Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
Ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (engl. implantable cardioverter defibrillator, ICD; frühere Bezeichnung AICD von automatic implantable cardioverter-defibrillator) ist ein implantierbares Defibrillator-System, das Herzrhythmusstörungen wie ventrikuläre Tachykardien (VT; Herzrhythmusstörungen, die in den Herzkammern (Ventrikeln) entstehen; Herzfrequenz > 120/min) und deren Extremform, das Kammerflimmern (lebensbedrohlicher Zustand), automatisch erkennt und durch gezielte elektrische Impulse (Defibrillation; Überstimulation) in den Sinusrhythmus (normofrequenten, regelmäßigen Herzschlag) überführen kann.
Eine Defibrillatortherapie ist in vielen Fällen von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen die einzige Methode, die dem Betroffenen das Leben retten kann.
Der ICD wird im Regelfall zur Sekundärprophylaxe (Sekundärprävention) eingesetzt, d. h. nach Auftreten einer Herzrhythmusstörung zur Verhinderung des Fortschreitens der Krankheit.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Zur Senkung des Risikos eines plötzlichen Herztodes (PHT; Sudden cardiac arrest, SCA) wird ein ICD empfohlen für Patienten mit:
- Ventrikulären Rhythmusstörungen (Herzrhythmusstörungen, die von der Herzkammer ausgeht), welche zur hämodynamischen Instabilität (Zustand, in dem der Kreislauf in einem klinisch relevanten Ausmaß beeinträchtigt ist) führen [ACCF 2009]
- Symptomatischer Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- symptomatischer Herzinsuffizienz* (NYHA II-III), einer Ejektionsfraktion (Auswurffraktion des Herzens) ≤ 35 % (trotz optimaler medikamentöser Therapie), ischämische Ätiologie ("Sauerstoff-Minderversorgung des Herzmuskels") durch eine und > 40 Tage nach akutem Myokardinfarkt (Herzinfarkt) [ACCF 2013]; (I A) [ESC Guidelines]
- symptomatischer Herzinsuffizienz* (NYHA II-III), einer Ejektionsfraktion ≤ 35 % (trotz mindestens 3-monatiger optimaler medikamentöser Therapie) und nicht ischämischer Kardiomyopathie (seit mindestens 9 Monaten diagnostiziert) [ACCF 2013]]; (IIa- Empfehlung) [ESC Guidelines]
- NYHA I*: mit nicht ischämischer Kardiomyopathie und einer Ejektionsfraktion ≤ 30 % (trotz optimaler medikamentöser Therapie) [ACCF 2009]
- Herzinsuffizienz nach AHA-Stadium B*: mit asymptomatischer ischämischer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung, die mit einer Sauerstoff-Minderversorgung einhergeht), einer Ejektionsfraktion ≤ 30 % (trotz optimaler medikamentöser Therapie) und > 40 Tage nach akutem Myokardinfarkt (Herzinfarkt) [ACCF 2009]
- Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz soll die Implantation eines Defibrillators (ICD) empfohlen werden, wenn sie eine Lebenserwartung von über einem Jahr haben und eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen [s. u. S3-Leitlinie]:
- überlebter plötzlicher Herztod (PHT)
- anhaltende, hämodynamisch wirksame Kammertachykardien (die nicht durch vermeidbare Ursachen aufgetreten sind).
- Die Implantation eines Defibrillators (ICD) soll Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie empfohlen werden, die folgende Voraussetzungen erfüllen [7]:
- NYHA II-III
- LVEF ≤ 35 % trotz ≥ 3 Monaten optimaler medikamentöser Therapie
- Lebenserwartung > 1 Jahr
- guter funktioneller Status
*Patienten sollen vor einer geplanten ICD-Implantation darüber aufgeklärt werden, dass ein ICD der Verhinderung des plötzlichen Herztodes (PHT) dient und nicht der Verhinderung der Progression (Fortschreiten) der Herzinsuffizienz (Herzschwäche).
Legende
- ACCF: American College of Cardiology Foundation
- AHA: American Heart Association
- NYHA: New York Heart Association
Kontraindikationen (Anwendungsgebiete)
- Akute Infektion: Bei akuten Infektionen sollte die Implantation vermieden werden, um das Risiko einer Infektion des Geräts zu minimieren.
- Lebenserwartung unter einem Jahr: Bei Patienten mit einer Lebenserwartung von weniger als einem Jahr aufgrund anderer medizinischer Zustände ist die Implantation eines ICD in der Regel nicht angezeigt.
- Fehlende Compliance: Patienten, die nicht bereit oder in der Lage sind, den erforderlichen Nachsorgeanweisungen zu folgen.
- Psychische Erkrankungen: Bei Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen, die die Fähigkeit zur Handhabung des Geräts beeinträchtigen könnten.
- Fortschreitende Herzinsuffizienz: Bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz (Herzschwäche), die nicht auf die Behandlung anspricht.
- Geringe Wahrscheinlichkeit von ventrikulären Arrhythmien: Patienten, bei denen das Risiko für lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen, die ihren Ursprung in der Herzkammer haben) als sehr gering eingeschätzt wird.
Vor der Therapie
- Medizinische Bewertung: Detaillierte Bewertung der Herzfunktion und Bestätigung der Indikation für einen ICD.
- Aufklärung: Detaillierte Aufklärung des Patienten über das Verfahren, die Risiken, den Nutzen und die Pflege des ICD.
- Vorbereitung: Vorbereitung auf den Eingriff, einschließlich Laboruntersuchungen und EKG.
- Medikamentöse Einstellung: Anpassung der Medikamente, um das Risiko von Komplikationen während des Eingriffs zu minimieren.
Das Verfahren
Der implantierbare Cardioverter-Defibrillator (ICD) ist ein miniaturisierter automatischer Defibrillator. Die Elektroden des ICD liegen im rechten Atrium (Vorhof) sowie im rechten Ventrikel (Herzkammer; Doppelkammer-System) und haben dadurch direkten Kontakt zum Myokard (Herzmuskel).
Bei beispielsweise Kammerflattern bzw. -flimmern wird automatisch ein elektrischer Impuls ausgelöst. Durch diesen Stromstoß normalisiert sich die Herzmuskelaktivität. Damit wird die Pumpleistung des Herzens wiederhergestellt. Je nach Art der Rhythmusstörung erfolgt eine antitachykarde Stimulation, Kardioversions- oder Defibrillationstherapie.
Die Implantation des ICD erfolgt wie die eines Herzschrittmachers.
Eine Weiterentwicklung des Cardioverter-Defibrillators ist der subkutan ("unter der Haut") implantierbare Defibrillator (S-ICD).
Nach der Therapie
- Überwachung: Unmittelbare Überwachung nach der Implantation zur frühzeitigen Erkennung von Komplikationen.
- Nachsorge: Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen zur Überprüfung der Funktion des ICD und zur Anpassung der Geräteeinstellungen.
- Lebensstilanpassungen: Beratung des Patienten über Anpassungen des Lebensstils und Verhaltensweisen zur Vermeidung von Komplikationen.
- Erkennung von Geräteinterferenzen: Aufklärung über mögliche Interferenzen mit elektronischen Geräten und wie man diese vermeidet.
Mögliche Komplikationen
Frühkomplikationen
- Infektionen: Am Implantationsort oder systemisch.
- Blutungen: An der Implantationsstelle oder intern.
- Herzrhythmusstörungen: Durch die Manipulation am Herzen während der Implantation.
- Gerätefehlfunktionen: Probleme mit der Funktionsweise des ICD.
Spätkomplikationen
- Elektrodendislokation: Bewegung oder Lockerung der Elektroden.
- Geräteinfektionen: Infektionen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln.
- Batterieversagen: Erschöpfung der Batterielebensdauer des ICD.
- Psychische Auswirkungen: Ängste oder Depressionen in Bezug auf das Leben mit einem ICD.
Elektromagnetische Störquellen [8]
Störungen der Implantate kommen in ca. 0,3-0,7 Fälle pro Jahr vor. Nachfolgend Hinweise zu den elektrischen Geräten:
- Mobiltelefone* (nur noch möglich, wenn das Handy direkt auf die Hautstelle über dem Implantat gelegt wird)
- Diebstahlsicherungen (im Eingangsbereich von Kaufhäusern): bei radiofrequenten Systemen (sog. RFID-Scanner) ist ein Sicherheitsabstand erforderlich:
- Herzschrittmacher 60 cm
- Defibrillator 40 cm
- Induktionsherde: Sicherheitsabstand von mind. 25 cm
*Eine Studie hat ergeben, dass das Risiko für elektromagnetische Interferenzen des iPhone 6 und der Apple Watch mit implantierbaren elektronischen Devices gering ist. es gab nur ein Störfall bei einem Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern und einem Zweikammerschrittmacher. Getestet wurden 148 Personen; es wurden 1.352 Tests vorgenommen. Die Autoren raten allerdings, elektronische Mobilgeräte während der Deviceabfrage nicht unmittelbar neben dem Implantat zu verwenden [12].
Vorteile der Defibrillatortherapie
In der Sekundärprävention* ist die Defibrillatortherapie der Pharmakotherapie überlegen (AVID-, CASH- und CIDS-Studien).
In der Primärprävention der Koronaren Herzkrankheit (KHK) weisen prospektive Studien eine Verbesserung der Gesamtmortalität (Gesamtsterberate) durch die Defibrillatortherapie nach.
Bei nicht KHK-bedingter Herzinsuffizienz enttäuscht der implantierbare Cardioverter/Defibrillatoren (ICD) [4, 5].
Jüngere Patienten im Alter unter 55 Jahre profitieren von einer signifikanten relativen Reduktion der Mortalitätsrate (Sterberate) um 52 % (8,2 % versus 17,4 %). Mit zunehmendem Alter schien sich der Überlebensvorteil allerdings abzuschwächen. Bei den 65- bis 74-jährigen Patienten betrug die Risikoreduktion noch 33 % (22,9 % versus 33,5 %) [1].
*Maßnahmen, die nach dem Eintreten einer Erkrankung (hier z. B. Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammertachykardien) unternommen werden (hier Defibrillatortherapie), um erneutes Auftreten (z. B. Bewusstlosigkeit) zu verhindern.
Weitere Hinweise
- In einer Studie mit Herzpatienten mit einem implantierbaren Cardioverter-Defibrillator, die gleichzeitig mit Digitalis behandelt worden, hatten diese eine deutlich höhere Mortalität (Sterblichkeit) als ICD-Patienten ohne Digitalis [2].
- Leistungssport ist für Patienten mit implantablem Cardioverter-Defibrillator (ICD) im Regelfall gefahrlos möglich. Nur Patienten mit einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC), einer seltenen Erbkrankheit, erlitten während des Sports mehr ventrikuläre Arrythmien (versus die restlichen Teilnehmer der Studie), die durch einen oder mehrere Schocks des ICD ausgeglichen werden mussten. Bei 120 von 440 Teilnehmern wurde der ICD in der Beobachtungszeit von vier Jahren aktiv: 7 % der Patienten erhielten einen Schock während des Sports, 5 % während anderer physikalischer Aktivitäten und 6 % in der Ruhephase [6].
- Kardioverter-Defibrillator-Weste (WCD) nach Myokardinfarkt versus optimale medikamentöse Therapie: primäre Endpunkt (Kombination aus plötzlichem Herztod und Tod durch ventrikuläre Tachyarrhythmien nach 90 Tagen): trat auf bei 1,6 % der zum WCD randomisierten Patienten und bei 2,4 % der ausschließlich mit optimaler medikamentöser Therapie behandelten Patienten (Unterschied war nicht signifikant; p = 0,18) [7].
- Bei Patienten mit ischämischer oder nicht-ischämischer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung) führte die prophylaktische Implantation eines ICD zu einer Verringerung der Mortalität/Sterberate (43 % Reduktion der Mortalität in der ICD-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe). Zur Auswahl der Patienten wurde ein neuartiger Marker für die Sympathikusaktivitäts-assoziierte Repolarisationsinstabilität verwendet, um die elektrisch gefährdeten Patienten zu identifizieren, die von einer prophylaktischen Implantation eines ICD durch eine Verringerung der Mortalität profitieren würden [9].
- EU-CERT-ICD-Studie (2247 Patienten; Follow-up-Zeitraum im Mittel 2,4 Jahre): Patienten profitieren von einer primär prophylaktischen ICD-Implantation bei leitliniengerechter Indikation: diese führte zu einer signifikant um 27 Prozent erniedrigten Mortalität (Sterberate) (Hazard Ratio, HR: 0,731); Zahl plötzlicher Herztode (PHT) war in der ICD-Gruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (19 versus 32 Ereignisse, nicht adjustierte HR: 0,158). Des Weiteren stellte sich heraus, dass die ICD-Implantation bei Männern (adjustiert der HR: 0,691), nicht aber bei Frauen (adjustierte HR: 1,063) mit einer signifikant niedrigeren Mortalität einherging [10].
- CD-HeFT-Studie: Eine primärprophylaktische ICD-Therapie war bei Patienten mit Herzinsuffizienz in einer Langzeitstudie auch nach einer Nachbeobachtungsdauer von im Median elf Jahren noch mit einem Überlebensvorteil assoziiert: Gesamtmortalität (Gesamtsterberate) 52,5 Prozent (ICD-Arm), 52,7 Prozent (Amiodaron-Arm) und 57,2 Prozent (Placebo-Arm); der Nutzen war in den ersten 6 Jahren am größten mit einer deutlichen relativen Abnahme der Gesamtmortalität um 25 %. Von Bedeutung für den Langzeitnutzen der ICD-Therapie war die Ätiologie (Ursache) der Herzinsuffizienz: bei einer ischämischen Herzerkrankung (Erkrankung, bei der es zu einer Sauerstoffminderversorgung des Herzmuskels aufgrund einer Verengung der Koronararterien (Herzkranzgefäße) kommt) zeigte sich eine um 19 % niedrigere Gesamtmortalität, in der Gruppe mit nicht ischämischer Genese konnte im Langzeitverlauf kein Mortalitätsvorteil festgestellt werden [11].
- Nächtliche Atemfrequenz ermöglicht Aussage über den Therapieeffekt eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) bei Herzkranken: Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen niedriger nächtlicher Atemfrequenz und einer reduzierten Mortalität (Sterberate): ICD-Träger mit einer Frequenz von weniger als 18 Atemzügen pro Minute hatten durch das Gerät einen Überlebensvorteil von 50 % im Vergleich zur Kontrollgruppe. Bei einer höheren nächtlichen Atemfrequenz hatten sie hingegen keinen Überlebensvorteil durch den ICD [13].
Literatur
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