Radiosynoviorthese
Die Radiosynoviorthese (RSO, von radio radioaktives Isotop, Synovialis Gelenkschleimhaut, Orthese Wiederherstellung; kurz RSO) gehört zu den nuklearmedizinischen Verfahren, die therapeutisch in der Rheumatologie und Orthopädie zur Behandlung von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen eingesetzt werden. Durch die Anwendung der Radiosynoviorthese besteht die Möglichkeit des Wiederaufbaus der Synovialis (Innenauskleidung der Gelenkhöhle ohne Zellkontakte). Die Wiederherstellung der Synovialis beruht dabei auf dem Einsatz von Beta-Strahlern (Radionukleotide). Die Betastrahlung ist eine ionisierende Strahlung, die bei einem radioaktiven Zerfall, dem Betazerfall, auftritt. Diese Radionuklide werden in die Gelenkhöhle appliziert, sodass ein vorliegender Entzündungsprozess inhibiert (angehalten) werden kann. Die Nutzung des Verfahrens stellt somit eine Alternative zur chirurgischen Entfernung der Synovialis dar.
Zielsetzung und Wirkungsweise einer Radiosynoviorthese (RSO)
Zielsetzung
- Hemmung chronisch-entzündlicher Prozesse in der Synovialis (Gelenkschleimhaut), um Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktion zu verbessern.
- Sie bietet eine Alternative zur chirurgischen Entfernung der Synovialis.
Wirkungsweise
- Die RSO nutzt Betastrahler (Radionuklide), um eine lokale Hyperämie zu reduzieren und Entzündungszellen zu inaktivieren.
- Die Betastrahlung führt zu einer Zerstörung der Synovialis und stimuliert die Umwandlung des Gewebes in Bindegewebe.
- Dieser Prozess kann bis zu drei Monate dauern und trägt zur Regeneration der Gelenkschleimhaut bei.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Arthrose − auch bei einer Arthrose (degenerative Gelenkserkrankung) stellt die Radiosynoviorthese ein sinnvolles Verfahren in der Behandlung dar. Im Vergleich zur rheumatoiden Arthritis sind die Erfolgschancen der Therapie jedoch geringer.
- Arthritis psoriatica − bei der durch eine Psoriasis (Schuppenflechte) ausgelöste Arthritis stellt die Radiosynoviorthese eine anerkannte und sinnvolle Therapieoption dar.
- Hämophile Arthropathie − bei diesem Krankheitsbild handelt es sich um eine Arthrose, die durch fortbestehende Einblutungen entstehen kann. In der Regel sind Patienten betroffen, die unter einer meist erblich bedingten Blutgerinnungsstörung leiden. Durch die Störung werden blutige Gelenkergüsse induziert, die zu Narben im Gelenkinnenraum führen. Durch die Radiosynoviorthese kann diese Hämarthrose in ca. 90 % der Fälle erfolgreich behandelt werden.
- Pigmentierte villonoduläre Synovialitis − bei dieser seltenen Erkrankung der Synovia (Gelenkschleimhäute), die mit Gelenkergüssen und Schwellungen einhergeht, kann die Radiosynoviorthese als Alternative zur Entfernung der Schleimhaut oder zur Strahlentherapie genutzt werden.
- Rheumatoide Arthritis − dieses Krankheitsbild stellt die Hauptindikation für die Anwendung der Radiosynoviorthese dar. In Abhängigkeit vom Stadium der Arthritis lassen sich nahezu 75 % der frühen rheumatoiden Arthritiden erfolgreich mittels Radiosynoviorthese behandeln. Erfolgt die Behandlung in einem späteren Stadium, so sind die Erfolgschancen deutlich gemindert.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Wiederholungstherapie innerhalb weniger Tage − eine Wiederholung der Radiosynoviorthese sollte nicht innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden.
- Infektiöse Arthritis (Gelenkinfekt) − der Einsatz der Radiosynoviorthese bei einem diagnostizierten Gelenkinfekt stellt eine absolute Kontraindikation dar.
- Gravidität (Schwangerschaft) − die Radiosynoviorthese darf während der Schwangerschaft normalerweise nicht eingesetzt werden, um eine Gefährdung des Kindes zu vermeiden.
- Laktationsphase (Stillzeit)
- Wachstumsalter − das Verfahren sollte auf keinen Fall bei Kindern eingesetzt werden, da durch die Therapie eine spätere Bewegungsbeeinträchtigung entstehen kann.
Vor der Behandlung
- Diagnosesicherung − vor Einsatz des therapeutischen Verfahrens muss die Indikation des Verfahrens als gesichert angesehen werden. Der Einsatz der Radiosynoviorthese stellt in der Regel keine primäre Therapieoption dar, sondern wird beim Versagen der systemischen Therapieversuche eingesetzt.
- Entzündungsaktivität − vor der Durchführung der Radiosynoviorthese sollten Entzündungsmarker im Blut nachgewiesen werden. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf den Entzündungsmarkern CRP (C-reaktives Protein), Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und den verschiedenen Globulinen.
Das Verfahren
Radionuklide (Yttrium90 für die Knie; Rhenium186 für Schulter, Ellenbogen, Handgelenk und Sprunggelenk; Erbium169 für Finger, Mittelfuß- und Zehengelenke) werden in das jeweilige Gelenk injiziert. Durch die Kopplung der Radionuklide an Kolloide (Teilchen in Flüssigkeit) wird bewirkt, dass die radioaktive Substanz länger im Gelenk verbleiben kann. Aktuell werden bei der Radiosynoviorthese ausschließlich β-Strahler (Beta-Strahler) und keine γ-Strahler (Gamma-Strahler) eingesetzt, um eine schädliche Strahlenbelastung des Patienten zu verhindern. Die Auswahl der radioaktiven Substanz richtet sich unter anderem nach dem zu behandelnden Gelenk. Beim therapeutischen Einsatz am Kniegelenk wird vornehmlich Yttrium90 eingesetzt, während Rhenium186 unter anderem am Schultergelenk genutzt wird.
Durch die Betastrahlen wird die lokale Hyperämie (erhöhtes Blutangebot) deutlich reduziert und eine Inaktivierung der vorhandenen Entzündungszellen induziert. Des Weiteren bedingt die destruierende (zerstörende) Wirkung der Betastrahlen eine bindegewebige Umwandlung der Synovialis (Gelenkinnenhaut). Dieses kann bis zu 3 Monate dauern.
Um eine zusätzliche Infektion zu vermeiden wird die Injektion der radioaktiven Substanz unter streng aseptischen Bedingungen und Röntgendurchleuchtung durchgeführt. Parallel zur radioaktiven Substanz kann auch ein Steroid (Entzündungsinhibitor) appliziert werden.
Nach der Behandlung
- Ruhigstellung des Gelenkes − nach erfolgter Applikation der radioaktiven Substanz muss das Gelenk für ca. 72 Stunden ruhig gestellt werden, um so zu gewährleisten, dass ein vorzeitiger Abtransport des Radionuklids verhindert wird. Die Wirkung der applizierten Substanz wird somit verlängert.
- Weitere Therapiemaßnahmen − zusätzlich zur Verabreichung der radioaktiven Substanz kann die Radiosynoviorthese um Zusatzmaßnahmen wie zum Beispiel der Applikation von antiphlogistischen (entzündungshemmenden) Medikamenten erweitert werden.
Mögliche Komplikationen
- Fieber
- Cephalgie (Kopfschmerzen)
- Abgeschlagenheit
- Gelenkergüsse (Synonyme: Hydarthros, Hydrops articularis)
Literatur
- Franke C: Stellenwert der Radiosynoviorthese in Rheumatologie und Orthopädie. Schweiz Med Wochenschr. 2000. 130:77-83
- Hilker A, Thiel B: Radiosynoviorthese und chemische Synoviorthese – Sinn und Unsinn. Akt Rheumatol. 2005. 30:316-321
- Savaser AN, Hoffmann KT, Sörensen H, Banzer DH: Die Radiosynoviorthese im Behandlungsplan chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen. Z Rheumatol. 1999. 58:71-78
- Gratz S, Göbel D, Becker W: Radiosynoviorthese bei entzündlichen Gelenkerkrankungen. Orthopäde. 2000. 29:164-170
- Gartz S, Göbel D, Behr TM: Die Radiosynviorthese. Dtsch Med Wochenschr. 2002. 127:1704-1707