Intermittierende pneumatische Kompression
Bei der intermittierenden pneumatischen Kompression (IPK) (Synonym: apparative intermittierende Kompression; AIK) handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren zur Kompressionsbehandlung von venösen und lymphatischen Erkrankungen. Von entscheidender Bedeutung für den Therapieeffekt des Verfahrens ist die sogenannte Wechseldruckmassage, mit der eine zuverlässige Entstauung sowohl akuter als auch chronischer Lymph- und venös bedingter Ödeme erreicht werden kann. Der hierfür notwendige intermittierende Druck von bis zu 120 -300) mmHg wird über apparative Kompression erzeugt.
Zielsetzung und Wirkungsweise der Intermittierenden Pneumatischen Kompression (IPK)
Zielsetzung
- Entstauung von Ödemen: Die Hauptzielsetzung der IPK besteht darin, Ödeme zu reduzieren oder zu beseitigen, sowohl akute als auch chronische, die durch venöse oder lymphatische Probleme verursacht werden.
- Verbesserung der Mikrozirkulation: Durch die gezielte Kompression der Blut- und Lymphgefäße wird die Mikrozirkulation in den betroffenen Geweben verbessert, was zu einer besseren Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff führt und gleichzeitig den Abtransport von Stoffwechselabbauprodukten fördert.
- Prävention von Komplikationen: Die IPK kann dazu beitragen, Komplikationen wie Thrombosen, Ulcera oder Infektionen zu verhindern oder zu reduzieren, insbesondere bei Patienten mit chronischen venösen Insuffizienzen oder Lymphödemen.
Wirkungsweise
- Wechseldruckmassage: Die Wechseldruckmassage ist das Kernprinzip der IPK. Dabei wird ein intermittierender Druck von bis zu 120-300 mmHg erzeugt, der auf das betroffene Gewebe wirkt. Dieser Druckwechsel fördert den venösen Rückfluss und die Lymphdrainage, was zu einer Entstauung führt.
- Kompression von Blut- und Lymphgefäßen: Die IPK erzeugt einen gezielten Druck auf die betroffenen Blut- und Lymphgefäße mithilfe von Luftkissen, die über ein spezielles Gerät gesteuert werden. Durch diese Kompression wird der Fluss von Blut und Lymphflüssigkeit verbessert.
- Rhythmisches Auf- und Ablassen des Drucks: Die IPK arbeitet mit einem rhythmischen Wechsel von Druck und Entlastung, wodurch ein Pumpeneffekt erzeugt wird. Dieser Pumpeneffekt unterstützt den natürlichen Fluss von Blut und Lymphflüssigkeit und trägt zur Entstauung bei.
- Anpassung an individuelle Bedürfnisse: Die IPK kann an die individuellen Bedürfnisse und den Gesundheitszustand des Patienten angepasst werden, indem der Druck, die Dauer und die Häufigkeit der Anwendungen entsprechend variiert werden.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Chronisch venöse Insuffizienz (CVI)/Leitveneninsuffizienz – ist definiert als eine Hypertonie (Hochdruck) im venösen System, die zu Veränderungen der Venen und der Haut führt. Die CVI führt zu einer venösen Abflussbehinderung sowie zu Mikrozirkulationsstörungen und trophischen Veränderungen im betroffenen Bereich (Unterschenkel und Füße).
- Diabetischer Fuß bzw. diabetische Fußdefekte
- Lipödem − chronisch progrediente, dysproportionale, symmetrische Unterhautfettvermehrung
- Lymphödem − Vermehrung von Gewebeflüssigkeit, die durch eine Schädigung des Lymphsystems bedingt ist
- Ödemerkrankungen
- Ödem-Mischformen
- posttraumatische Ödeme − im Anschluss an ein Trauma (Unfall; Verletzung) kann ein hierdurch bedingtes Ödem behandelt werden.
- venöse Ödeme (venenbedingte Wassereinlagerungen) − eine venöse Stauung kann in Abhängigkeit vom Blutdruck und vom Proteingehalt (Eiweißgehalt) zu einer Entstehung des venösen Ödems führen.
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – fortschreitende Stenosierung (Verengung) bzw. Okklusion (Verschluss) der die Arme/ (häufiger) Beine versorgenden Arterien, meist aufgrund einer Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung). Dieses führt zu einer Störung der arteriellen Durchblutung der betroffenen Extremitäten (Therapie unter strenger Kontrolle)
- Postthrombotisches Syndrom (PTS) – dauerhafter Folgeschaden nach einer Thrombose im tiefen Venensystem (alle Stadien)
- Thrombembolieprophylaxe
- Ulcus cruris venosum (Unterschenkelgeschwür) − diese Ulcusform tritt typischerweise bei einer schweren chronischen venösen Insuffizienz im Unterschenkelbereich auf und zeichnet sich durch eine verzögerte Abheilung aus.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Absolute Kontraindikationen
- Dekompensierte Herzinsuffizienz (Herzschwäche mit Ödemen (Wassereinlagerungen im Gewebe) und Dyspnoe (Luftnot) in Ruhe)
- Ausgedehnte Thrombophlebitis (akute Thrombose und Entzündung von meist oberflächlichen Venen), Thrombose (Gefäßerkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Gefäß bildet) oder Thromboseverdacht
- Akutes Weichteiltrauma der Extremitäten
- Verschluss der Lymphgefäße
- Akute Entzündungen der Haut im Behandlungsgebiet
Relative Kontraindikationen
- Nicht eingestellte Hypertonie (Bluthochdruck)
- Neuropathie (Sammelbegriff für viele Erkrankungen des peripheren Nervensystems)
Vor der Therapie
Bevor die intermittierende pneumatische Kompression angewendet werden darf, muss eine ausführliche körperliche Untersuchung insbesondere der betreffenden Körperregionen erfolgen. Des Weiteren sollte eine Bestimmung der allgemeinen Kreislaufparameter und eine Überprüfung der Durchblutung vor Therapiebeginn durchgeführt werden.
Das Verfahren
Das Grundprinzip der intermittierenden pneumatischen Kompression ist die Erzeugung von Druck durch ein Luftkissen, über das eine gezielte Komprimierung von Blut- und Lymphgefäßen erfolgen kann. Neben der Platzierung der Luftkissen wird die Kompression direkt über den Luftdruck gesteuert. Die apparative Form der intermittierenden pneumatischen Kompression ermöglicht eine Druckentlastung in den Ruhephasen und ist damit auch für immobile Patienten geeignet.
Bei der apparativen Kompression lassen sich Einkammersysteme und Mehrkammersysteme mit mehreren Druckkammern unterscheiden. Bei den Einkammersystemen wird in einem bestimmten Zeitraum ein definierter Druck aufgebaut und nach ungefähr 30 Sekunden wieder abgelassen. Die Mehrkammersysteme verfügen über mehrere Druckkammern, in denen einzeln von peripher nach zentral (bspw. vom Fuß bis zum Oberschenkel) Druck aufgebaut und wieder abgelassen werden kann.
Die Anwendungsdauer variiert zwischen 30-60 Minuten und erfolgt 1‑ bis 3‑mal täglich.
Nach der Therapie
Im Anschluss an die Anwendung des Verfahrens sollte bei einem begründeten Verdacht auf eine Thrombose oder Thromboembolie eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung) durchgeführt werden.
Mögliche Komplikationen
- Nervus peroneus-Schädigung (Schädigung des N. peroneus communis zum Ausfall der Fuß- und Zehenstrecker und der Pronation/Einwärtsdrehung des Fußes)
- Drucknekrose (Absterben von Gewebe durch Druck)
- Kompartmentsyndrom (massive Gewebeschwellung, die bei fehlender Akutbehandlung eine Amputation zur Folge haben kann)
- Lungenembolie (Verstopfung eines Lungengefäßes durch ein Blutgerinnsel)
- Genitallymphödem
Literatur
- Nicolaides AN, Fernandes J, Pollock AV: Die Rolle der intermittierenden, sequentiellen pneumatischen Beinkompression bei der Verhinderung der venösen Blutstase und postoperativen tiefen Venenthrombose. Surgery. 1980. 1:69-76
- Kahle B: Die intermittierende pneumatische Kompression bei venösen und lymphatischen Stauungen. Hautarzt. 1996. 47:556
- Pauschert R, Diehm C, Stammler F: Leitlinien zur Thromboseprophylaxe in der Orthopädie. Z Orthop. 1998. 136:471-479
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- Frinke H: Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK) im Spiegel der Wissenschaft. FMT Medizintechnik Bamberg 2005
- S1-Leitlinie: Intermittierende pneumatische Kompression (IPK oder AIK). (AWMF-Registernummer: 037-007). Januar 2018 Langfassung