Teletherapie (Einleitung)
Die Teletherapie ist eine Form der perkutanen Strahlentherapie (durch die Haut hindurch), bei der sich die Strahlenquelle definitionsgemäß außerhalb des Körpers befindet und der Fokus-Haut-Abstand mindestens 10 cm beträgt. Die Bestrahlung erfolgt aus der Distanz, wobei Tumor und Strahlenquelle keinen direkten Kontakt haben.
Die Teletherapie stellt die häufigste Bestrahlungsform in der Radioonkologie dar und wird primär mit hochenergetischer Photonen- oder Elektronenstrahlung durchgeführt. Moderne Varianten der Teletherapie ermöglichen eine hochpräzise, individualisierte Dosisverteilung unter maximaler Schonung von Risikoorganen.
Zur Teletherapie gehören unter anderem:
- Röntgentherapie (Weich- und Hartstrahltherapie)
- Hochvolttherapie mit Cobalt-60 (Telegammatherapie, historisch)
- Hochvolttherapie mit Linearbeschleunigern
- Elektronentherapie
- Präzisionsverfahren wie IMRT (intensitätsmodulierte Radiotherapie), IGRT (image guided radiotherapy), VMAT (Volumetric Modulated Arc Therapy), SBRT (stereotactic body radiation therapy)
- Partikeltherapie mit Protonen oder Schwerionen
Zielsetzung und Wirkung
Die therapeutische Zielsetzung der Teletherapie liegt in der lokalen Tumorkontrolle mit kurativer (heilender) oder palliativer (lindernder) Intention. Der physikalische Wirkmechanismus basiert auf der Absorption ionisierender Strahlung im Zielvolumen, was zur Schädigung von Tumorzellen durch DNA-Doppelstrangbrüche führt. Durch fraktionierte Bestrahlung lässt sich die Tumorzellabsterberate erhöhen, während sich das gesunde Gewebe partiell erholen kann.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die Teletherapie ist indiziert bei allen strahlensensiblen Tumoren, die nicht direkt an der Körperoberfläche oder in Hohlorganen liegen und somit für die Brachytherapie ungeeignet sind. Dazu zählen unter anderem:
- Cervix-(Gebärmutterhals-), Prostata-, Rektum-(Mastdarm-), Mamma- (Brust-) und Ösophaguskarzinome (Speiseröhrenkrebs)
- Primäre Hirntumoren und Hirnmetastasen (Tochtergeschwülste im Gehirn)
- Bronchialkarzinome (Lungenkarzinome)
- Lymphome
- Knochen- und Weichteiltumoren
- Oligometastasierte Tumoren (Stadium zwischen einer lokal begrenzten Tumorerkrankung und einer disseminierten Metastasierung (Bildung von Tochtergeschwülsten) (z. B. Leber, Lunge, Nebennieren)
Die Auswahl der Strahlenart (Photonen, Elektronen, Protonen, Ionen) und der Technik (IMRT, VMAT, SRS/SBRT etc.) erfolgt patientenindividuell.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Absolute Kontraindikationen
- Unkontrollierbare Bewegung des Zielvolumens (z. B. respiratorisch, kardial) bei fehlender Lagerungskompensation
- Vorbestehende Strahlenschäden in der Zielregion mit Überschreitung der Toleranzdosis
Relative Kontraindikationen
- Schwangerschaft (abhängig von Lokalisation, Indikation und Dosis)
- Allgemeinzustand (ECOG > 3)
- Kollagenosen mit erhöhter Strahlensensitivität (z. B. Lupus erythematodes)
Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)
Die Bestrahlung erfordert eine präzise 3D-Planung auf Basis bildgebender Verfahren (Computertomographie, Magnetresonanztomographie, ggf. Positronen-Emissions-Tomographie). Zur Durchführung gehören:
- Simulation: Festlegung der Patientenlagerung und Bestrahlungsfelder am Therapiesimulator
- Planung: Festlegung von Energie, Technik (Einzelfeld-, Mehrfeld- oder Rotationsbestrahlung), Fraktionierung
- Durchführung: tägliche Anwendung mit Immobilisation und ggf. bildgeführter Kontrolle (IGRT)
Verfahrenstechniken:
- Einzelfeldtechnik: bei oberflächlichen Tumoren (z. B. Haut)
- Mehrfeldtechnik/Gegenfeldtechnik: klassische Anordnung bei tiefer gelegenen Tumoren
- Kreuzfeuertechnik/Rotationsbestrahlung: Reduktion der Dosis am gesunden Gewebe
- IMRT/VMAT: modulierte Techniken zur hochpräzisen Dosisanpassung
- SBRT/SRS: ablative ("abtragende") Hochdosisbestrahlung kleiner Volumina
- Elektronentherapie: oberflächliche Tumoren (z. B. Lymphome, Hauttumoren)
- Großfeldbestrahlung: z. B. bei Hodgkin-Lymphomen, Ganzkörperbestrahlung vor Stammzelltransplantation
Aktueller Stellenwert im Therapiekonzept
Die Teletherapie ist integraler Bestandteil multimodaler Therapiekonzepte in der Onkologie. Sie kann:
- kurativ, das heißt heilend (z. B. Prostatakarzinom, Kopf-Hals-Tumoren),
- adjuvant, das heißt ergänzende oder unterstützende Therapiemaßnahme (z. B. Mammakarzinom/Brustkrebs),
- neoadjuvant, das bezeichnet (Chemotherapie oder Strahlentherapie, ggf. auch in Kombination), die zur Reduktion der Tumormasse vor einem geplanten operativen Eingriff durchgeführt wird. (z. B. Rektumkarzinom) oder
- palliativ, das heißt lindernd (z. B. Knochenmetastasen)
angewendet werden. Sie ersetzt zunehmend invasive Verfahren und ermöglicht die Therapie auch bei multimorbiden Patienten.
Evidenzlage und Studien
Die Wirksamkeit der Teletherapie ist durch zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien und Metaanalysen belegt. Beispiele:
- IMRT reduziert signifikant die gastrointestinalen (Magen-Darm) Nebenwirkungen im Vergleich zur konventionellen 3D-Konformationstherapie bei Prostatakarzinomen.
- SBRT erzielt in Phase-II-Studien hohe lokale Kontrollraten bei Oligometastasen, mit zunehmender Rolle in kurativen Konzepten.
- Die bildgeführte Strahlentherapie (IGRT) verbessert die Zielgenauigkeit und senkt die Rate an Gewebeschäden bei beweglichen Zielvolumina.
Literatur
- Sauer R: Strahlentherapie und Onkologie. Elsevier Verlag 2010
- Wannenmacher M, Wenz F, Debus J. Strahlentherapie. 2. Aufl. Springer; 2013. ISBN: 978-3-540-88304-3. https://doi.org/10.1007/978-3-540-88305-0