Detoxikationsverfahren – Plasmapherese (Plasmaaustausch)

Bei der Detoxikation mittels Plasmaaustausch (Synonyme: Plasmapherese, Plasmaseparation, therapeutischer Plasmaaustausch (TPA), Plasma exchange, PE) handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren, welches unter anderem in der Nephrologie und Neurologie zum Einsatz kommt und der effektiven Entfernung unerwünschter Antikörper wie beispielsweise Kryoglobuline, endotheliale Immunglobuline und Myelinantikörper dient. Des Weiteren stellt dieses Verfahren eine wichtige Therapiekomponente in der Dauerbehandlung bei vorliegenden massiven Fettmetabolisationsstörungen dar.

Der Einsatz der Plasmapherese speziell bei Fettstoffwechselstörungen wird als Lipidapherese bezeichnet.

Der Begriff Pherese beschreibt im Griechischen die "Hinwegnahme eines Teils vom Ganzen". Grundlegend ist bei der Plasmapherese die Tatsache, dass der separierte Plasmaanteil des Blutes direkt verworfen und durch eine adäquate Lösung ersetzt wird. Problematisch ist hierbei jedoch, dass auch nicht pathologische Substanzen wie Gerinnungsfaktoren durch die nichtselektive Substitution der gesamten Plasmafraktion eliminiert werden. Dennoch wird der Nutzen des Plasmaaustausches höher als die negativen Eigenschaften bewertet, sodass das Verfahren eine wichtige therapeutische Behandlungsoption darstellt.  

Zielsetzung und Wirkung des Plasmaaustausches

Zielsetzung des Plasmaaustausches

Der Plasmaaustausch, auch als Plasmapherese bekannt, ist ein medizinisches Verfahren, das hauptsächlich in der Nephrologie und Neurologie zur Anwendung kommt. Seine primäre Zielsetzung ist die effektive Entfernung pathologischer Substanzen wie Antikörper und Immunkomplexe aus dem Blut. Diese können bei verschiedenen Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen und Stoffwechselstörungen beteiligt sein.

Wirkung des Plasmaaustausches

  • Entfernung pathologischer Substanzen: Durch den Austausch von Plasma werden schädliche Antikörper und andere pathologische Substanzen effizient aus dem Blut entfernt, was zu einer Reduzierung der Krankheitssymptome und einer Verbesserung des klinischen Zustands führen kann.
  • Unterstützung der Immunmodulation: Indem pathogene Immunkomplexe entfernt werden, unterstützt der Plasmaaustausch die Wiederherstellung eines ausgewogeneren Immunsystems.
  • Prävention und Management von Komplikationen: Bei bestimmten Erkrankungen wie dem hämolytisch-urämischen Syndrom und der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura kann der Plasmaaustausch lebensrettend sein, indem er akute Komplikationen verhindert.

Indikationen des Plasmaaustausches

Gesicherte Behandlungsindikationen

  • Hämolytisch urämisches Syndrom – dieses Syndrom ist assoziiert mit einer hämolytischen Anämie, einer Thrombozytopenie und einem Nierenversagen. Es kann beispielsweise durch eine Faktor-H-Störung mit einer gestörten Komplementaktivierung assoziiert sein. Im Frühstadium stehen histologisch Mikrothromben im Vordergrund. Im fortgeschrittenen Stadium der thrombotischen Mikroangiopathie (Erkrankung der kleinen Blutgefäße) finden sich arterioläre und glomeruläre Sklerosen (Verhärtung von Organen oder Gewebe durch eine Vermehrung des Bindegewebes), eine stenosierende Fibroelastose in Interlobulararterien sowie eine Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose.
  • Thrombotisch thrombozytopenische Purpura – bei der TTP, die auch als Maschcowitz-Syndrom bezeichnet wird, die durch Fieber, hämolytische Anämie und Niereninsuffizienz gekennzeichnet ist, kann die Durchführung eines Plasmaaustausches die Therapie mit von-Willebrand-Protease-Substitution unterstützen.

Vermutete Behandlungsindikationen

  • Anti-glomeruläre Basalmembran Antikörper-Glomerulopathie – bei dieser renalen Indikation handelt es sich um ein Erkrankungsbild, welches auf dem Vorhandensein von anti-GMB-AK beruht. Die Patienten, häufig junge Männer, erkranken zunächst mit einer unklaren Lungensymptomatik (Husten, Atemnot), in schweren Fällen treten massive Lungenblutungen auf. Kurz darauf setzt eine Glomerulonephritis ein. Der Verlauf der Lungensymptomatik kann jedoch auch milde sein, gelegentlich tritt auch die Glomerulonephritis zuerst auf.
  • Niereninsuffizienz bei Kryoglobulinämie – Kryoglobuline (Antikörper (Immunglobuline), die bei Kälte unlöslich werden und bei Wärme wieder in Lösung gehen) spielen bei diversen Erkrankungen eine entscheidende Rolle in der Pathophysiologie. Als Beispiel kann das multiple Myelom (ist eine Krebserkrankung des Knochenmarks; eine sogenannte monoklonale Gammopathie mit pathologischer Produktion von Immunglobulinen) genannt werden. Innerhalb von 10 Jahren entwickelt nahezu die Hälfte der Patienten, die unter eine Kryoglobulinämie leiden, eine terminale Niereninsuffizienz (Nierenversagen). In verschiedenen randomisierten und nicht randomisierten kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass ein verzögerter Eintritt der Niereninsuffizienz bei Kryoglobulinämie durch den Plasmaaustausch hervorgerufen werden kann.
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – beim generalisierten Lupus erythematodes handelt es sich um eine generalisierte Autoimmunerkrankung, die in ihrem chronisch Verlauf alle Organe betreffen kann und besonders an Haut, Gelenken und Nieren zu massiven Schädigungen führt. Sie ist durch das Auftreten von Autoantikörpern gekennzeichnet, die gegen Zellkernkomponenten (antinukleäre Antikörper, ANA), doppelsträngige DNA (Anti-ds-DNA-Antikörper) oder Histone (Anti-Histon-Antikörper) gerichtet sind. Durch den Einsatz des Plasmaaustausches kann gegebenenfalls das Auftreten von Symptomen reduziert werden.

Fragliche Behandlungsindikationen

  • Pemphigus vulgaris – ist eine Hautkrankheit aus der Gruppe der blasenbildenden Autoimmundermatosen. Der Pemphigus vulgaris ist von einem bullösen Pemphigoid abzugrenzen und zeichnet sich durch Blasenbildung aufgrund einer Akantholyse der unteren Schichten der Epidermis aus. Als Ursache sind IgG-Autoantikörper gegen Desmoglein 3 (ein Proteinbestandteil des Desmosoms) zu nennen, welche in den Interzellularräumen der betroffenen Hautareale, sowie im Serum der Erkrankten nachgewiesen werden können.
  • Multiple Sklerose (MS; chronisch-entzündliche Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems, ZNS) – bei einem akuten Schub kann ein Plasmaaustausch erfolgen, allerdings wird das Resultat dieser Behandlung als besonders fraglich eingeschätzt. Die Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems, deren Ursache bisher bislang nicht geklärt ist. 

Der Wirkmechanismus des Plasmaaustausches beruht auf dem Prinzip, dass die beim Patienten vorliegende Erkrankung mit pathologisch veränderten Plasmabestandteilen im Blut assoziiert ist oder aufgrund einer pathologischen Vermehrung von Plasmabestandteilen vorliegt. Der Austausch von ungefähr 2.500-3.200 ml Plasmavolumen resultiert in einer Absenkung von rein intravasal befindlichen Substanzen, die nicht mit der Austauschlösung substituiert werden können, um ungefähr 60 % des Ausgangswertes. Führt man einen Plasmaaustausch innerhalb von zwei Wochen 5-mal durch, so ergibt sich bei gleichzeitiger Immunsuppressionstherapie normalerweise eine signifikante Minderung des IgG-Anteils um bis zu 80 %. Der Therapieerfolg ist jedoch nicht allein durch die Reduktion der Antikörper messbar, da der Titer des Autoantikörpers nicht ausreichend genau mit dem Schweregrad der Autoimmunerkrankung assoziiert ist.

Vor der Behandlung

  • Patientenbewertung und -vorbereitung: Vor der Durchführung der Plasmapherese müssen die Patienten sorgfältig auf ihre Eignung für das Verfahren überprüft werden. Dazu gehört die Bewertung der individuellen Krankheitsgeschichte, die Berücksichtigung der spezifischen Indikationen für die Plasmapherese und die Abwägung der Risiken.
  • Vorbereitung der Ausrüstung: Die Wahl des geeigneten Apheresesystems und der Antikoagulanzien muss auf der Grundlage der individuellen Patientenbedürfnisse und der spezifischen Erkrankung erfolgen.
  • Aufklärung des Patienten: Der Patient sollte über das Verfahren, seine Vorteile, Risiken und mögliche Komplikationen informiert werden.

Das Verfahren

Durchführung des Plasmaaustausches

  • Die Separation der Blutbestandteile kann auf verschiedene Arten erreicht werden. Entweder erfolgt diese über universell einsetzbare Zellseparatoren, deren Trennmechanismus auf einer Differentialzentrifugation beruht oder die Trennung wird mithilfe von speziellen Membranplasmaseparatoren durchgeführt.
  • Unabhängig davon, welches System zur Trennung der Blutbestandteile angewendet wird, kann durch beide Verfahren nahezu zellfreies Plasma separiert werden. Ein relevanter Unterschied liegt jedoch bei der Menge des abzutrennenden Plasmas und bei der Geschwindigkeit des Entnahmeflusses vor.
  • Bei der Apherese durch den Zellseparator ist eine niedrigere Bluteinflussgeschwindigkeit als bei der Differentialzentrifugation zur Funktion notwendig. Außerdem ist hervorzuheben, dass die Menge des prozessierbaren Plasmavolumens verfahrenstechnisch bei der Verwendung des Zellseparators im Gegensatz zur Differentialzentrifugation nicht begrenzt ist.
  • Analog zu weiteren kontinuierlich arbeitenden Hämapherese-Systemen wird unter Verwendung von zwei venösen Zugängen ein extrakorporaler Blutkreislauf aufgebaut. Für die Funktion des Systems ist es unabdingbar, dass das Blut ohne Unterbrechung über den Entnahmeschenkel unter Zugabe einer antikoagulativ wirkenden Substanz der Zentrifugationskammer zugeführt wird. Nach der Zufuhr des Blutes in die Kammer erfolgt die Separation der gewünschten Fraktion, sodass in der Folge die korpuskulären Bestandteile des Patientenblutes in Verbindung mit der Substitutionslösung in den Blutkreislauf des Patienten zurückgeführt werden können.
  • Neben der bisher beschriebenen kontinuierlichen Methode werden auch diskontinuierliche Systeme zum Plasmaaustausch verwendet. Der Einsatz dieser diskontinuierlich funktionierenden Systeme, bei denen entweder die Entnahme- oder die Retransfusionsphase aktiv ist, benötigen nur einen Gefäßzugang. Sowohl die Entnahme als auch die Retransfusion erfolgen über denselben Gefäßzugang.
  • Des Weiteren ist aufzuführen, dass alle verwendeten Geräte über computergesteuerte Rollerpumpen und Ventile verfügen. Durch diese Computersteuerung wird es möglich, dass eine direkte Funktionsüberwachung des Apheresesystems gewährleistet werden kann.
  • Von besonderer Bedeutung ist die Antikoagulation bei der Durchführung des Plasmaaustausch-Verfahrens. Mithilfe der Antikoagulation kann einerseits sichergestellt werden, dass das Risiko der Gerinnung im Schlauchsystem relevant reduziert beziehungsweise verhindert werden kann, um einen optimalen Durchlauf des Blutes durch das System zu erreichen. Andererseits lässt sich durch die Antikoagulation die Aktivierung der Komplementkaskade verhindern. Als Substanzen zur Antikoagulation dienen unter anderem Citratlösungen, Heparin oder die Kombination aus beidem. Der Einsatz von Citrat wird als besonders günstig erachtet, da mithilfe dieser Methode der Antikoagulation die kalziumabhängigen Schritte der Komplementaktivierung nahezu komplett verhindert werden können. Zur besseren Steuerung der gerinnungshemmenden Wirkung sollten primär kurz wirksame Substanzen eingesetzt werden, um Nebenwirkungen wie eine unerwünschte länger dauernde Blutungsneigung des betroffenen Patienten zu verhindern.

Nach der Behandlung

  • Überwachung: Die Überwachung des Patienten nach der Plasmapherese ist wichtig, um frühzeitig auf mögliche Komplikationen reagieren zu können.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Hypocalciämie: Durch die Verwendung von Citrat als Antikoagulans kann es zu einer Senkung des Calciumspiegels im Blut kommen.
  • Blutdruckabfall: Durch den Volumenverlust während der Plasmapherese kann es zu Blutdruckabfällen kommen.
  • Allergische Reaktionen: In seltenen Fällen können allergische Reaktionen auf die Ersatzlösungen auftreten.

Spätkomplikationen

  • Infektionen: Durch das Verfahren können das Immunsystem beeinträchtigt und das Infektionsrisiko erhöht werden.
  • Blutgerinnungsstörungen: Langfristig kann es zu Störungen der Blutgerinnung durch den Verlust von Gerinnungsfaktoren kommen.
  • Venöse Zugangsprobleme: Langzeitkomplikationen können auch durch Probleme mit den venösen Zugängen entstehen.

Literatur

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