Fokussierte Stoßwellentherapie (FSWT)

Die fokussierte Stoßwellentherapie (FSWT), ein Verfahren der extrakorporalen Stoßwellentherapie (Synonym: ESWT), ist ein medizintechnisches Verfahren zur Zertrümmerung und Entfernung von Kalkkonkrementen sowie zur Schmerztherapie. Das physikalische Verfahren, das seinen Ursprung in der Behandlung von Nieren- und Gallensteinleiden hat, dient heute außerdem der Behandlung von orthopädischen Erkrankungen wie z. B. Weichteil-, Gelenk- und Knochenbeschwerden im Rahmen chronischer Entzündungen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Achillodynie (Schmerzsyndrom der Achillessehne)/Ansatztendinopathie der Achillessehne 
  • Dorsaler Fersensporn/Kalkaneussporn – knöcherne, dornartige Ausziehung an der Ferse infolge einer Überbeanspruchung der Sehnen
  • Epicondylitis humeri lateralis (Synonyme: Epicondylaris humeri ulnaris; Tennisellenbogen)/Epicondylitis humeri medialis (Synonyme: Epicondylaris humeri ulnaris; Golferellenbogen)
  • Fasciitis plantaris (Fasciitis plantaris; Plantarfasciitis; Plantarfasziitis) – plantarer Fersensporn/ unterer Fersensporn; geht gelegentlich mit einer Entzündung der Plantarsehne an der Fußsohle einher (Plantarsehnenentzündung bzw. Plantarfasziitis) [6]
  • Haglundexostose – Formvariante des Fersenbeins mit Verkalkung des Achillessehnenansatzes
  • Pseudarthrose – verzögerte Knochenheilung nach einer Knochenfraktur mit Bildung eines Falschgelenkes (Konsolidierungsraten bis zu 70 %)
  • Rückenschmerzen – insbesondere unspezifische", chronische lumbale Rückenschmerzen, die wahrscheinlich myofaszialer Genese sind 
  • Supraspinatussehnensyndrom – meist entzündliche, degenerative Veränderungen im Bereich der Schulter, die zu Schmerzen führen
  • Tendinosis calcarea der Rotatorenmanschette (Kalkschulter) – Verkalkungen an den Sehnen der Muskulatur, die sich am Schultergelenk befindet
  • Tendinopathia patellae – Schmerzhafte Entzündung des Sehnenapparates im Bereich der Kniescheibe
  • Tendinitis trochanterica – Sehnenreizung, oft mit begleitender Schleimbeutelentzündung im Bereich des Hüftgelenkes

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Oberflächliche entzündliche Hautveränderungen – Bei bakteriellen oder mykotischen (Pilzbefall) oberflächlichen Entzündungen sollte die Anwendung der Stoßwellentherapie zunächst ausgesetzt werden, bis eine Heilung der Entzündung eingetreten ist.
  • Tiefe entzündliche Hautveränderungen – Bei tiefen entzündlichen Prozessen wie bei einer bakteriellen Phlegmone sollte in dem umliegenden Areal keine Stoßwellentherapie erfolgen. Eine sofortige (antibiotische und gegebenenfalls chirurgische) Therapie ist anzustreben.
  • Maligne Tumoren – Beim Vorliegen von malignen (bösartigen) Tumoren des umliegenden Gewebes darf keine Stoßwellentherapie erfolgen.

Vor der Therapie

Beim Einsatz von niederenergetischen Stoßwellen ist keine Lokalanästhesie (örtliche Betäubung) notwendig. Allerdings sollte bei der Behandlung mit mittelenergetischen oder hochenergetischen Stoßwellen eine Lokal- oder Regionalanästhesie, die mit einem kurzen stationären Aufenthalt verbunden sein kann, durchgeführt werden.

Das Verfahren

Stoßwellen sind energiereiche Wellen, die auf unterschiedliche technische Art und Weise z. B. durch im Wasser erzeugte kurze Druckpulse entstehen. Dies kann mit Hilfe unterschiedlicher physikalischer Prinzipien erfolgen:

  • elektrohydraulisch
  • piezoelektrisch (Schwingungen von Quarzkristallen)
  • elektromagnetisch

Die Schallimpulse können auf einen bestimmten Bereich lokalisiert werden und dort wirken, das heißt sie entfalten ihre Wirkung nur am einprogrammierten Wirkort bzw. im erkrankten Körperbereich. Bei der extrakorporalen Stoßwellentherapie werden die Stoßwellen außerhalb des Körpers des Patienten (extrakorporal) erzeugt.

Bei der fokussierenden Stoßwellentherapie werden zunächst Stoßwellen als divergierende (voneinander abweichende) Wellen erzeugt und anschließend über einen Reflektor vor dem Applikator zur Behandlung des Gewebes fokussiert werden (fokussierte ESWT). Beim Auftreffen der fokussierten Stoßwelle an Gewebe-Grenzflächen beispielsweise zwischen Bindegewebe und Knochen wird die akustische Energie der Stoßwellen in mechanische, chemische und thermische Energie umgewandelt.

Man unterscheidet Stoßwellen nach ihrem Energiegehalt, der je nach Anwendung variiert werden kann. Die folgende Aufzählung stellt den Energiegehalt in Beziehung zu verschiedenen orthopädischen Indikationen:

  • Niederenergetische Stoßwellen – Diese Stoßwellen werden zur Schmerzbehandlung eingesetzt. Das therapeutische Prinzip beruht auf einer Gegenirritation: Das Ziel besteht in der Überführung einer chronischen in eine akute Entzündung. Die Stoßwellen verursachen eine kontrollierte Verletzung des Gewebes (Weichteile, Muskulatur, Sehnen), die zu einer verstärkten Vaskularisierung (Gefäß- bzw. Blutversorgung) führt und den Heilungsprozess begünstigt. Ein weiterer Effekt ist die Hyperstimulationsanalgesie: Dabei handelt es sich um eine Schmerzunterdrückung durch Überlastung der Schmerzreizleitung.
  • Mittelenergetische Stoßwellen – Die mittelenergetischen Stoßwellen begünstigen die Entstehung von Rissen in Kalkkonkrementen, sodass körpereigene Abbaumechanismen wieder funktionieren und die Konkremente abgebaut werden können. Dies geschieht z. B. bei der Behandlung der Tendinosis calcarea (Verkalkungen im Bereich des Schultergelenks).
  • Hochenergetische Stoßwellen – Diese werden eingesetzt, um z. B. bei einer Pseudarthrose (verzögerte Knochenheilung nach einer Knochenfraktur mit Bildung eines Falschgelenkes) die Osteogenese (Knochenneubildung) zu stimulieren. Dies geschieht ebenfalls durch kontrollierte Verletzung des Gewebes.

Bei den fokussierten ESWT-Geräten kann von einer Eindringtiefe bis zu 12 cm ausgegangen werden.

Nach der Therapie

Die Anwendungsdauer und der Erfolg sind bei den verschiedenen Indikationen unterschiedlich. Mehrmalige Anwendungen und zusätzliche Verfahren sollten gegebenenfalls genutzt werden. Bei fehlendem Ansprechen der Therapie muss eine Anwendung invasiverer Maßnahmen und einer medikamentösen Begleittherapie diskutiert werden. 

Mögliche Komplikationen 

  • Nebenwirkungen der Lokal- und Regionalanästhesie – Da bei der Behandlung mit mittel- und hochenergetischen Stoßwellen eine Lokal- oder Regionalanästhesie sinnvoll ist, können Nebenwirkungen wie eine Störung der Herz-Kreislauf-Funktion und weitere Symptome wie Schwindel, periorale Parästhesien (Missempfindungen im Gesichtsbereich), Seh- und Sprachstörungen (verwaschene Sprache) sowie ein Muskelzittern bis zum generalisierten Krampfanfall und Koma mit Atemstillstand auftreten.
  • Nebenwirkungen der Stoßwellentherapie – Geringfügige Hauthämorrhagien (Hautblutungen) sowie Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen) während Stoßwellen-Applikation sind möglich, jedoch selten als schwerwiegend einzustufen.

Ihr Nutzen

Die fokussierte Stoßwellentherapie ist eine erfolgreiche und bewährte Methode sowohl zur Zerstörung und Entfernung von Verkalkungen als auch zur Schmerztherapie. Die Patienten profitieren von dem schonenden Verfahren durch die Vermeidung von Operationen, durch den Schmerzabbau sowie durch eine deutliche Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit.

Literatur

  1. Gollwitzer H: Extrakorporale Stoßwellentherapie. Trauma Berufskrankh. 2008. 10(2):215-218
  2. Gerdesmeyer L, Diehl P, Gollwitzer H, Wagner K: Radiale extrakorporale Stoßwellentherapie in der Orthopädie. Journal für Mineralstoffwechsel. 2004. 11(4):36-39
  3. Heisel J: Physikalische Medizin: Praxiswissen Halte- und Bewegungsorgane. Georg Thieme Verlag 2005
  4. Bachmann CE, Gruber GM, Arnold A, Konermann W, Ueberle F: Extrakorporale Stoßwellentherapie und Sonographie der Stütz- und Bewegungsorgane. Springer Verlag 1998
  5. Fetzner U et al.: Das Zweite – kompakt: Chirurgie, Orthopädie, Urologie – GK2. Springer Verlag 2008 
  6. Gollwitzer H et al.: Clinically Relevant Effectiveness of Focused Extracorporeal Shock Wave Therapy in the Treatment of Chronic Plantar Fasciitis. J Bone Joint Surg Am, 2015 May 06; 97 (9): 701 -708 . http://dx.doi.org/10.2106/JBJS.M.01331