Quecksilberausleitung

Die Quecksilberausleitung bezeichnet den gezielten Prozess der Entfernung von im Körper angesammeltem Quecksilber, insbesondere nach der Entfernung von Amalgamfüllungen in der Zahnmedizin. Amalgam, seit dem 19. Jahrhundert als Zahnfüllungsmaterial verwendet, besteht zu etwa 50 % aus elementarem Quecksilber, kombiniert mit Metallen wie Silber, Zinn und Kupfer. Dieses Material wurde aufgrund seiner Haltbarkeit und einfachen Verarbeitung geschätzt. Allerdings können Amalgamfüllungen im Laufe der Zeit geringe Mengen an Quecksilberdampf freisetzen, insbesondere durch mechanische Einflüsse wie Kauen oder Zähneknirschen. Obwohl die freigesetzten Mengen in der Regel als gering und für die meisten Menschen unbedenklich gelten, kann es bei bestimmten Individuen, insbesondere bei Vorliegen von Allergien oder Nierenerkrankungen, zu klinisch relevanten Expositionen kommen. Daher wird in solchen Fällen die Entfernung der Amalgamfüllungen und eine anschließende Quecksilberausleitung in Erwägung gezogen, um potenzielle gesundheitliche Risiken zu minimieren.

Symptomatik einer Quecksilberlastung

Eine chronische Quecksilberexposition kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter:

  • Dermatitis mercurialis – Entzündliche Hautreaktion durch Ausscheidung von Quecksilber über die Schweißdrüsen
  • Diarrhöen (Durchfälle)
  • Gingivitis (Zahnfleischentzündung) – z. T. bläulich-violetter "Quecksilbersaum"
  • Gliederschmerzen
  • Hörstörungen
  • Insomnie (Schlafstörungen)
  • Kachexie (krankhafter Gewichtsverlust)
  • Konzentrationsstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Lähmungen
  • Mattigkeit
  • Psellismus mercurialis – Stotternde Sprache
  • Rötung des Rachenringes ("Quecksilberrachen")
  • Sehstörungen
  • Stomatitis mercurialis (Mundschleimhautentzündung) mit vermehrter Speichelbildung, z. T. auch Mundtrockenheit
  • Tremor mercurialis – Unwillkürliches Zittern
  • Zahnlockerung und -verlust
  • ZNS-Symptome:
    • Ataxie (Gangstörungen)
    • Erethismus mercurialis – Stark gesteigerte Erregbarkeit, Schreckhaftigkeit, Angst, Stimmungslabilität
    • Gedächtnisstörungen und Persönlichkeitsveränderungen
    • Tremor mercurialis
    • Sensible und motorische Paresen (Lähmungen)
    • Sprachstörungen
    • Sensibilitätsstörungen

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome unspezifisch sind und auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Eine genaue Diagnose sollte daher stets durch einen qualifizierten Arzt erfolgen.

Zielsetzung und Wirkungsweise der Quecksilberausleitung

Zielsetzung

Die Quecksilberausleitung, auch bekannt als Quecksilberdetoxikation, zielt darauf ab, den Körper von Quecksilber zu befreien, das beispielsweise aus Amalgamfüllungen oder dem Verzehr von quecksilberhaltigen Lebensmitteln stammen kann. Das Verfahren soll dazu beitragen, mögliche Gesundheitsrisiken durch eine Quecksilberbelastung zu reduzieren und langfristige Schäden zu verhindern.

Wirkungsweise

  • Komplexbildung mit Chelatbildnern – Biochemische Medikamente wie Dimercaptopropansulfonsäure (DPMS), Dimercaptobernsteinsäure (DMSA) oder Dimercaprol (BAL) bilden stabile Chelatkomplexe mit Quecksilberionen, die dann renal ausgeschieden werden.
  • Unterstützung durch Antioxidantien – Substanzen wie Vitamin C, Vitamin E, Selen und Alpha-Liponsäure können oxidativen Stress reduzieren und Zellschäden mindern. Ihre direkte Effektivität auf die Quecksilberausleitung ist jedoch nicht abschließend belegt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Personen mit laborchemisch nachgewiesener Quecksilberbelastung
  • Patienten mit Epikutantest-bestätigter Quecksilberallergie
  • Chronische Intoxikation durch berufliche Exposition

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Allergien gegen Chelatbildner
  • Schwere Nieren- oder Leberfunktionsstörungen
  • Schwangerschaft (aufgrund potenzieller Quecksilberumverteilung)

Das Verfahren

Sichere Entfernung von Amalgamfüllungen

  • Verwendung der Kofferdam-Technik zur Vermeidung der Inhalation oder Verschluckung von Quecksilberpartikeln
  • Einsatz von langsamen Bohrern mit hoher Absaugleistung
  • Empfehlung einer Atemschutzmaske (FFP3-Filter) für den Patienten

Unterstützung der Quecksilberausleitung

Nach der sicheren Entfernung von Amalgamfüllungen kann der Ausleitungsprozess durch folgende Substanzen ergänzt werden:

  • Selen – Bildung stabiler Quecksilberkomplexe
  • Zink – Unterstützt enzymatische Prozesse der Entgiftung
  • Vitamin C und E – Antioxidative Wirkung
  • Alpha-Liponsäure – Potenzielle Mobilisierung von Quecksilber

Nach der Quecksilberausleitung

  • Regelmäßige Kontrolle der Nieren- und Leberfunktion
  • Laborkontrollen zur Bewertung des Therapieerfolgs
  • Empfehlung zur Minimierung weiterer Quecksilberexposition

Mögliche Komplikationen

  • Frühkomplikationen: Allergische Reaktionen, Nierenfunktionsstörungen, Elektrolytungleichgewichte
  • Spätkomplikationen: Mögliche Umverteilung von Quecksilber ins ZNS bei unzureichender Chelat-Ausscheidung

Kostenübernahme

Die Kosten für eine alternative Amalgamentfernung werden von gesetzlichen Krankenkassen nur bei nachgewiesener Quecksilberallergie übernommen (~2 % bis 3 % der Patienten).

Fazit

Die Kombination aus einer sicheren Amalgamentfernung unter Anwendung der Kofferdam-Technik und der gezielten Chelat-Therapie stellt einen evidenzbasierten Ansatz dar, um die gesundheitlichen Risiken einer Quecksilberexposition zu minimieren. Mikronährstoffe können eine unterstützende Rolle spielen, ersetzen jedoch keine etablierte Chelat-Therapie.

Literatur

  1. Martin M: Labormedizin in der Naturheilkunde. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2006
  2. Forth W, Hofmann F, Förstermann U: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie: für Studenten der Medizin, Veterinärmedizin, Pharmazie, Chemie und Biologie sowie für Ärzte, Tierärzte und Apotheker. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2008
  3. Frankenberger, R., Winter, J. & Schmalz, G. Amalgam und Alternativen – Diskussionen zur Quecksilberreduktion in der Umwelt. Bundesgesundheitsbl 64, 847–855 (2021). https://doi.org/10.1007/s00103-021-03355-4