Intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT)
Die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT, intensitätsmodulierte Radiotherapie; gezielte Bestrahlung mit variabler Strahlenstärke) ist eine hochpräzise Form der perkutanen Bestrahlung (Bestrahlung durch die Haut hindurch), bei der die Intensität des Photonstrahls (Lichtstrahl hoher Energie) innerhalb jedes Bestrahlungsfeldes variiert wird. Dadurch kann die Dosisverteilung exakt an die Form des Zielvolumens (Tumor und Ausläufer) angepasst werden, während umliegende Risikoorgane (empfindliche Nachbarorgane) maximal geschont werden. Die IMRT hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten als Standardverfahren in der kurativen Radiotherapie (heilende Strahlenbehandlung) zahlreicher Tumorerkrankungen etabliert.
Zielsetzung und Wirkung
- Erhöhung der Konformität – Die Dosisverteilung (Strahlendosisverteilung) kann exakt an das dreidimensionale Zielvolumen angepasst werden (sogenannte Konformationsbestrahlung).
- Dosisreduktion in Risikoorganen – Eine geringere Dosisbelastung in empfindlichen Nachbarstrukturen wie z. B. Rückenmark, Speicheldrüsen, Enddarm oder Blase reduziert Nebenwirkungen.
- Dosissteigerung im Zielvolumen – Ermöglicht durch simultane integrierte Boost-Techniken (SIB, gleichzeitige Hochdosisverstärkung im Tumorbereich).
- Homogenere Dosisverteilung – Vermeidung von Hot- und Cold-Spots (Bereiche mit zu hoher oder zu niedriger Dosis) innerhalb des Zielvolumens.
- Optimierung von hypofraktionierten Therapiekonzepten – Besonders geeignet für Tumoren mit hoher Strahlenempfindlichkeit oder begrenzter Operationsmöglichkeit.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Kopf-Hals-Tumoren
- Oropharynx- (Mundrachen), Nasopharynx- (Nasenrachenraum) und Larynxkarzinome (Kehlkopfkrebs)
- Speicheldrüsentumoren
- Prostatakarzinom (Prostatakrebs)
- Insbesondere bei gleichzeitiger Bestrahlung von Lymphknoten im Beckenbereich
- Zervix- und Endometriumkarzinom (Gebärmutterhals- und Gebärmutterschleimhautkrebs)
- Bei gleichzeitiger Einbeziehung der paraaortalen Lymphknotenregionen (Lymphbahnen neben der Hauptschlagader)
- Anal- und Rektumkarzinom (After- und Enddarmkrebs)
- Reduktion von Nebenwirkungen im Verdauungstrakt
- ZNS-Tumoren (Gehirn- und Rückenmarkstumoren)
- Gliome (Hirntumoren), Meningeome (Hirnhautgeschwülste), Hypophysenadenome (Tumoren der Hirnanhangsdrüse)
- Pankreaskarzinom und hepatobiliäre Tumoren (Bauchspeicheldrüsen- und Gallengangskrebs)
- In Verbindung mit Atemgating (Atemsteuerung) und IGRT (bildgeführte Strahlentherapie)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Tumoren mit starker Organbewegung ohne Bildführung
- z. B. unbehandelte Lungentumoren ohne Atemkontrolle
- Ungeeignete Lagerungsbedingungen
- z. B. schmerzhafte Körperlage oder instabile Patienten
- Eingeschränkte Planungsbildqualität
- Computertomographie-Artefakte oder unklare Tumorausdehnung
- Fehlende technische Ausstattung
- Bestrahlungsgeräte ohne Formblendensteuerung oder passende Software zur Planung
Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)
- Planungssysteme
- Verwendung von inverser Planung (Rückrechnung der optimalen Bestrahlung) mit definiertem Zielvolumen (Behandlungsvolumen) und Risikoorganen
- Optimierungsprogramme zur automatisierten Dosisverteilung
- Technische Umsetzung
- Multileaf-Kollimatoren (bewegliche Lamellen zur Strahlenformung) modulieren die Intensität jedes Strahlenfelds
- Mehrere Einstrahlwinkel oder rotierende Techniken (z. B. RapidArc, VMAT – schnelle rotierende Bestrahlung)
- Bestrahlungseinheiten
- Hochenergie-Bestrahlungsgeräte mit mindestens 6 Megavolt
- Kombination mit IGRT zur Kontrolle der Patientenposition
- Behandlungszeit
- Oft länger als bei konventioneller Bestrahlung, jedoch bei moderner Technik stark reduziert
Aktueller Stellenwert im Therapiekonzept
Die IMRT hat sich in der modernen Krebsmedizin als Standard etabliert. Sie wird bei fast allen Tumorerkrankungen mit komplexer Lage oder in der Nähe empfindlicher Organe bevorzugt eingesetzt. Die IMRT ist ein wesentlicher Bestandteil von Therapiekonzepten, bei denen verschiedene Behandlungsarten kombiniert werden. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass mit IMRT Nebenwirkungen verringert werden können, ohne die Wirksamkeit der Behandlung zu reduzieren. Sie ermöglicht zudem neue Konzepte zur Dosissteigerung und Anpassung während der Therapie.
Evidenzlage und Studien
- PARSPORT-Trial – Nachweis der Reduktion von Mundtrockenheit bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren unter IMRT [1].
- HYPRO-Studie – Vergleich von täglicher Standardbestrahlung vs. verkürzter Hochdosisbestrahlung bei Prostatakrebs [2].
- RTOG-Studien (US-Forschungsgruppe) – Beleg für die bessere Schonung von Risikoorganen ohne schlechtere Wirkung auf den Tumor [3].
- Metaanalysen zeigen deutlich weniger Nebenwirkungen im Magen-Darm- und Harntrakt bei gynäkologischen und urologischen Krebsarten [4].
Literatur
- Nutting CM et al.: Parotid-sparing intensity modulated versus conventional radiotherapy in head and neck cancer (PARSPORT): A phase 3 multicentre randomised controlled trial. Lancet Oncol. 2011;12(2):127-136. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(10)70290-4
- Aluwini S et al.: Hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for patients with prostate cancer (HYPRO): Acute toxicity results from a randomised non-inferiority trial. Lancet Oncol. 2015;16(3):274-283. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(14)70482-6
- Michalski JM et al.: Preliminary toxicity analysis of 3D-CRT versus IMRT on the high-dose arm of the RTOG 0126 prostate cancer trial. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2013;87(5):932-938. doi: 10.1016/j.ijrobp.2013.07.041
- Viani GA et al.: Intensity-modulated radiotherapy reduces toxicity with similar biochemical control compared with 3D conformal radiotherapy for prostate cancer: A meta-analysis. BMC Cancer. 2016;16:39. https://doi.org/10.1002/cncr.29983