Interventionelle renale Sympathikusdenervation
Bei der interventionellen renalen Sympathikusdenervation (Synonym: Renale Denervation (RDN)) handelt es sich um ein therapeutisches minimal-invasives Verfahren der Inneren Medizin, welches zur Behandlung einer schweren therapierefraktären (ohne Behandlungserfolg) Hypertonie (Bluthochdruck) eingesetzt werden kann. Die gezielte Denervation (Durchtrennung des Nerven) erfolgt mithilfe einer präzisen selektiven Kathetertechnik, sodass sowohl die afferenten als auch die efferenten Nierennerven gezielt durch die Radiofrequenzenergie getrennt werden können.
Mittels renaler Sympathikusdenervation ist eine signifikante (deutliche) und dauerhafte Blutdrucksenkung sowie eine Reduktion der Sympathikusaktivität möglich. Letzteres führt dazu, dass 3 Monate nach der Intervention auch die Herzfrequenz deutlich geringer ist – im Mittel um 2, 5 Schläge pro Minute – als Patienten mit Scheinbehandlung [10].
Zielsetzung der interventionellen renalen Sympathikusdenervation
- Signifikante Blutdrucksenkung: Mittels renaler Sympathikusdenervation ist eine deutliche und dauerhafte Senkung des Blutdrucks möglich, insbesondere bei Patienten mit therapieresistenter Hypertonie.
- Reduktion der Sympathikusaktivität: Die gezielte Denervation der Nierennerven führt zu einer Reduktion der Sympathikusaktivität, was zu einer zusätzlichen Verbesserung der Blutdruckkontrolle beiträgt.
- Senkung der Herzfrequenz: Die Herzfrequenz kann ebenfalls deutlich verringert werden, was zu einer Entlastung des Herzens führt und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduziert.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Therapierefraktärer Hypertonus − Laut neuester Studien ist die interventionelle renale Sympathikusdenervation bei einem therapierefraktären Hypertonus einzusetzen, dem keine primären pathologischen Veränderungen des Stoffwechsels, Tumoren oder anatomisch bedingte Veränderungen der Blutdruckregulation zugrunde liegen. Die der Indikationsstellung zugrunde liegende internationale multizentrische randomisierte Symplicity-HTN-2-Studie schloss 106 Patienten mit einem therapierefraktären Hypertonus ein, bei denen trotz einer dreifachen antihypertensiven Therapie (blutdrucksenkenden Therapie) keine leitliniengerechte Blutdrucksenkung (Gelegenheitsblutdruck < 160 mmHg systolisch, bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 < 150 mmHg) zu erzielen war [1].
Publikationen zur Wirksamkeit siehe unter "Hinweise zur Wirksamkeit".
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Liegt eine Indikation für die Durchführung des Verfahrens vor, so sind mögliche Kontraindikationen individuell zu beurteilen. Hypertonusursachen, die nicht mit einer interventionellen renalen Sympathikusdenervation behandelt werden können, sind oben aufgeführt.
Vor der Therapie
Präinterventioneller Ausschluss diverser Hypertonusursachen, die als Kontraindikation (Gegenanzeigen) für die interventionelle renale Sympathikusdenervation anzusehen sind:
- Phäochromozytom − bei einem Phäochromozytom handelt es sich um einen seltenen Tumor des Nebennierenmarks, der unter anderem die Katecholamine (Hormone) Adrenalin und Noradrenalin produzieren kann und zu einer paroxysmalen Hypertonie (anfallsartigem Bluthochdruck) oder einer persistierenden Hypertonie (dauerhafter Blutdruckerhöhung) führt.
- Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) − gehört in seiner klassischen (hypokaliämen) Form mit einer Häufigkeit von etwa 1 % zu den selteneren Ursachen des Bluthochdrucks; bis zu 10 % der Patienten mit Hypertonie haben allerdings einen normokaliämischen (normales Kalium) Hyperaldosteronismus
- Cushing-Syndrom − Erkrankung, bei der von der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) zu viel ACTH (Adrenocorticotropin, auch Adrenocorticotropes Hormon; kurz: ACTH) produziert wird, wodurch es zu einer vermehrten Stimulation der Nebennierenrinde und als Folge davon zu einer übermäßigen Cortisolproduktion kommt. Das Cushing-Syndrom kann eine mögliche Ursache für einen therapierefraktären Hypertonus darstellen.
- Renovaskuläre und/oder renoparenchymatöse Hypertonie − diese Hypertonusform ist renal bedingt (Niere als Ursache des Hypertonus) und ist daher nicht mit der Denervation zu behandeln. Zur Beurteilung der Nierenarterien wird eine Magnetresonanztomographie durchgeführt. Optimale Voraussetzungen für die Intervention sind hierbei jeweils eine einzeln angelegte Arteria renalis sinistra und dextra mit einer Mindestlänge (Abgang Aorta (Hauptschlagader) bis zur ersten Bifurkation/Gabelung) von 20 mm und einem Durchmesser größer 4 mm [2].
- Schilddrüsenfunktionsstörung − eine verstärkte Bildung und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen führt unter anderem zu einem Anstieg des Blutdrucks und muss daher vor der Intervention ausgeschlossen werden.
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS; Atemaussetzer im Schlaf, die durch die Verlegung der Atemwege entstehen und häufig mehrere hundert Mal pro Nacht auftreten) − durch eine Sympathikusaktivierung als Folge einer Katecholaminfreisetzung haben 40 - 60 % der OSAS-Patienten auch tagsüber einen erhöhten Blutdruck.
- Weitere Ausschlusskriterien sind:
- Myokardinfarkt (Herzinfarkt), instabile Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend), Insult (Gehirnschlag) < 6 Monate
- hämodynamisch relevante Klappenerkrankung
- Diabetes mellitus Typ 1
- ICD (implantierbarer Cardioverter Defibrillator) oder Schrittmacher
- Schwangerschaft
Das Verfahren
Durch ein Kathetersystem, das mit einer Elektrode an der Spitze ausgestattet ist, wird eine Radiofrequenzenergie präzise in einem genauen Behandlungsrhythmus im Abstand von 5 mm bis kurz vor das Ostium (Öffnung) der Nierenarterie appliziert. Der hierfür notwendige Radiofrequenzgenerator verfügt über einen Sicherheitsalgorithmus, sodass eine Applikation einer nicht korrekten Radiofrequenzenergie verhindert werden kann. Innerhalb von weniger als einer Stunde ist die Behandlung beendet.
Nach der Therapie
Zur Beurteilung des Behandlungserfolges und zur Überprüfung, ob Komplikationen aufgetreten sind, sind Nachuntersuchungen notwendig.
Mögliche Komplikationen
- Mittel- bis hochgradige Schmerzen
- Blutungen und Hämatome (Blutergüsse)
- Allergische Reaktionen
- Nekrose (Absterben) der Gefäßwand und Schädigung der Zellen in der Gefäßwand
- Intimaproliferation (Wucherungen der Gefäßinnenwand)
Hinweise zur Wirksamkeit
- Das positive Ergebnis der Symplicity-HTN-2-Studie wird durch die Symplicity-HTN-3-Studie (> 500 Patienten) infrage gestellt [3].
Eine weitere Studie mit strikterem Studienprotokoll und sorgfältiger Auswahl der antihypertensiven Begleittherapie kam zu einem positiven Ergebnis: am primären Endpunkt wurde ein Rückgang um 15,8 mmHg erreicht, im Vergleich dazu sank in der Kontrollgruppe der systolische Blutdruck um 9,9 mmHg [6].
Siehe auch die Studienübersicht unter "Renale Denervierung bei therapieresistenter Hypertonie (S1)" [7].
Drei-Jahres-Daten der Studie SYMPLICITY-HTN-3: Die nach einem halben Jahr nicht signifikante systolische Drucksenkung erreichte nach 36 Monaten gegenüber dem Scheineingriff hochsignifikante 22,1 mmHg beim Praxis- und 16,5 mmHg beim 24-Stunden-Blutdruck – dieses allerdings bei fortgesetzter medikamentöser Therapie [13]. - Die randomisierte RADIANCE-HTN-SOLO-Studie, an der 146 Patienten beteiligt waren, zeigte folgende 1-Jahres-Daten: der Anteil der Patienten, der in der RDN-Gruppe Antihypertensiva (blutdrucksenkende Mittel) erhalten hatte, war niedriger als in der Kontrollgruppe (72,3 % vs. 85,1 % (p = 0,073)). Die Abnahme des am Tag ambulant gemessenen systolischen Blutdrucks in Relation zum Ausgangswert belief sich nach 12 Monaten auf −16,5 mmHg in RDN-Gruppe und −15,8 mmHg in der Kontrollgruppe. Kontrollen mittels bildgebender Verfahren konnten nach einem Jahr keine Anzeichen für eine Schädigung von Nierenarterien durch die kathetergestützte renale Sympathikusdenervation nachweisen [11].
- Die renale Hochfrequenz-Denervation führte im Vergleich zur Scheinkontrolle zu einer klinisch bedeutsamen und anhaltenden Blutdrucksenkung, bis zu 36 Monaten Nachbeobachtung, unabhängig von gleichzeitiger blutdrucksenkender Medikation und ohne größere Sicherheitsvorfälle: Die Behandlungsunterschiede zwischen der Gruppe mit renaler Denervation und der Scheinkontrollgruppe betrugen nach 36 Monaten -5,9 mmHg (95 % KI -10,1 bis -1,8; p=0,0055) für den mittleren ambulanten diastolischen Blutdruck, -11,0 mmHg (-19,8 bis -2,1; p=0,016) für den morgendlichen systolischen Blutdruck und -11,8 mmHg (-19,0 bis -4,7; p=0,0017) für den nächtlichen systolischen Blutdruck [12].
Literatur
- Krum H, Schlaich M, Whitbourn R, Sobotka PA, Sadowski J, Bartus K, Kapelak B, Walton A, Sievert H, Thambar S, Abraham WT, Esler M: Catheter-based renal sympathetic denervation for resistant hypertension: a multicentre safety and proof-of-principle cohort study. Lancet. 2009. 373:1275-81
- Wolfrum M, Landmesser U, Lüsche T: Eine Patientin mit therapieresistenter Hypertonie. Cardiovascular Medicine. 2010. 13:346-349
- Esler MD, Krum H, Sobotka PA, Schlaich MP, Schmieder RE, Böhm M.: Renal sympathetic denervation in patients with treatment-resistant hypertension (The Symplicity HTN-2 Trial): a randomised controlled trial. Lancet. 2010. 376:1903-1909
- Mahfoud F, Kindermann M, Ukena C, Sobotka PA, Kindermann I, Schlaich M, Böhm M: Interindividuelle renale Sympathektomie zur Behandlung der therapieresistenten Hypertonie. Journal für Hypertonie – Austrian Journal of Hypertension. 2010. 14:18-20
- Mahfoud F, Böhm M: Interventionelle renale Sympathikusdenervation Eine Behandlungsoption für Patienten mit therapieresistenter Hypertonie. Dtsch med Wochenschr. 2010. 135:2422-2425
- Azizi M et al.: Optimum and stepped care standardised antihypertensive treatment with or without renal denervation for resistant hypertension (DENERHTN): a multicentre, open-label, randomised controlled trial. Lancet. 2015 May 16;385(9981):1957-65. doi: 10.1016/S0140-6736(14)61942-5.
- Leitlinie der DEGAM: Renale Denervierung bei therapieresistenter Hypertonie: hausärztliche Beratung. DEGAM Leitlinien 2015
- Kandzari DE et al.: Effect of renal denervation on blood pressure in the presence of antihypertensive drugs: 6-month efficacy and safety results from the SPYRAL HTN-ON MED proof-of-concept randomised trial. Lancet Published: 23 May 2018 doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30951-6
- Aziizi M et al.: Endovascular ultrasound renal denervation to treat hypertension (RADIANCE-HTN SOLO): a multicentre, international, single-blind, randomised, sham-controlled trial. Lancet Published: 23 May 2018 doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31082-1
- Böhm M et al.: Ambulatory heart rate reduction after catheter-based renal denervation in hypertensive patients not receiving anti-hypertensive medications: data from SPYRAL HTN-OFF MED, a randomized, sham-controlled, proof-of-concept trial. Eur Heart J. 4. Januar 2019; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy871
- Azizi M et al.: 12-Month Results From the Unblinded Phase of the RADIANCE-HTN SOLO Trial of Ultrasound Renal Denervation. J Am Coll Cardiol Cardiovasc Interv 2020, 13: 2922-2933 doi: 10.1016/j.jcin.2020.09.054.
- Mahfoud F et al.: Long-term efficacy and safety of renal denervation in the presence of antihypertensive drugs (SPYRAL HTN-ON MED): a randomised, sham-controlled trial. Lancet 2022; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)00455-X
- Bhatt DL et al.: Long-term outcomes after catheter-based renal artery denervation for resistant hypertension: final follow-up of the randomised SYMPLICITY HTN-3 Trial Lancet . 2022 Oct 22;400(10361):1405-1416. doi: 10.1016/S0140-6736(22)01787-1
Leitlinien
- Leitlinie der DEGAM: Renale Denervierung bei therapieresistenter Hypertonie: hausärztliche Beratung. DEGAM Leitlinien 2015