Etonogestrel-Implantat

Beim Etonogestrel-Implantat (Synonym: Verhütungsstäbchen) handelt es sich um ein implantiertes hormonelles  Kontrazeptivum (Verhütungsmittel), das subkutan implantiert wird und auf der Wirkung des zu den Gestagenen (Hormon) zählenden Etonogestrels basiert.

Die Anwendung des Implantats ist sinnvoll bei Frauen, die eine mehrjährige Kontrazeption (Verhütung) wünschen. Die Implantation des Etonogestrel-Präparates ermöglicht eine sichere Kontrazeption für die Dauer von bis zu drei Jahren. Der Pearl-Index* des Etonogestrel-Implantats wird vom Hersteller mit 0,1 angegeben, sodass es sich bei diesem Präparat um eines der aktuell sichersten Verhütungsmittel handelt. Entwickelt und vertrieben wird das Etonogestrel-Implantat von der Firma MSD SHARP & DOHME GmbH unter dem Namen Implanon®.

*Der Pearl-Index ist ein Maß dafür, wie sicher und zuverlässig eine Kontrazeptionsmethode ist. Sie gibt die Anzahl der Schwangerschaften pro 100 Frauen an, die ein Jahr lang die jeweilige Methode zur Verhütung angewendet haben.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Erwachsene Frauen im gebärfähigen Alter − das Etonogestrel-Implantat ist prinzipiell als Kontrazeptionsmethode (Verhütungsmittel) für alle Frauen geeignet, die über mehrere Jahre verhüten wollen und keine Kontraindikationen (Gegenanzeigen; s. u.) aufweisen. Das Präparat eignet sich besonders für Frauen, die keine Östrogene einnehmen sollten, bei denen Kontraindikationen für die Spirale (Intrauterinpessar) vorliegen oder sich das Einsetzen einer Spirale schwierig gestaltet. Auch stillende Mütter können das Etonogestrel-Implantat anwenden, da es laut aktuellen Studien keine ungünstigen Effekte auf die Laktation (Muttermilchproduktion) hat.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Relative Kontraindikationen

  • Adipositas (Übergewicht) − in klinischen Studien wurden keine Frauen integriert, die ein Gewicht höher als 130 % des Idealgewichtes wogen.
  • Diabetes mellitus − der Wirkstoff des Implantats hat gegebenenfalls Effekte auf die Glukosetoleranz (Glucoseverwertung) der Frau.
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen − verschiedene hormonelle Kontrazeptiva erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Myokardinfarkte (Herzinfarkte) in geringem Ausmaß. Bei kardialen Vorerkrankungen sollte unter Umständen auf eine hormonell basierte Kontrazeptionsmethode verzichtet werden.
  • Depression − Etonogestrel erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer depressiven Stimmungslage, sodass potentiell gefährdete Personen auf die Einnahme verzichten sollten.
  • Hyperlipoproteinämie/Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörungen) − die Einnahme des Etonogestrels führt möglicherweise zum Anstieg der Triglyceride (Neutralfette).
  • Raucher − Rauchen erhöht die Wahrscheinlichkeit für Thromboembolien in Kombination mit hormonellen Kontrazeptiva signifikant.
  • Akne − durch das Etonogestrel-Implantat kann sich die Akne der Frauen verstärken.

Absolute Kontraindikationen 

  • hormonabhängige Tumoren − Frauen, die unter einem hormonabhängigen Tumor leiden, der durch Etonogestrel beeinflusst werden kann, dürfen keine Etonogestrel-Implantate anwenden.
  • Thrombosen − sollte bei einer Frau bereits eine Thrombose bzw. Thromboembolie aufgetreten sein, so ist die Anwendung der Etonogestrel-Implantate kontraindiziert.

Vor der Therapie

  • Ausschluss von Medikamenteninteraktionen − Etonogestrel kann mit diversen Wirkstoffen interagieren, sodass vor der Implantation eine präzise Medikamentenanamnese unabdingbar ist. Mögliche Medikamenten-Interaktionen beruhen primär auf der Beeinflussung des CYP3A4-Enzyms (Isoenzym der Cytochrom P450-Familie). Eine Veränderung der Medikation ist unter anderem bei der Einnahme von Benzodiazepinen, Bosentan, Carbamazepine, Phenytoin und Vitamin K-Antagonisten (Cumarine) zu erwägen.
  • Ausschluss einer Gravidität (Schwangerschaft) − vor der Implantation sollte eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Sollte trotz Implantation des Präparates eine Schwangerschaft auftreten, so ist das Implantat zu entfernen.
  • Ausschluss von Kontraindikationen (Gegenanzeigen) − um unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Komplikationen zu reduzieren, muss vor der Implantation mittels Untersuchung und Anamnese überprüft werden, ob die Frau an keinen Krankheiten leidet, die eine Implantation verbieten.
  • Einnahme der "Minipille" − vor Implantation des Stäbchens ist es sinnvoll, drei Monate lang eine Kontrazeptionsmethode zu verwenden, die auf der Wirkung des Gestagens Desogestrel basiert, um zu prüfen, ob das Hormon vertragen wird.

Das Verfahren

Das Grundprinzip des Etonogestrel-Implantats beruht auf der Wirkung des Arzneimittels Etonogestrel, welches aus dem Implantat sehr langsam und in geringer Konzentration vom Körper aufgenommen wird. Etonogestrel stellt einen aktiven Metaboliten (Abbauprodukt) des Desogestrels dar. Durch das Etonogestrel wird die Ausschüttung des Luteinisierenden Hormons (LH) reduziert, sodass die Ovulation (Eisprung) inhibiert (verhindert) wird. Zusätzlich wirkt der Wirkstoff auf den Zervikalschleim (Schleim des Gebärmutterhalses), das Endometrium  (Gebärmutterschleimhaut) und die Motilität der Tuben (Beweglichkeit der Eileiter). Durch den erhöhten Gestagenspiegel ist die Durchlässigkeit des Zervikalschleims für Spermien reduziert. Die Kombination der Wirkmechanismen ermöglicht eine geringe Versagensrate von 0,0449 %.

Die Implantation des Stäbchens subkutan (unter die Haut) an der Innenseite des Oberarms wird durch den Arzt unter Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) durchgeführt. Nach drei Jahren wird das Stäbchen wieder entfernt. Um eine optimale Wirkung des Implantats zu erreichen, ist es notwendig, dass das Implantat optimal platziert wird. Nach erfolgter Implantation sollte das Etonogestrel-Stäbchen noch unter der Haut palpabel (tastbar) sein. Das ist wichtig für die spätere Entfernung.

Beachte: Nur Ärzte, die ein Training zur Einlage und Entfernung absolviert haben, sollten Implanon NXT einlegen und entfernen. Nicht ertastbare Implantate dürfen nur von einem Arzt entfernt werden, der Erfahrung mit der Entfernung tiefliegender Implantate hat [6].

Nach der Therapie

Die korrekte Lage soll unmittelbar nach Einlage sowie bei jeder Kontrolluntersuchung vom Arzt überprüft werden. Anwenderinnen sollten unverzüglich einen Arzt aufsuchen, wenn sie das Implantat bei gelegentlichen eigenen Kontrollen nicht ertasten können [6].

Die Implantation des Stäbchens ermöglicht eine sichere Verhütung für drei Jahre. Im Anschluss an diesen Zeitraum sollte das Kunststoffstäbchen unverzüglich entnommen und ein neues eingesetzt werden. Sollte eine Schwangerschaft nach erfolgter Implantation erwünscht sein, so kann das Implantat problemlos entfernt werden. Nach der Entfernung des Implantats setzen umgehend die monatlichen ovulatorischen Zyklen (Zyklen mit Eisprung) wieder ein.

Mögliche Komplikationen

  • Veränderungen der Monatsblutung − eine Veränderung des Blutungsmusters durch die Anwendung des Etonogestrels ist wahrscheinlich.
  • Ektope Schwangerschaft (Extrauteringravidität) − unter einer ektopen Schwangerschaft versteht man die Nidation (Einnistung) der Blastozyste (befruchtete Eizelle; Stadium der Embryogenese, das durch die Ausbildung eines Blastocoel (flüssigkeitsgefüllte Höhle) gekennzeichnet ist; sie entsteht etwa am 4. Tag nach der Befruchtung aus der Morula, ein Entwicklungsstadium der frühen Embryogenese) außerhalb des Uterus (Gebärmutter). Das Risiko einer ektopen Schwangerschaft ist bei Anwendung eines hormonellen Kontrazeptivums größer.
  • Thromboembolien − die Implantation des Etonogestrel-Stäbchens erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Bildung von Thromben (Blutgerinnsel) in einem venösen Gefäß. Das Risiko kann durch zusätzliche Faktoren wie dem Rauchen drastisch erhöht werden.
  • Cephalgie (Kopfschmerzen)
  • Akne
  • Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung länger als 3 Monate)
  • Mastagie (zyklusunabhängige Brustschmerzen)
  • Gewichtszunahme
  • Depression
  • Rückenschmerzen
  • grippeähnliche Symptome
  • Implantatmigration in Gefäßen, in Lunge und im Brustkorb (1,3 pro eine Million verkaufter röntgendichter Implantate mit Etonogestrel) [5]

Literatur

  1. Prosch H, Walter RM, Westermayer V, Mostbeck GH: Sonographische Lokalisation nicht tastbarer Implanon®-Hormonimplantate. Ultraschall in Med, 2008, 29:239-244
  2. Funk S, Miller MM, Mishell DR Jr: Safety and Efficacy of Implanon™, a Single-Rod Implantable Contraceptive Containing Etonogestrel. Contraception, 2005, 71:319-26
  3. Croxatto HB, Mäkäräinen L: The Pharmacodynamics and Efficacy of Implanon™. An Overview of the Data. Contraception, 1998, 58:91-7. Contraception. 1998 Dec;58(6 Suppl):91S-97S.
  4. Merck Manual: Information on medical topics, symptoms, drugs, procedures, news and more. Generic Name
  5. MSD: Mögliche Risiken und Komplikationen bei der Einlage, Lokalisation, Entfernung und Migration von Implanon NXT®. Rote-Hand-Brief zu Implanon NXT® (Etonogestrel) vom Juni 2016
  6. Rote-Hand-Brief zu Implanon NTX vom 15.01.2020

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Hormonelle Empfängnisverhütung. (AWMF-Registernummer: 015 - 015), September 2020 Langfassung