Teletherapie (Einleitung)

Die Teletherapie ist eine perkutane Strahlentherapie (durch die Haut hindurch), bei der die Strahlenquelle definitionsgemäß außerhalb des Körpers liegt und der Fokus-Haut-Abstand mindestens 10 cm betragen muss. Die Bestrahlung erfolgt somit aus der Ferne, der Tumor und die Strahlenquelle stehen in keinem direkten Kontakt. Zur Teletherapie gehören:

Die perkutane Strahlentherapie ist die häufigste Form der Strahlenbehandlung.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Eine Indikation zur Teletherapie sind alle strahlensensiblen Tumoren, die nicht an der Körperoberfläche bzw. in Hohlorganen liegen und somit ungeeignet für eine Kurzdistanzbestrahlung (Brachytherapie) sind. Welche Strahlenart bzw. Bestrahlungstechnik verwendet wird, richtet sich individuell nach Tumor und Patient.

Vor der Untersuchung

Jede Strahlentherapie muss individuell und sorgfältig geplant werden. Hierfür muss zunächst die Patienten- und Tumorgeometrie anhand von CT- und/oder MRT-Daten (Daten der Computertomographie (CT) bzw. der Magnetresonanztomographie, MRT) ermittelt werden. Anschließend folgt die dreidimensionale Anpassung der Bestrahlungsdosis-Verteilung an das eigentliche Zielvolumen.

Aufgabe der Bestrahlungsplanung ist es, geeignete Strahlenarten und Bestrahlungstechniken zu ermitteln, um eine maximale Konzentration der Bestrahlungsdosis am Tumor zu erreichen und gleichzeitig das umliegende Normalgewebe weitgehend zu schonen.

Am Rechner wird ein auf bildgebenden Verfahren (meist CT) basierender 3D-Datensatz erstellt, die Bestrahlungsgeometrie festgelegt und die Dosisverteilung optimiert. Der Dosisabfall außerhalb des Zielvolumens sollte zur Schonung der in der Nähe liegenden Organe möglichst steil sein. Zur Vermeidung iatrogener (arztbedingter) Strahlenschäden sollten die Dosen an den jeweiligen Risikoorganen unterhalb der spezifischen Toleranzdosis (Strahlendosis, die innerhalb von 5 Jahren bei bis zu 5 % (TD 5/5) oder 25-50 % (TD 50/5) der Organe (TD steht für tödliche Dosis) einen Strahlenschaden hervorruft) liegen.

Ein wichtiger Bestandteil der Bestrahlungsplanung ist der Therapiesimulator. Es handelt sich hierbei um eine speziell für die Strahlentherapieplanung entwickelte Röntgenanlage mit diagnostischer Röntgenröhre für Durchleuchtung und Röntgenaufnahmen sowie Bildverstärker und Patientencouch. Mithilfe des Therapiesimulators können geometrische Einstellungs- und Bewegungsmöglichkeiten der Bestrahlungsgeräte nachgeahmt werden, sodass die Lokalisation, Festlegung und Dokumentation der Bestrahlungsfelder gelingt.

Das Verfahren

Es existieren verschiedene Bestrahlungstechniken, die die Dosisverteilung im Gewebe bestimmen und stets abhängig vom Patienten bzw. Tumor individuell ausgewählt und geplant werden müssen.

  • Einzelstehfeld-Bestrahlungen: Bei dieser Technik werden einzelne Bestrahlungsfelder nebeneinandergesetzt und während der Bestrahlung in ihrer Position nicht mehr verändert. Eine geeignete Anwendung ist die Oberflächen- und Halbtiefentherapie bis maximal 3 cm Tiefe. Das Dosismaximum liegt abhängig von der Strahlenart entweder in der Haut (Weichstrahlen der Röntgentherapie), in 5 mm Tiefe (Telegammatherapie) oder in mehr als 1 cm Tiefe (Elektronenstrahlen eines Linearbeschleunigers). Das Aneinandersetzten der einzelnen Bestrahlungsfelder muss vorher sorgfältig geplant werden, um Über- und Unterdosierungen in den Überschneidungszonen der Strahlenbündel zu verhindern.
  • Mehrfelder-Bestrahlungen:
    • Gegenfeldbestrahlung: Die Bestrahlungsfelder werden exakt opponierend (gegenüber) angesetzt, sodass die beiden Zentralstrahlen ineinander verlaufen.
    • Kreuzfeuerbestrahlung: Verwendet werden zwei oder mehrere Einzelstehfelder, die gegeneinander abgewinkelt auf das Isozentrum gerichtet sind. Auf diese Weise wird im Zielvolumen eine hohe Dosis erreicht, während das umgebende gesunde Gewebe weitgehend geschont wird.
  • Bewegungsbestrahlungen: Die Strahlenquelle bewegt sich während der Bestrahlung in einem Kreisbogen um den Patienten herum. Obwohl nur eine Strahlenquelle verwendet wird, kann durch die Bewegung von unterschiedlichen Winkeln aus bestrahlt werden, sodass die Bewegungsbestrahlung eine Form der Mehrfelder-Kreuzfeuer-Technik ist.
  • Konformierende Strahlentherapie: Diese Art der Strahlentherapie bezeichnet die gewebeschonende Anpassung des Bestrahlungsfeldes, um ein komplex gestaltetes Zielvolumen sehr exakt zu bestrahlen und die in der Nachbarschaft liegenden Strukturen maximal zu schonen. Die Planung und Durchführung der Bestrahlung sind sehr aufwendig, müssen stets individuell adaptiert werden und beinhalten meist eine Kombination aus verschiedenen Bestrahlungstechniken (Mehrfeldtechniken, mehrsegmentale Bewegungsbestrahlung etc.). Die Indikation besteht vor allem bei kleinen Zielvolumina in der Nähe strahlensensibler Normalstrukturen wie z. B. im Gehirn, Hirnstamm, Rückenmark oder auch bei peripheren Lungentumoren und Lebermetastasen. Zu hochkomplexen und sich zurzeit entwickelnden Arten der konformierenden Strahlentherapie gehören die stereotaktische Radiotherapie, die Radiochirurgie (radiosurgery), die dynamische Strahlentherapie oder die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT).
    • Stereotaktische ablative Strahlentherapie (SBRT; „stereotactic body radiotherapy“) oder Körperstereotaxie: das Verfahren hat einen steileren Dosisgradienten zwischen Tumor und umgebendem Normalgewebe; findet zunehmend Anwendung bei Patienten mit Oligometastasen (1-5 Metastasen) [randomisierte Phase-III-Studie fehlt bislang]
  • Intraoperative Bestrahlung (IORT): Die IORT wird nach der operativen Entfernung eines Tumors unmittelbar im Operationssaal bei noch eröffnetem Situs durchgeführt. Es wird meistens die Elektronenstrahlung eines Linearbeschleunigers verwendet, alternativ steht auch die Flab-Technik mit 192-Iridium-Strahlern zur Verfügung. Der wesentliche Vorteil dieser Bestrahlung ist die Möglichkeit, die Strahlenquelle durch die operativen Umstände in direkten Kontakt mit dem Tumorrest zu bringen und das umliegende Gewebe zu schonen.
  • Großfeld-Bestrahlungen: Es handelt sich dabei um eine ausgedehnte Bestrahlung großer Zielvolumina. Indiziert ist eine Großfeld-Bestrahlung, z. B. wenn der Primärtumor samt seinem Lymphabflussgebiet bestrahlt werden soll, außerdem bei lymphoretikulären Systemerkrankungen (Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome), zur Vernichtung von Knochenmarkstammzellen vor einer Knochenmarktransplantation oder zur Schmerzbehandlung einer stark ausgedehnten Metastasierung.

Beachte: 

  • Durch Fraktionierung kann die maximal tolerierte Gesamtdosis des Normalgewebes auf ein Vielfaches gesteigert werden.
  • Die Heilungschance ist umso größer, je kürzer die Gesamtbehandlungszeit ist.

Mögliche Komplikationen

Nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesunde Körperzellen werden von einer Radiotherapie geschädigt. Daher ist stets sorgsam auf radiogene (strahlenbedingte) Nebenwirkungen zu achten und diese zu verhüten, ggf. rechtzeitig zu erkennen und therapieren. Hierfür sind eine gute Kenntnis der Strahlenbiologie, Bestrahlungstechnik, Dosis und Dosisverteilung sowie eine permanente klinische Beobachtung des Patienten notwendig. Die möglichen Komplikationen einer Strahlentherapie sind wesentlich abhängig von der Lokalisation und Größe des Zielvolumens. Besonders bei einer hohen Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen müssen prophylaktische Maßnahmen getroffen werden. Häufige Komplikationen einer Strahlentherapie:

  • Darmerkrankungen: Enteritiden (Darmentzündungen mit Übelkeit, Erbrechen etc.), Strikturen, Stenosen, Perforationen, Fisteln
  • Einschränkungen des hämatopoetischen Systems (blutbildendes System), insbesondere Leukopenien (gegenüber der Norm verminderte Anzahl von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut) und Thrombozytopenien (gegenüber der Norm verminderte Anzahl von Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut)
  • Kardiale Toxizitäten (Kardiotoxizität/Herzschädigung) nach mediastinaler Bestrahlung (→  koronare Herzerkrankung (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung), Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Herzklappenerkrankungen, Störungen des Reizleitungssystems sowie Perikarderkrankungen/Herzbeutel Erkrankungen)
  • Lymphödeme
  • Mukositiden (Schleimhautschädigungen) des Atmungs- und Verdauungstraktes
  • Neuronale Toxizitäten (Neurotoxizität) nach Bestrahlung im ZNS-Bereich/Zentralnervensystem (→ neurokognitive Funktionseinschränkungen, selten Hirnnekrosen/Absterben von Hirngewebe)
  • Perikarditis (Herzbeutelentzündung) (6 Monate bis 2 Jahre nach der Therapie)
  • Pulmonale Toxizitäten (Lungentoxizität) nach thorakaler Bestrahlung/Brustkorbbestrahlung (→ chronische Lungenfibrose/Veränderung des Lungengewebes, bei dem verstärkten Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen (Alveolen) und den sie umgebenden Blutgefäßen gebildet wird)
  • Radiogene Dermatitis (Strahlendermatitis; strahlenbedingte Hautentzündungen) 
  • Radiogene Pneumonitis (Sammelbegriff für jede Form der Lungenentzündung (Pneumonie), welche nicht die Alveolen (Lungenbläschen), sondern das Interstitium bzw. den Zellzwischenraum betrifft) bzw. Fibrose
  • Radiogene Nephritis (Strahlennephropathie; strahlenbedingte Nierenentzündung) bzw. Fibrose
  • Sekundärtumoren (Zweittumoren)
  • Strahlensynddrome im zentralen Nervensystem (wenige Monate bis mehrere Jahre nach der Therapie)
  • Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleiner Blutgefäße)
  • Zahn- und Zahnfleischschäden
  • Zweit-/Mehrfachtumoren (ZT) – überwiegend solide Tumoren, die mit einer Latenz von mindestens 5-10 Jahren auftreten
  • Zystitiden (Harnblasenentzündungen), Dysurien (erschwerte Blasenentleerung), Pollakisurien (häufiges Wasserlassen)

Literatur

  1. Sauer R: Strahlentherapie und Onkologie. Elsevier Verlag 2010
  2. Lohr F, Wenz F: Strahlentherapie kompakt. Elsevier Verlag 2007
  3. Richter E, Feyerabend T: Grundlagen der Strahlentherapie. Springer Verlag 2002
  4. Wennenmacher M, Debus J, Wenz F: Strahlentherapie. Springer Verlag 2006