Naturheilkunde: Eine Übersicht
Die Naturheilkunde beruht auf dem Prinzip der Behandlung durch natürliche Wirkfaktoren und der Selbstheilung bzw. der Selbstbewältigung von Krankheiten. Seinen geschichtlichen Ursprung hat der Begriff "Naturheilverfahren" bei dem Münchener Arzt Lorenz Gleich (1798-1865). Dieser definierte den Begriff wie folgt: "Heilen ohne Arzneistoffe und Blutentziehung, mit Kälte und Wärme, Trinken von kaltem Wasser, Umschlägen, Diät und frischer Luft".
Folgende native Wirkfaktoren gibt es:
- Luft
- Wasser
- Erde
- Licht
- Pflanzen
- Mineralien
- Natürliche Ernährungsformen
- Klimatische Faktoren
- Bewegung und Schonung
- Förderung natürlicher Rhythmen und Zeitordnungen
Das Verfahren
Naturheilverfahren stützen sich auf das Prinzip der Hygiogenese. Es handelt sich dabei um die autoregulative Selbstheilung des Körpers durch ein gezielte therapeutische Stimulierung mit natürlichen Reizen. Die Hygiogenese verfolgt das Ziel der Normalisierung (Rückkehr zu normalen Körperfunktionen), der Schonung (Entlastung des Stoffwechsels durch z. B. Fasten) und der Kräftigung (Verbesserung der Leistungskapazität). Viele Aspekte der Naturheilkunde finden sich bereits in der Medizin des Altertums.
Folgende Methoden gehören zu den klassischen Naturheilverfahren:
- Ordnungstherapie: Gesundheitstraining und Entspannungsverfahren
Die Ordnungstherapie geht davon aus, dass eine geregelte Lebensführung einen Einfluss auf unser Wohlbefinden hat und dazu beitragen kann, Symptome zu lindern, die durch ungesunde Lebensweisen entstanden sind. Stress und unregelmäßiges Essen sind nur einige Beispiele für eine Lebensweise, die dem Körper schadet. - Atemtherapie, Bewegungstherapie oder Massagen:
- manuelle Lymphdrainage
- klassische Massage
- Reflexzonenmassage: Segmentmassage, Bindegewebsmassage, Kolonbehandlung (gezielte Massage des Darms), Periostbehandlung (spezielle Massage, die gezielt die Knochenhaut und damit den Knochenstoffwechsel stimuliert)
- Druckstrahlmassage unter dem Wasser
- Ernährungstherapie
- Vollwertkost
- Rohkost
- Teilfasten
- Totalfasten nach Buchinger (neben Wasser und Tee sind auch Säfte und Gemüsebrühe erlaubt)
- Mayr-Fasten (diese Fastenkur beruht auf dem Prinzip der Schonung, Säuberung und Schulung, Milch und Brötchen sind zusätzlich erlaubt, Vitalstoffe (Mikronährstoffe) wie beispielsweise Vitamine werden substituiert)
- Sonderdiäten
- Schroth-Kur (salz-, fettlose und eiweißarme Kost in Kombination mit Trink- und Trockentagen an denen unter einem halben Liter Wasser getrunken wird)
Die Ernährungstherapie fördert einen gesunden Körper von innen heraus. Nur, wenn der menschliche Körper die Nähr- und Vitalstoffe (Makro- und Mikronährstoffe) erhält, die er für seine zahlreichen Funktionen benötigt, fühlt er sich wohl und gesund.
- Hydrotherapie und Thermotherapie
- Güsse
- Waschungen
- Packungen und Wickel
- Bäder: Kräuterbäder, Überwärmungsbäder, Luftbäder, Dampfbäder
- Sauna
- Phytotherapie: Therapie durch Heilpflanzen, die z. B. als Aufguss verabreicht werden.
Diese fünf Teildisziplinen werden auch als die "fünf Säulen der Naturheilkunde" bezeichnet.
Zudem gibt es die Physikalische Medizin bzw. die Balneologie (s. u. "Physikalische Medizin"). Diese Verfahren gehören zu den klassischen Naturheilverfahren und sind inzwischen in die Schulmedizin integriert.
Zusätzlich zu den klassischen Naturheilverfahren gibt es die erweiterten Naturheilverfahren. Hierzu zählen:
- Ausleitende Verfahren
- Aderlass (ist ein seit der Antike bekanntes und bis ins 19. Jahrhundert verbreitet angewandtes Heilverfahren. Beim Aderlass wird dem Patienten eine teilweise nicht unerhebliche Menge Blut entnommen.)
- Schröpfen (Schröpfglocken werden mit Unterdruck auf der Haut befestigt)
- Blutegeltherapie
- diaphoretische (schweißtreibend), diuretische (harntreibend), laxierende (abführend) und emmenagoge (menstruationsauslösend) Verfahren
- Symbioselenkung bzw. mikrobiologische Therapie (Wiederherstellung des Gleichgewichts der Darmflora)
- Neuraltherapie (Ziel ist die Fernwirkung auf Funktionen des Organismus durch eine Lokalanästhesie/örtliche Betäubung)
- Thalassotherapie (Heilbehandlung durch Wirkstoffe aus dem Meer)
- Lichttherapie (z. B. Behandlung von Depressionen)
Die dritte Kategorie der Naturheilverfahren, sogenannte andere Naturheilverfahren umfassen z. B.:
- Akupunktur
- Manuelle Medizin (Chiropraktik oder Osteopathie)
- Sauerstofftherapie
Anwendungsbereiche der Naturheilkunde
Naturheilverfahren bieten eine breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus ihrer ganzheitlichen Behandlungsphilosophie ableiten. Diese Verfahren sind nicht nur aufgrund ihrer Vielseitigkeit, sondern auch wegen ihrer Fähigkeit, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren und zu unterstützen, von Bedeutung. Insbesondere bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen, Behinderungen und der Rehabilitation nach schweren Erkrankungen wie einem Schlaganfall (Apoplex) spielen sie eine wichtige Rolle.
Chronische Erkrankungen
Bei chronischen Beschwerden wie Arthritis, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen können Naturheilverfahren dazu beitragen, Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Sie bieten oft eine ergänzende Behandlungsmöglichkeit, die darauf abzielt, das Wohlbefinden zu steigern und den Umgang mit langfristigen Gesundheitsproblemen zu erleichtern.
Behinderungen
Bei physischen oder psychischen Behinderungen können Naturheilverfahren unterstützend wirken, indem sie die Beweglichkeit fördern, Schmerzen reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Ansätze wie Bewegungstherapie, Massage oder Hydrotherapie sind Beispiele für Methoden, die zur Verbesserung der Lebensqualität bei Behinderungen beitragen können.
Rehabilitation nach schweren Erkrankungen
In der Rehabilitationsphase nach schweren Erkrankungen wie einem Schlaganfall spielen Naturheilverfahren eine wichtige Rolle. Sie können helfen, die Genesung zu beschleunigen, die Wiederherstellung von Funktionen zu unterstützen und das Risiko für weitere Gesundheitsprobleme zu minimieren. Behandlungen wie physikalische Therapien, Ernährungsberatung und Stressbewältigungsstrategien sind dabei von besonderer Bedeutung.
Ganzheitlicher Ansatz
Die Naturheilkunde basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, der den Menschen in seiner Gesamtheit betrachtet und nicht nur isolierte Symptome behandelt. Dieser Ansatz berücksichtigt sowohl physische als auch psychische Aspekte der Gesundheit und zielt darauf ab, das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität zu verbessern.
Individuelle Bedürfnisse
Die Entscheidung für eine naturheilkundliche Behandlung hängt von den individuellen Bedürfnissen und Umständen des Patienten ab. Es ist wichtig, dass solche Entscheidungen in Absprache mit qualifizierten Gesundheitsexperten getroffen werden, um eine sichere und effektive Behandlung zu gewährleisten.
Insgesamt bieten Naturheilverfahren eine wertvolle Ergänzung zur konventionellen Medizin, besonders wenn es darum geht, den Körper in seiner Gesamtheit zu behandeln und das Wohlbefinden auf natürliche Weise zu fördern.
Aktuelle Entwicklungen in der Naturheilkunde
Die Welt der Medizin ist ständig im Wandel, und in den letzten Jahren hat die Naturheilkunde einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Akzeptanz und Integration von Naturheilverfahren in die konventionelle Medizin. Diese Veränderung spiegelt sich in verschiedenen Bereichen wider, von interdisziplinären Forschungsprojekten bis hin zur Etablierung von integrativen Gesundheitszentren.
Integration in die konventionelle Medizin
Die Integration von Naturheilverfahren in die konventionelle Medizin ist ein klares Zeichen für deren zunehmende Legitimität und Akzeptanz. Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen bieten immer häufiger Behandlungen an, die traditionelle medizinische Praktiken mit natürlichen Heilmethoden kombinieren. Dies reicht von Akupunktur und Phytotherapie bis zu speziellen Ernährungsplänen und Stressbewältigungstechniken. Solche integrativen Ansätze zielen darauf ab, den Patienten eine ganzheitliche Behandlung zu bieten, die sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigt.
Interdisziplinäre Forschungsprojekte
Die wissenschaftliche Forschung spielt eine entscheidende Rolle bei der Validierung und Weiterentwicklung der Naturheilkunde. In den letzten Jahren wurden zahlreiche interdisziplinäre Projekte ins Leben gerufen, die darauf abzielen, die Wirksamkeit und Sicherheit von Naturheilverfahren zu untersuchen. Diese Projekte bringen Experten aus verschiedenen medizinischen Disziplinen zusammen und nutzen fortschrittliche Forschungsmethoden, um ein tieferes Verständnis der Wirkmechanismen und potenziellen Anwendungsbereiche natürlicher Heilmethoden zu erlangen.
Integrative Gesundheitszentren
Ein weiterer Trend in der Naturheilkunde ist die Gründung von integrativen Gesundheitszentren. Diese Zentren bieten eine breite Palette von Therapien und Behandlungen, die traditionelle medizinische Praktiken mit Naturheilverfahren kombinieren. Patienten erhalten hier Zugang zu einer Vielzahl von Behandlungsoptionen unter einem Dach, was die Koordination der Pflege und die ganzheitliche Betrachtung des Gesundheitszustands des Patienten erleichtert.
Ihr Nutzen
Als Ergänzung zur konventionellen Medizin oder in der Kur sind Naturheilverfahren eine sinnvolle Maßnahme. Die Vielfalt dieser Verfahren erlaubt eine Therapie, die den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasst ist.
Literatur
- Naturheilverfahren: Leitfaden für die ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung; Dieter Melchart/Rainer Brenke/Gustav Dobos/Markus Gaisbauer/Reinhard Saller; Schattauer Verlag 2007
- Basics Naturheilverfahren; Tobias Matreitz; Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2007