besteht die Gefahr, besonders bei Sit-ups, den Verschluss zu verzögern und einen Bauchwandbruch zu induzieren.
Es empfiehlt sich an einem Rückbildungskurs, der normalerweise von Hebammen durchgeführt wird, teilzunehmen. Gelegentlich wird er auch von Physiotherapeuten/innen angeboten.
Rückbildungsgymnastik nach Kaiserschnitt?
Auch nach einem Kaiserschnitt ist die Rückbildung eine "conditio sine qua non".
Warum? Die vielen Schichten der Bauchdecke mit den unterschiedlichen Muskel- und Bindegewebsschichten und Nervengewebe wurden durchtrennt. Sie müssen regeneriert und trainiert werden. Dazu kommt, dass auch das Bindegewebe und die Muskulatur des Beckenbodens hormonell für eine Spontangeburt vorbereitet waren. Diese Veränderungen bilden sich häufig nicht spontan völlig zurück, sodass auch nach einem Kaiserschnitt die Gefahr der Harninkontinenz (Blasenschwäche) und eines Descensus (Senkung) besteht. Durch das ganzheitliche Training von Bauch-Rücken-und Beckenmuskulatur wird die Konstanz dieser ineinandergreifenden Funktionsmechanismen wiederhergestellt.
Falls nach 6 Wochen noch Schmerzen oder Wundheilungsstörungen bestehen, sollte die Rückbildung erst nach Beschwerdefreiheit begonnen werden.
Rückbildungsgymnastik – zu Hause oder im Kurs?
Am effektivsten ist das Erlernen der Rückbildungsgymnastik in einem Kurs unter fachkundiger Anleitung einer Hebamme. Gelegentlich werden diese Kurse auch von Physiotherapeuten/innen angeboten. Meist finden die Kurse einmal pro Woche statt. Im allgemeinen werden 10 Stunden von den Krankenkassen übernommen.
Wenn zu Hause etwa dreimal pro Woche 15 Minuten geübt werden kann, kann die Effektivität deutlich gesteigert werden. Auch ein Online-Rückbildungskurs bietet sich dafür an.
Unabhängig von der fachkundigen Anleitung einer Expertin ist auch der psychologische Effekt des Kontaktes mit anderen jungen Müttern und deren Erfahrungen sowie der Tapetenwechsel ein wichtiger Aspekt der Rückbildungsgymnastik.
Es hat sich bewährt, die Übungen langfristig einmal pro Woche durchzuführen.
Rückbildungsgymnastik – worauf ist zu achten?
Körperliche und psychische Fitness: Die Rückbildungsgymnastik sollte erst dann begonnen werden, wenn sich die Frau körperlich und auch psychisch fit fühlt. Das kann individuell unterschiedlich sein, besonders nach operativen Entbindungen oder nach einer problematischen Entwicklung des Kindes.
Mit Rückbildungsgymnastik zurück zur Wunschfigur?
Eine alte Hebammenregel sagt, dass die körperlichen Veränderungen normalerweise mindestens so lange dauern wie eine Schwangerschaft. Bei 9 von 10 Müttern bleibt die Figur aber dauerhaft etwas weiblicher. Die Rückbildungsgymnastik ist in den ersten Monaten nach der Geburt das wichtigste körperliche Training zur Wiedererlangung der alten Figur. Wichtig ist, sich keinen Stress zu machen und mit unterschiedlichen Sportarten und Fitnessübungen langsam wieder zu beginnen, um den Körper nicht überzustrapazieren. Schließlich geht es in dieser Zeit darum, dass Kind und seine Bedürfnisse kennenzulernen und sich an den Entwicklungsschritten zu erfreuen.
Bezahlung durch die Krankenkasse
Die Kosten der Rückbildung werden von allen Krankenkassen übernommen. Normalerweise werden bis zu 10 Stunden in einer Zeit bis zu 9 Monaten nach der Geburt bezahlt. Hebammenkurse werden von allen Krankenkassen bezahlt, bei Kursen von Physiotherapeuten/innen sollte die Kostenübernahme am besten vor Beginn geprüft werden.
Auf die Übungen zu Rückbildungsdiagnostik soll hier bewusst nicht eingegangen werden, da dies in zahlreichen Angeboten, Videos, YouTube etc. detailliert beschrieben ist.
Literatur
- Larson-Meyer DE: Effect of postpartum exercise on mothers and their offspring: a review of the literature. Obes Res. 2002 Aug; 10 (8): 841-53. doi: 10.1038/oby.2002.114