Biofeedback zur Beckenbodenstimulation

Die Beckenbodenmuskulatur spielt eine zentrale Rolle für die Kontinenz, Stabilisierung des Rumpfes und sexuelle Funktion. Störungen in diesem Bereich können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Biofeedback zur Beckenbodenstimulation ist eine innovative Methode, die gezielt eingesetzt wird, um die Funktion der Beckenbodenmuskulatur zu verbessern.

Warum ist die Methode wichtig?

Beckenbodenstörungen, wie Inkontinenz der Blase, des Darmes, oder Beckenbodenschwäche, sind häufig, besonders bei Frauen nach einer Geburt oder im Alter. Auch Männer können mit zunehmendem Alter und je nach Prostataoperationen darunter leiden. Viele Betroffene vermeiden aufgrund von Schamgefühlen eine Behandlung. Biofeedback bietet eine nicht-invasive, effiziente Therapieoption, die Betroffenen hilft, die Kontrolle über ihre Muskulatur zurückzugewinnen und langfristig Beschwerden zu lindern.

Zielsetzung

Das Hauptziel der Biofeedback-Therapie ist die Wiederherstellung der Funktion und Kontrolle der Beckenbodenmuskulatur. Patienten lernen, die Muskulatur gezielt anzusteuern, Muskelkraft zu steigern und Entspannung zu fördern, was sowohl die Kontinenz als auch das sexuelle und das allgemeine Wohlbefinden verbessern kann.

Wirkungsweise

Biofeedback misst und visualisiert die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur. Über Sensoren werden elektrische Signale der Muskulatur erfasst und auf einem Bildschirm dargestellt. Dies ermöglicht es den Patienten, die Muskelaktivität in Echtzeit zu beobachten und gezielt zu trainieren. Die visuelle Rückmeldung fördert das Verständnis der eigenen Körperfunktionen und erleichtert die bewusste Steuerung.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Methode wird bei folgenden Beschwerden und Erkrankungen eingesetzt:

  • Belastungsinkontinenz
  • Dranginkontinenz
  • Mischinkontinenz
  • Beckenbodenschwäche nach Schwangerschaft oder Operationen
  • Chronische Schmerzen im Beckenbodenbereich (Pelvic Pain Syndrom)
  • Dysfunktionen der Sexualfunktion
  • Analinkontinenz
  • Unterstützung der Heilung nach Operationen im Beckenbereich (z. B. Senkungsoperationen der Frau, Prostataoperation des Mannes)
  • Verbesserung erektile Dysfunktion

Vorteile

  • Nicht-invasive Methode ohne chirurgischen Eingriff
  • Individuell anpassbar und patientenorientiert
  • Nachhaltige Verbesserung der Symptomatik durch aktive Therapiebeteiligung
  • Fördert das Bewusstsein für die Beckenbodenmuskulatur

Nachteile

  • Zeitaufwendig, da regelmäßige Sitzungen erforderlich sind
  • Abhängig von der Motivation und Mitarbeit der Patienten
  • Für manche Patienten können die verwendeten Sensoren unangenehm sein

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Akute Infektionen im Beckenbodenbereich
  • Unbehandelte Verletzungen oder Operationen im Genitalbereich
  • Psychische Erkrankungen, die eine aktive Teilnahme erschweren

Vor der Therapie

Vor Beginn der Therapie sollte trotz des weitverbreiteten Internetangebotes eine umfassende Anamnese und Untersuchung durch einen Arzt oder physiotherapeutisch durchgeführt werden. Ziel ist es, die Ursachen der Beschwerden zu identifizieren und die Eignung für die Biofeedback-Methode zu überprüfen oder ev. aus der Vielzahl der angebotenen Biofeedback-Geräte (s. u.) ein für die vorliegende Pathologie speziell geeignetes Gerät auszuwählen. Eine ausführliche Aufklärung über den Ablauf und die Ziele der Therapie ist essenziell.

Das Verfahren

  1. Initiale Messung: Sensoren werden vaginal oder rektal platziert, um Muskelaktivitäten zu messen.
  2. Training: Patienten beobachten ihre Muskelaktivität und lernen, die richtige Anspannung und Entspannung zu erzeugen.
  3. Feedback: Die visuelle Rückmeldung hilft, Fehlspannungen zu korrigieren.
  4. Übungsplan: Übungen werden auch für zu Hause empfohlen, um den Therapieerfolg zu sichern.

Geräte für die Biofeedback-Therapie zur Beckenbodenstimulation

Für die Biofeedback-Therapie stehen verschiedene spezialisierte Geräte zur Verfügung, die es ermöglichen, die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur zu messen, darzustellen und zu trainieren. Diese Geräte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Funktionsweise, Anwendungsbereiche und Benutzerfreundlichkeit.

EMG-basierte Biofeedback-Geräte

Elektromyografische (EMG) Biofeedback-Geräte messen die elektrische Aktivität der Beckenbodenmuskulatur über Sensoren.

  • Eigenschaften:
    • Vaginale oder rektale Sonden zur Signalaufnahme.
    • Daten werden auf einem Bildschirm in Form von Diagrammen oder visuellen Animationen dargestellt.
    • Häufig tragbare Geräte, die auch für den Einsatz zu Hause geeignet sind.

Manometrische Biofeedback-Geräte

Manometrische Geräte messen den Druck, der durch die Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur erzeugt wird.

  • Eigenschaften:
    • Drucksensoren in vaginalen oder rektalen Sonden.
    • Darstellung des Drucks als visuelle oder akustische Rückmeldung.
    • Besonders geeignet für Patienten mit schwacher Muskelaktivität.

Geräte mit visueller Rückmeldung

Diese Geräte kombinieren Biofeedback mit spielerischen oder interaktiven Elementen.

  • Eigenschaften:
    • Einsatz von Computersoftware oder Apps, die Fortschritte in Echtzeit visualisieren.
    • Unterstützung durch Gamification (z. B. Ballspiele, die durch Muskelkontraktion gesteuert werden).
    • Motivation durch interaktive Trainingsmöglichkeiten.

Kombination aus Biofeedback und Elektrostimulation

Einige Geräte vereinen Biofeedback mit Elektrostimulation, um Patienten mit sehr schwacher Muskulatur zu unterstützen.

  • Eigenschaften:
    • Elektrostimulation aktiviert die Muskulatur und erleichtert das Training.
    • Biofeedback zeigt die Fortschritte in der Muskelkontrolle.

Mobile Geräte und Apps

Moderne Geräte werden zunehmend kompakt und mobil, was die Anwendung zu Hause erleichtert.

  • Eigenschaften:
    • Kabellose Sonden, die mit Smartphones oder Tablets gekoppelt werden.
    • Fortschritte können über Apps dokumentiert und analysiert werden.

Klinische High-End-Geräte

Diese Geräte werden vor allem in spezialisierten Kliniken oder Physiotherapiezentren eingesetzt.

  • Eigenschaften:
    • Hochpräzise Messung und erweiterte Analysetools.
    • Möglichkeit der individuellen Anpassung an die Patientenbedürfnisse.

Auswahlkriterien für Geräte

  • Indikation: Geräte sollten auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sein (z. B. EMG für Muskelkontrolle, Manometrie für Drucktraining).
  • Einsatzort: Für zu Hause geeignete Geräte sollten einfach zu bedienen sein.
  • Kosten: Die Preisspanne variiert stark; von preiswerten mobilen Geräten bis hin zu teuren klinischen Systemen.
  • Therapeutische Ziele: Kombinationen aus Biofeedback und Elektrostimulation sind ideal für schwerere Fälle.

Welche Mechanismen haben Einfluss auf den Therapieerfolg?

  • Motivation der Patienten: Regelmäßige Teilnahme und Engagement sind entscheidend.
  • Fähigkeit zur Körperwahrnehmung: Patienten müssen lernen, subtile Muskelbewegungen zu spüren.
  • Therapeutische Unterstützung: Ein erfahrener Therapeut kann gezielt korrigieren und motivieren.

Kombination mit anderen Methoden

Biofeedback lässt sich mit physiotherapeutischen Übungen, Kegelübungen (Beckenbodengymnastik), Elektrostimulation und Verhaltensmodifikationen kombinieren, um den Therapieerfolg zu maximieren. Besonders die Kombination mit Beckenbodentraining hat sich als effektiv erwiesen.

Nach der Therapie

Nach Abschluss der Therapie sollten Patienten die erlernten Übungen in den Alltag integrieren, um den Therapieerfolg zu erhalten. Wie bei jedem Muskeltraining ist auch für die Beckenbodenmuskulatur ein regelmäßiges Training wichtig, denn schon nach wenigen Monaten lässt der Therapieerfolg deutlich nach.

Fazit

Biofeedback zur Beckenbodenstimulation ist eine effektive, patientenorientierte Methode zur Behandlung von Beckenbodendysfunktionen. Die Methode ist schonend, nachhaltig und lässt sich gut mit anderen Therapieansätzen kombinieren.

Ihr Nutzen

Langfristig verbessert Biofeedback nicht nur die Beschwerden, sondern auch die Lebensqualität. Patienten gewinnen Vertrauen in ihre Körperfunktionen zurück und können alltägliche Aktivitäten ohne Einschränkungen ausführen.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

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