Stereotaktische Strahlentherapie: Eine Übersicht
Die stereotaktische Strahlentherapie (stereotaktische Radiotherapie, SRT) ist ein hochpräzises Verfahren in der modernen Radioonkologie. Sie ermöglicht die millimetergenaue Behandlung fokal begrenzter Tumoren durch gezielte Applikation hochdosierter Strahlung bei maximaler Schonung des umliegenden gesunden Gewebes. Die SRT wird sowohl kurativ als auch palliativ eingesetzt und stellt insbesondere für Patienten mit inoperablen oder schwer zugänglichen Tumoren eine wichtige Therapieoption dar.
Zielsetzung und Wirkung
Therapeutische Zielsetzung
Die SRT verfolgt das Ziel der lokal begrenzten Tumorkontrolle bei gleichzeitigem Erhalt der umliegenden Organfunktion. In kurativer Intention soll sie eine vollständige Tumorregression erreichen, in palliativen Situationen eine signifikante Symptomlinderung (z. B. Schmerzreduktion bei ossären Metastasen/Knochenmetastasen).
Wirkmechanismus
Mehrere auf das Zielvolumen gerichtete, konvergente Strahlenbündel erzeugen eine hochdosierte Fokalisierung im Tumorzentrum. Dies ermöglicht eine maximale biologische Effektivität bei gleichzeitig steilem Dosisabfall zum umliegenden Gewebe. Entscheidend sind dabei präzise Lagerungstechniken, Atemgating und bildgestützte Positionierung.
Hinweis: Atemgating beschreibt eine atem-getriggerte Bestrahlung, die die Belastung des Herzens und der Koronargefäße (Herzkranzgefäße) drastisch reduziert kann.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die SRT findet breite Anwendung in verschiedenen onkologischen Indikationen, unter anderem bei:
- Intrakraniellen Tumoren und Raumforderungen
- z. B. Meningeome, Akustikusneurinome, Hypophysenadenome, ZNS-Metastasen
- Frühstadien nicht-kleinzelliger Bronchialkarzinome (NSCLC)
- insbesondere bei Inoperabilität oder Ablehnung einer Operation
- Lebermetastasen und primäre Lebertumoren
- bei oligometastatischer Erkrankung (Stadium zwischen einer lokal begrenzten Tumorerkrankung und einer disseminierten Metastasierung/Ausbreitung von Tumorzellen im Körper) oder eingeschränkter Resektabilität ("chirurgische Entfernbarkeit")
- Prostatakarzinomen
- als Alternative zur Brachytherapie bei niedrigem bis mittlerem Risiko
- Pankreaskarzinomen
- bei lokal fortgeschrittenem, nicht metastasiertem Tumor
- Wirbelkörpermetastasen
- zur lokalen Kontrolle und palliativen Schmerzreduktion
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Absolute Kontraindikationen
- Diffus infiltrierende Tumoren ohne klar definierbares Zielvolumen
- Unkontrollierte Beweglichkeit des Zielorgans trotz Bildsteuerung
- Relative Kontraindikationen
- Nähe zu Risikoorganen mit Überschreitung von Toleranzdosen
- Vorbestrahlung mit bereits erreichten Grenzdosen in angrenzenden Arealen
Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)
- Planung und Bildgebung
- Hochauflösende Planungs-CTs mit 1-mm-Schnittführung
- Fusion mit Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronenemissionstomographie (PET) zur biologischen Abgrenzung
- Lagerung und Immobilisation
- Anwendung stereotaktischer Rahmen (intrakraniell) oder thermoplastischer Masken bzw. Vakuumkissen (extrakraniell)
- Bestrahlungssysteme
- Linearbeschleuniger mit modulierten Multileaf-Kollimatoren
- Gamma Knife®, CyberKnife® für spezielle Indikationen
- Verfahrensvarianten
- Stereotaktische fraktionierte Bestrahlung (SBRT) – hypofraktioniert über 3-5 Fraktionen
- Stereotaktische Radiochirurgie (SRS) – Einzeitbestrahlung mit hoher Einzeldosis
Aktueller Stellenwert im Therapiekonzept
Die SRT ist heute fester Bestandteil multimodaler Therapiekonzepte in der Onkologie. Bei bestimmten Tumorlokalisationen ist sie kurativen chirurgischen Maßnahmen ebenbürtig. Studien belegen insbesondere in der stereotaktischen fraktionierten Bestrahlung (SBRT) eine überlegene Effektivität gegenüber der konventionellen externen Strahlentherapie (external beam radiotherapy, EBRT): In einer randomisierten Phase-3-Studie konnte bei 69 % der Patienten mit schmerzhaften Wirbelmetastasen durch SBRT eine Schmerzreduktion um ≥ 2 Punkte auf einer 10-Punkte-Analogskala erzielt werden – verglichen mit lediglich 42 % unter EBRT [3].
Die Integration adaptiver Bildgebung und künstlicher Intelligenz zur Zielvolumenanpassung wird den klinischen Einsatz stereotaktischer Verfahren weiter optimieren.
Ausblick auf weiterführende Themen
Die SRT umfasst zwei zentrale Unterformen, die jeweils differenzierte Indikationsspektren, Dosisregime und technische Anforderungen aufweisen:
- Stereotaktische fraktionierte Bestrahlung (SBRT)
Die hypofraktionierte stereotaktische Radiotherapie mit biologisch hoher Äquivalenzdosis wird zunehmend zur Behandlung von Primärtumoren und Metastasen eingesetzt. Details zum Ablauf, Dosierungskonzept und klinischen Daten werden im Artikel „Stereotaktische fraktionierte Bestrahlung (SBRT)“ behandelt. - Stereotaktische Radiochirurgie (SRS)
Die Einzeitbestrahlung mit maximaler Präzision findet insbesondere bei intrakraniellen Raumforderungen Anwendung. Indikationen, Technik und Outcome werden im Artikel „Stereotaktische Radiochirurgie (SRS)“ dargestellt.
Literatur
- Sauer R. Strahlentherapie und Onkologie. 5. Auflage. München: Urban & Fischer; 2013. ISBN: 978-3-437-22621-4.
- Wannenmacher M, Wenz F, Debus J. Strahlentherapie. 2. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer; 2013. 1087 S. ISBN: 978-3-540-88304 https://doi.org/10.1007/978-3-540-88305-0
- Guckenberger M et al.: Dose-intensified stereotactic body radiotherapy for painful vertebral metastases: A randomized phase 3 trial. Cancer 2024; https://doi.org/10.1002/cncr.35310
- Siehe unter den genannten Einsatzgebieten